Australien: Djokovic wurde zum „Talisman“ der Impfgegner – und schwieg vor Gericht
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Novak Djokovic auf dem Weg zur Anhörung vor Gericht in Melbourne.
© Quelle: imago images/AAP
Die Entscheidung war einstimmig: Nach einer Anhörung, die sich über den gesamten Sonntag in Australien erstreckt hat, haben drei australische Bundesrichter für den Einwanderungsminister und gegen Tennisstar Novak Djokovic entschieden. Sie kamen zu dem Urteil, dass die Entscheidung des Ministers nicht irrational oder rechtswidrig gewesen sei. Der Sportler muss das Land nun umgehend verlassen, muss die Kosten für die Verhandlung tragen und darf nicht an den Australian Open teilnehmen.
Nachdem sein Visum für Australien am späten Freitagnachmittag bereits zum zweiten Mal annulliert worden war, war der serbische Tennisstar erneut gerichtlich gegen die Entscheidung vorgegangen.
Djokovic selbst äußerte sich vor Gericht nicht
In einer Erklärung nach dem Urteil schrieb Djokovic, dass er das Urteil des Gerichts anerkenne, obwohl er natürlich enttäuscht sei. „Es ist mir unangenehm, dass der Fokus der letzten Wochen auf mir lag und ich hoffe, dass wir uns jetzt alle auf das Spiel und Turnier konzentrieren können, das ich liebe.“
Zentraler Streitpunkt bei der Anhörung am Sonntag war die Haltung Djokovics gegenüber Impfungen und die Bedenken des australischen Einwanderungsministers, dass sein Auftritt bei den Australian Open die Impfgegner in Australien mobilisieren könnte.
Während sein Anwaltsteam argumentierte, dass diese Annahme vollständig auf einem einzigen BBC-Artikel basiere, der etwas zitiere, das der Sportler vor fast zwei Jahren gesagt habe, sagte Regierungsanwalt Stephen Lloyd, dass Djokovic die Anhörung hätte nutzen können, dies zu korrigieren. Letzteres hätte aufgrund der Liveübertragung der Anhörung zusammen mit der großen Medienaufmerksamkeit ein wichtiges Zeichen setzen können. Denn zeitweise verfolgten über 85.000 Zuschauer die gerichtlichen Auslegungen auf Youtube.
Djokovic habe sich jedoch entschieden, in diesem Verfahren nicht aufzutreten, sagte Lloyd. Dabei wäre dies einfach gewesen. „Aber er hat es nicht getan, und das hat wichtige Konsequenzen.“ Später verwies der Anwalt auf die geringe Impfquote in Serbien, wo der Impfstatus des Stars vermutlich den größten Einfluss habe. Djokovic selbst verfolgte die Anhörung vom Büro seiner Anwälte aus. Die Nacht zu Sonntag hatte der Weltranglistenerste erneut in dem Abschiebehotel in Melbourne verbracht, in dem auch über 30 Asylsuchende festgehalten werden.
„Talisman“ der Impfgegner
Australiens Einwanderungsminister Alex Hawke hatte das Visum des Serben am späten Freitagnachmittag erneut storniert. In seiner Erklärung gegenüber den Medien schrieb Hawke, dass er auf den Abschnitt 133C (3) des Migrationsgesetzes zugreife und das Visum von Novak Djokovic aus Gründen der „Gesundheit“ und der „guten Ordnung“ annulliere, da dies im öffentlichen Interesse liege. Außerdem erwähnte der Minister den „Schutz der australischen Grenzen“, insbesondere während der Covid‑19‑Pandemie.
In den detaillierten Erläuterungen des Ministers, die dann am Samstag veröffentlicht wurden, schrieb er, dass er zwar akzeptiere, dass Djokovics jüngste Covid‑19‑Infektion bedeute, dass er ein „vernachlässigbares Risiko für seine Umgebung“ darstelle, aber dass er von einigen als „Talisman“ für die Bewegung der Impfgegner wahrgenommen werde. „Ich bin der Ansicht, dass die anhaltende Präsenz von Herrn Djokovic in Australien zu einer Zunahme der in der australischen Gemeinschaft erzeugten Stimmung gegen Impfungen führen kann“, schrieb der Minister.
