RAF-Vergleich in Böhmermann-Show – Nicht lustig, sagt das Landgericht
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/HSJSUYEFGXBDIO5N3AW5GZKO6Q.jpg)
Eine Sendung des „ZDF Magazin Royale“ mit Jan Böhmermann musste aus der Mediathek entfernt werden.
© Quelle: Rolf Vennenbernd
Hannover. Die Aufregung um Jan Böhmermanns FDP-Satire war längst schon wieder verflogen, da entschied das Hamburger Landgericht noch mal auf Nachspielzeit. Die Sendung des „ZDF Magazin Royale“, ausgestrahlt am 25. November, ist aktuell weder in der Mediathek des öffentlich-rechtlichen Senders noch auf Youtube zu finden. Der Grund ist eine einstweilige Verfügung, die der Journalist Stefan Aust erwirkt hatte.
Das Gericht sieht in dem Stück eine Persönlichkeitsverletzung – das bestätigte ein Sprecher dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Böhmermann hatte in der Sendung und in deren Vorankündigungen ein angebliches Fahndungsplakat gezeigt, auf dem unter anderem ein angebliches Foto von Aust zu sehen ist. Tatsächlich zeigt das Plakat aber den Schauspieler Volker Bruch, der Aust im Film „Der Baader Meinhof Komplex“ gespielt hatte.
Der Zuschauer könne das nach Auffassung des Landgerichts nicht anders verstehen, als dass die abgebildete Person Stefan Aust sei, begründet das Gericht. Somit sei das eine Persönlichkeitsverletzung. Die Verbreitung des Bildes mit diesen Zeilen ist seit diesem Donnerstag untersagt. Das ZDF entfernte die Aufzeichnung der Sendung von allen Portalen.
Die „Lindner/Lehfeldt-Bande“
Es ist der vorläufige Höhepunkt einer ohnehin schon absurden Aufregung über ein reichlich dünnes Satirestück. Böhmermann und seine Redaktion wollten mit der Sendung im November – so die landläufige Deutung – diejenigen zur Weißglut bringen, die die Klimaaktivistinnen und -aktivisten der „Letzten Generation“ unaufhörlich in die Nähe der terroristischen RAF rücken. Etwa in Fernseh- oder Zeitungsinterviews und in den sozialen Netzwerken. Auch Stefan Aust hatte das getan.
Also spann die Redaktion eine noch viel abstrusere Verschwörungsgeschichte um die FDP und ihre Anhängerinnen und Anhänger und erklärte die Regierungspartei zur „neuen RAF“. Der halbstündige Beitrag in der Sendung war völlig frei erfunden, reiner Klamauk, voll von mittelmäßig kreativen Anspielungen und eigentlich nicht weiter der Rede wert – wären da nicht die Reaktionen gewesen.
Schon vor der Sendung hatte Böhmermann auf Twitter ein angebliches Fahndungsplakat der frei erfundenen „Lindner/Lehfeldt-Bande“ verbreitet. Darauf erklärte er alle möglichen Politiker und Journalistinnen aus dem konservativ-liberalen Lager zu Terroristen, darunter neben Christian Lindner und seiner Frau Franca Lehfeldt (Journalistin bei der „Welt“) auch „Welt“-Chefredakteur Ulf Poschardt, dessen „Chefreporterin Freiheit“ Anna Schneider, Springer-Chef Mathias Döpfner, den Virologen Hendrik Streeck, Kabarettist Dieter Nuhr und ein Pferd. Und eben auch „Welt“-Herausgeber Stefan Aust, allerdings mit einem Foto von Volker Bruch.
Dünnes Satirestück
Einige der Abgebildeten fielen umgehend auf die Stichelei rein, regten sich auf Twitter höllisch darüber auf, forderten alle möglichen Konsequenzen. Das schließlich machte die Satireaktion erst richtig rund: Natürlich will niemand in die Nähe einer terroristischen Vereinigung gerückt werden, die Menschen ermordete – das gilt für liberale FDP-Fans genauso wie für, richtig, Klimaaktivistinnen und -aktivisten. Das Stück hielt den Akteuren und ihrer eigenen Rhetorik also den Spiegel vor.
Über den Klee gelobt wurde das Satirestück am Ende aber trotzdem nicht – auch nicht aus dem Lager, das Böhmermann und seinen Ideen eher nahesteht. Böhmermann war zuvor schon länger nicht mehr mit satirischen Spitzen in Erscheinung getreten – seine Sendungen glichen zuletzt eher Investigativformaten, waren eher wütend als lustig. Wer hätte da schon ahnen können, dass man es plötzlich doch wieder mit Humor probiert.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/MVZ6V5A445OSJGW4S2EL52MTVM.jpg)
Teil von Till-Lindemann-Statue in Rostock gefunden: Wer hat die Skulptur gestohlen?
Der Diebstahl einer Statue von Rammstein-Sänger Till Lindemann beschäftigt weiter die Rostocker Polizei. Ein Teil des Werkes können die Beamten unweit des ursprünglichen Aufstellungsortes sicherstellen. Wie es nun weitergeht.
Die RAF-Vergleiche gegenüber der „Letzten Generation“ kamen derweil auch nicht ausschließlich von Liberalen, die Kritik an den Aktivistinnen und Aktivisten erstreckte sich über alle politischen Lager – daher hinkte schon die Ausgangsthese des Beitrags irgendwie. Und am Ende wirkte die Sendung vielmehr wie ein provokanter Beißreflex einer Satireredaktion, die ein bisschen zu viel auf Twitter abhängt – geschrieben für ein Publikum, das auch zu viel auf Twitter abhängt.
