Terrorgruppe in Serie „A Thin Line“: Soll das die Letzte Generation sein?
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Radikalisiert sich: Die Aktivistin Benni (Hanna Hilsdorf) schließt sich in der Serie „A Thin Line“ (ab 16. Februar bei Paramount+) der Ökoterrorgruppe „Der Letzte Widerstand“ an. Ähnlichkeiten zu dem Klimaaktionsbündnis Letzte Generation waren laut Serienschöpfer Jakob Weydemann nicht beabsichtigt.
© Quelle: Paramount+
Es geht um das Überleben der Erde in der Serie „A Thin Line“, die am Donnerstag bei Paramount+ startet. Und um Ökoterrorismus. Um das „Fällen eines Waldes zugunsten einer klimaschädlichen Autobahn“ zu verhindern, reichen den Zwillingsschwestern und Aktivistinnen Anna (Saskia Rosendahl) und Benni (Hanna Hilsdorf) Straßenprotest und Unterschriftenaktion nicht aus. Benni dringt in das Büro eines korrupten Verkehrsministers ein und macht dessen Rechner klar für Hackerin Anna. Gemeinsam werden Dokumente geleakt. Die Ökothriller-/Cyberthrillerserie erzählt von der „dünnen Linie“ zwischen Protest und Kriminalität.
Letzte-Generation-Sprecher: „Der Bezug wird hergestellt werden“
Benni gerät später an eine radikale Gruppe, für die der Zweck alle Mittel heiligt. Diese Gruppe überschreitet jedwede Grenze und mordet sogar – um die Welt von der Ernsthaftigkeit ihres Anliegens zu überzeugen. Sie nennt sich „Der letzte Widerstand“. Ein Name, der unweigerlich an das real existierende Klimabündnis Letzte Generation erinnert.
„Ob der Name ‚Letzter Widerstand‘ bewusst oder zufällig gewählt wurde, ist für die Zuschauerinnen und Zuschauer nicht entscheidend – der Bezug wird so oder so hergestellt werden“, ist sich Letzte-Generation-Sprecher Theo Schnarr auf Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) sicher. „Sollte es ein Ansatz sein, friedlichen zivilen Widerstand zu kriminalisieren, stellt dies nicht den ersten Versuch dar und wird vermutlich auch nicht der letzte bleiben.“ Man habe aber bereits am Aufkommen des Begriffs der „Klima-RAF“ gesehen, dass weite Teile der Gesellschaft solche Bezeichnungen als absurd und überzogen wahrnähmen, so Schnarr.
Kriminalisierung liegt Serienmacher Jakob Weydemann indes fern: „Der Name der fiktiven Gruppe ‚Der letzte Widerstand‘ in unserer Serie ist in der Tat nicht absichtlich in Anlehnung an die Letzte Generation gewählt“, versichert er gegenüber dem RND und verneint auch jedwede Gemeinsamkeit der fiktiven Gruppierung mit der Letzten Generation: „Wir wollten das militante Element der Gruppe durch das Wort ‚Widerstand‘ betonen und ihre Wahrnehmung der Welt dadurch, dass sie sich als die ‚Letzten‘ ansehen. So sind wir beim Schreiben der Drehbücher auf diesen Namen gekommen.“
„Die Aktionen der Letzten Generation werden als gerechtfertigt angesehen werden“
Keinesfalls will Weydemann, dass der Zuschauer nun Querverweise zwischen realer und erfundener Gruppierung zieht: „Ich hoffe, dass die Letzte Generation durch unsere Serie nicht zusätzlich in Misskredit gerät, sondern – im Gegenteil – der Unterschied der Aktions- und Protestformen, die die Letzte Generation wählt, zu terroristischem Handeln umso deutlicher wird“, stellt er klar.
Für Weydemann steht die Letzte Generation „durchaus in der Tradition vieler sozialer Bewegungen, die heute allgemein anerkannt sind und deren radikale Aktionen zivilen Ungehorsams in der Rückschau als gerechtfertigt angesehen werden“. Als Beispiele nennt er die Anti-Atomkraft-Bewegung, Greenpeace und die amerikanische Bürgerrechtsbewegung.