Dies könne möglicherweise zu einer Zunahme ziviler Unruhen führen, die wiederum ein Ansteckungsherd sein könnten. Gleichzeitig wies er darauf hin, wie sich der Tennisspieler nach seinem positiven Test verhalten hatte, als er trotz eines positiven Testergebnisses nach wie vor Events in Belgrad besuchte.
Person von „hohem Ansehen“
Djokovics Anwalt nannte die Gründe des Ministers dagegen „irrational“ und argumentierte während der Anhörung am Sonntag, dass die Abschiebung von Djokovic genau das erreiche, was der Minister verhindern wolle – nämlich, dass sie die Antiimpfstimmung noch mal deutlich schüren würde. Zuvor hatten die Anwälte in ihren schriftlichen Ausführungen bereits bestritten, dass ihr Mandant ein Risiko für die öffentliche Gesundheit und Sicherheit darstelle. „Er hat keinen Versuch unternommen, gegen australische Gesetze zu verstoßen“, hieß es darin.
Er sei eine Person „von hohem Ansehen“ und ein Botschafter für die serbische Nation. „Er ist nicht nur der beste Tennisspieler der Welt, sondern auch für seine philanthropischen Bemühungen bekannt, darunter seine großzügigen Spenden zur Bekämpfung des Coronavirus sowie zur Bekämpfung der Buschbrände in Australien.“
Während der Anhörung am Sonntag argumentierten die Anwälte zudem, dass der Sportler bei etlichen anderen Turnieren in den vergangenen Monaten gespielt habe und keinerlei Antiimpfstimmung dadurch erzeugt worden sei. Zudem habe sich der Minister auf Bemerkungen von Djokovic bezogen, die dieser zu Beginn der Pandemie im April 2020 gemacht habe, als die Unsicherheit in Bezug auf Impfstoffe tatsächlich noch groß war. Er habe die aktuelle Meinung Djokovics nie eingeholt.
Tatsächlich hat die Djokovic-Saga einigen Impfgegnern in Australien Munition verschafft – aus welchem Grund auch immer: So waren in Sydney am Samstag über 1000 Menschen auf einer Antiimpfkundgebung in der Innenstadt unterwegs. Einige der Demonstranten schwenkten serbische Flaggen, wohl als Zeichen der Unterstützung für Djokovic. Andere sangen Slogans gegen die Kinderimpfungen, die seit einigen Tagen in Australien begonnen haben. Auch in Melbourne demonstrierten rund 200 Menschen.
In Australien zum Politikum geworden
Für die australische Regierung ist die Angelegenheit über die vergangenen eineinhalb Wochen zum Politikum geworden. Letzteres wurde vor allem durch die Äußerungen von Australiens Premierminister Scott Morrison am Freitag deutlich. „Diese Pandemie war für jeden Australier unglaublich schwierig, aber wir haben zusammengehalten und Leben und Lebensgrundlagen gerettet“, sagte Morrison. Gemeinsam hätten die Australier eine der niedrigsten Sterblichkeitsraten, die stärkste Wirtschaft und die höchsten Impfraten der Welt erreicht. „Die Australier haben während dieser Pandemie viele Opfer gebracht, und sie erwarten zu Recht, dass das Ergebnis dieser Opfer geschützt wird.“
Die öffentliche Meinung in Australien hat sich vor allem nach Bekanntwerden einiger Ungereimtheiten in Bezug auf Djokovics Einreiseformular sowie wegen seines Verhaltens nach seiner Covid-Diagnose gegen den Tennisspieler gewendet. In einer aktuellen Umfrage zweier australischer Zeitungen gaben über 70 Prozent der Befragten an, dass Djokovic ihrer Meinung nach nach Hause geschickt werden und nicht bei den Australian Open spielen sollte.
In seinem Heimatland Serbien, wo der Tennisspieler als Nationalheld gefeiert wird, hat Djokovics Behandlung in Australien dagegen heftige Reaktionen hervorgerufen. Vor allem Serbiens Präsident Aleksandar Vucic äußerte sich in einem Instagram-Post am Wochenende emotional.
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Er sprach von einer „politischen Hexenjagd“ gegen „den besten Tennisspieler der Welt“ und sprach die australische Regierung direkt an: „Ist das alles notwendig, um eine Wahl zu gewinnen und Ihre Öffentlichkeit zufriedenzustellen?“