Ukrainischer Botschafter wirft Bundesregierung „Kälte und Gleichgültigkeit“ vor
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/QKTCF6M7QNB2ZLHWCUSVCVMIKE.jpg)
Andrij Melnyk, der ukrainischer Botschafter in Deutschland.
© Quelle: imago images/Christian Spicker
Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, hat der Bundesregierung nach dem russischen Angriff auf sein Land „Kälte und Gleichgültigkeit“ vorgeworfen. „Jede Bitte, uns jetzt zu helfen, wurde einfach abgeschmettert. Das ist sehr traurig. Ich kann nicht verstehen: Wie kann man so kaltherzig und stur bleiben“, sagte Melnyk in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“.
+++ Alle Entwicklungen im Liveblog +++
Er sei am Donnerstag „von einigen Ministern“ empfangen worden und habe militärische Ausrüstung und Kraftstoff für die Armee gefordert. „Die Antwort war: Nach unserer Einschätzung bleiben Ihnen, den Ukrainern, vielleicht wenige Stunden. Das macht jetzt keinen Sinn, Euch überhaupt zu helfen“, sagte Melnyk. „Diese Politik, diese Zögerlichkeit, sie lässt uns als Opferlamm, das geschlachtet wird.“
Melnyk kritisierte auch, dass sich Deutschland beim EU-Gipfel gegen „die größten Sanktionskeulen“ gegen Russland gestemmt habe: den Ausschluss aus dem Zahlungssystem Swift und ein Embargo für Öl-, Gas- und Kohleimporte aus Russland. Die Bundesregierung wolle abwarten, sagte Melnyk und fragte: „Worauf? Dass Zehntausende, Hunderttausende Ukrainer sterben müssen vor ihren Augen?“
„Die Zögerlichkeit wird uns noch sehr viel mehr weh tun in Zukunft“
Auch Eva Quadbeck, stellvertretende Chefredakteurin und Leiterin der Hauptstadtredaktion des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND), kritisierte in der Sendung, dass von der EU nicht noch schwerere Sanktionen verhängt worden seien – vor allem ein Swift-Ausschluss Russlands: „Das hätte Russland davon abgeschnitten, international noch Geschäfte tätigen zu können, aber man hat sich mal wieder auf die kleine Lösung geeinigt.“ Es sei wohl die deutsche Seite gewesen, die sich dagegen gewehrt habe.
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Twitter, Inc., der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.
„Dieses Swift-Abkommen ist das schärfste Schwert, das wir gehabt hätten bei den Sanktionen. Und ich finde, wann, wenn nicht an einem Tag wie heute, setzt man alle Sanktionsmöglichkeiten in Gang?“, so Quadbeck. Der Verzicht sei ein Signal, bei dem man nicht mehr von Solidarität mit der Ukraine sprechen könne. „Ja, es hätte uns auch weh getan. Aber die Zögerlichkeit, die wir mal wieder an den Tag legen, wird uns noch sehr viel mehr weh tun in Zukunft.“
Zustimmendes Nicken kam auch von „Zeit“-Journalistin Alice Bota: „Wenn nicht jetzt, wann dann? Mit welchem Worst-Case-Szenario rechnet man, dass man sich dieses scharfe Instrument noch vorbehält?“
Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sagte mit Blick auf die Sanktionen gegen Russland: „Was sind wir bereit, zu bezahlen für den Frieden auf unserem Kontinent? Das ist die entscheidende Frage und daran wird unsere Glaubwürdigkeit gemessen.“ Der Swift-Ausschluss Russlands dürfe nicht an Deutschland scheitern.
Habeck: Einsatzfähigkeit der Bundeswehr muss gesteigert werden
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) sagte bei „Markus Lanz“, Deutschland sei jetzt quasi Nachbar eines aggressiv Krieg führenden Landes. Das werde sicherlich zur Konsequenz haben, dass die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr noch einmal überprüft „und – ich glaube, da verrate ich kein Geheimnis – gesteigert werden muss“.
Der Angriff auf die Ukraine sei „rational nicht zu erklären“, so Habeck. Putin schade mit diesem Krieg Russland und seinem eigenen Regime. „Europa, der Westen, die freie Welt – sie wird sich jetzt abwenden, weil man mit Kriegstreibern und Diktatoren keine Handelsgeschäfte treiben kann.“
Dies sei nicht zum Wohle Russlands. „Die Irrationalität, die daraus spricht, die macht es eben so gefährlich.“ Der Angriff sei von langer Hand und kaltblütig geplant gewesen. „Wir müssen nun einräumen, dass wir naiv waren die letzten Wochen und Monate.“
RND/dpa/seb