Die Aktivisten von „Der letzte Widerstand“ grenzt Weydemann davon scharf ab: „Unsere fiktive Gruppe in ‚A Thin Line‘ steht im Gegensatz dazu in der Tradition terroristischer Gruppen wie der RAF, die Gewalt gegen Menschen als gerechtfertigtes Mittel zur Erreichung ihrer Ziele ansah.“
Letzte-Generation-Sprecher vertraut auf das Serienpublikum
Der Protest der Letzten Generation werde als friedlich angesehen, ist sich deren Sprecher Schnarr sicher. Man vertraue entsprechend darauf, „dass die Zuschauerinnen und Zuschauer der Serie den sehr klaren Unterschied zu einer gewaltbereiten Gruppe auch hier erkennen werden. Wir setzen auf das Mittel des friedlichen Widerstands, und Gewalt ist für uns immer eine rote Linie!“
Es stelle sich für Schnarr auch die Frage der Themenwahl für eine solche Serie. „Wenn ich einen Ökothriller drehen möchte, bietet sich da nicht viel stärker an, die Machenschaften einer Ölindustrie als Basis zu nehmen, die seit Jahrzehnten Bescheid weiß, dass ihr Produkt die Lebensgrundlagen der Menschheit zerstört, und seitdem alles daransetzt, dieses Wissen zu verschleiern?“
Luisa Neubauers „Pipeline“-Video sorgte 2022 für helle Aufregung
Immer wieder wird im Zusammenhang mit Klima- und Umweltaktivistinnen und -aktivisten die Befürchtung geäußert, friedlicher Protest und ziviler Ungehorsam könnten radikaleren Handlungen weichen. Als die deutsche Klimaaktivistin Luisa Neubauer im vergangenen Sommer in einem Telegram-Video vom Copenhagen Democracy Summit in Dänemark (auf Englisch) sagte, sie plane, „die längste Rohölpipeline der Welt in die Luft (zu) jagen“ und dabei auf die East African Crude Oil Pipeline (EACOP) in Afrika verwies, wurde sie in den sozialen Medien umgehend unter Verdacht des Ökoterrorismus gestellt.
Und musste nachlegen, sie habe sich scherzhaft auf das Buch „Wie man eine Pipeline in die Luft jagt: Kämpfen lernen in einer Welt in Flammen“ des schwedischen Klimaforschers Andreas Malm bezogen. Malm gilt als Vordenker einer radikalen Klimabewegung und sieht Sabotage als eine gerechtfertigte Variante von Protest. Die besagte Pipeline war indes noch gar nicht gebaut „Jesus, Maria, es ist ein Buch“, rechtfertigte sich Neubauer.
Berliner Justizsenatorin Kreck: Letzte Generation ist „im unteren Kriminalitätsspektrum“
Die Letzte Generation ist ein Bündnis von deutschen und österreichischen Umweltaktivisten. 2021 gegründet, begannen diese Anfang 2022 mit Aktionen zivilen Ungehorsams. Die bekannteste ihrer Aktionsformen sind Straßenblockaden in Städten, wobei sich die Aktivistinnen und Aktivisten dabei auf dem Straßenbelag festkleben. Die Berliner Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) verortete diese Form des Protests am vergangenen Dienstag „im unteren Kriminalitätsspektrum“.
Gemeinsamkeit mit der Serie: Autobahnen verhindern
Am Mittwoch (15. Februar) gossen Mitglieder der Gruppe Beton auf die Fahrbahn der Mühlendammbrücke in Berlin-Mitte. Begründet wurde die Aktion mit der „fehlgeleiteten Verkehrspolitik der deutschen Bundesregierung“. Mit dem Ausschütten des Betons werde dieser „einem sinnvolleren Zweck“ zugeführt als dem „Neubau klimaschädlicher Autobahnen“. Bezüglich der Autobahnen ist die Letzte Generation dabei eins mit den beiden Schwestern aus der Serie „A Thin Line“ zu Beginn der Serie – allerdings vor der Radikalisierung von Benni. Ermittelt wird in Berlin jetzt wegen „Nötigung im Straßenverkehr“.
Das Wort „Klimaterroristen“ wurde im Januar zum „Unwort des Jahres“ 2023 gekürt.
„A Thin Line“ läuft ab Donnerstag auf Paramount+.