Aust und die RAF
Stefan Aust twittert nur selten – fand die Sendung anscheinend aber auch nicht lustig. Der langjährige Journalist (1994 bis 2008 Chefredakteur des „Spiegel“) und heutige Herausgeber der Tageszeitung „Die Welt“ hat eine ganz eigene Geschichte mit der RAF.
Er arbeitete einst – wie auch die spätere RAF-Terroristin Ulrike Meinhof – beim Magazin „konkret“. 1970 befreite der damals 24-Jährige zusammen mit dem RAF-Aussteiger Peter Homann die Töchter Meinhofs, Bettina und Regine Röhl, die von Mitgliedern der RAF nach Sizilien verschleppt worden waren. Aust schrieb später auch das Buch „Der Baader-Meinhof-Komplex“. Es gilt heute als Standardwerk über die RAF, diente als Grundlage für Filme und Dokumentationen.
Der Journalist stand nach eigenen Angaben auch selbst im Fokus der Terrorgruppe. Andreas Baader, Horst Mahler und andere sollen einmal versucht haben, ihn zu ermorden. Dies sei nur gescheitert, weil Aust vorgewarnt worden sei. Er sei nachts durch einen Hinterausgang verschwunden – die Terroristen mussten unverrichteter Dinge wieder abziehen.
„Als Satire getarnter Blödsinn“
Nachvollziehbar ist es da schon, dass Aust den Klamauk Böhmermanns und seiner größtenteils jungen Satireredaktion, die die RAF allenfalls aus Erzählungen kennen dürfte, kaum erträglich findet. Offiziell ist das aber nicht der Grund für den Rechtsweg, den der Journalist schließlich einschlug.
Gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ erklärt der Medienmacher, es gehe ihm „nur um ein Detail“, nämlich dass entweder ein falsches Bild oder eine falsche Bildunterschrift verwendet wurde – „das zeigt, dass sie nicht mal ansatzweise recherchieren, wenn sie ihren als Satire getarnten Blödsinn verbreiten“, so Aust weiter.
Seitenhieb auf Volker Bruch
Hat Aust – aber eben auch das Landgericht Hamburg – Böhmermanns „Blödsinn“ vielleicht nicht richtig verstanden? Wie auch schon die vielen Echauffierten vor ihnen?
Das Plakat und das anschließende Fernsehstück, sie alle sind hanebüchener Unfug mit Ansage – genau das soll der Witz sein. Genau darum ist auf dem angeblichen Fahndungsplakat auch ein Pferd mit dem Namen Tosca abgebildet – und eben das falsche Bild des angeblichen Stefan Aust. Ein Quatsch-Plakat zu einer Quatsch-Satiresendung hat sicherlich viele Ansprüche: es soll sticheln, aufregen, bestenfalls witzig sein – aber ganz bestimmt nicht die Wahrheit abbilden.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/GSE34RSBE5DZRI2YWKLLDEER7U.jpeg)
Der Schauspieler Volker Bruch steht bei den Dreharbeiten für einen Kurzfilm für den UNHCR (Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge) vor der Kamera.
© Quelle: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/
Zudem dürfte das Bild eine Anspielung auf den Schauspieler Volker Bruch sein. Der heute vor allem durch die Serie „Babylon Berlin“ bekannte Schauspieler gehörte 2021 zu den Mitinitiatoren der viel kritisierten Aktionen „Alles dichtmachen“ und „Alles auf den Tisch“, bei denen sich Schauspieler mit Videoclips über die damaligen Corona-Maßnahmen echauffierten.
„Comedyoberlandesgericht Hamburg“
Für Satiriker Böhmermann jedenfalls ist der Fall nun ein erneutes gefundenes Fressen. Er bezeichnet das Hamburger Landgericht auf seinem Twitter-Account als „Comedyoberlandesgericht Hamburg“. In einem anderen Tweet spottet er: „Der dümmste anzunehmende Zuschauer Deutschlands ist mit hoher Wahrscheinlichkeit Richter am Landgericht Hamburg.“
Auch Vorschläge für eine Überarbeitung des Plakats hat der Satiriker bereits. Auf einem Bild wurde das Foto Volker Bruchs als Stefan Aust kurzerhand durch eines des Schauspielers Evan Peters in seiner Rolle als Serienmörder Jeffrey Dahmer ersetzt.
Und um den Fall endgültig ad absurdum zu führen, widmete Böhmermann schließlich auch noch Fahdungspferd Tosca einen Tweet: „Jetzt geht es richtig rund: Pferd Tosca möchte nicht mit WeLT-Herausgeber Stefan Aust (o.ä.) auf einem Witzplakat abgebildet werden und erwirkt vor dem Comedylandgericht Hamburg ebenfalls eine Einstweilige Verfügung gegen das ZDF.“
Wie es mit der gelöschten ZDF-Sendung nun weitergeht, ist noch unklar. Das ZDF will prüfen, ob es gegen die Entscheidung des Hamburger Gerichtes vorgehen will, so ein Sprecher gegenüber der „SZ“. Zunächst solle eine überarbeitete Version der Sendung wieder online gehen.