„Die Stierfeste müssen gemacht werden“

Bisher zehn Menschen in diesem Jahr bei spanischen Volksfesten von Stieren getötet

In der Arena ist es der Matador, der den Stier tötet. Bei spanischen Volksfesten ist es anders: Zehn Menschen sind dieses Jahr schon durch Stiere ums Leben gekommen.

In der Arena ist es der Matador, der den Stier tötet. Bei spanischen Volksfesten ist es anders: Zehn Menschen sind dieses Jahr schon durch Stiere ums Leben gekommen.

Madrid. Am Montagmittag versammelten sich die Lokalpolitikerinnen und -politiker vor dem Rathaus von Vallada in der Provinz Valencia zu einer Schweigeminute, die alle Zeitungen später als „bewegend“ beschrieben. Am Vorabend war ein junger Mann gestorben. Die Bürgermeisterin, María José Tortosa, beschrieb, wie: „Der Stier bog in eine Gasse ein, erfasste den Jungen mit seiner Schnauze und trampelte über ihn hinweg, weil er keinen Platz hatte, um an ihm vorbeizulaufen.“ Der 24-Jährige starb kurz nach seiner Einlieferung ins Krankenhaus. Ein paar Stunden stand das Dorf unter Schock, dann wurde weitergefeiert. „Die Stierfeste müssen gemacht werden“, sagte ein Mann zur Erklärung in eine Fernsehkamera von Telecinco. „Diesmal ist es fatal ausgegangen, aber sieh …“ Und er zuckte mit den Schultern.

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„Stiere auf der Straße“ – ein spanisches, aber auch tödliches Vergnügen

Der 24-Jährige wusste, worauf er sich einließ. Er war eigens aus der Nachbarprovinz Albacete angereist, eine gute halbe Stunde Autofahrt, um in Vallada den Nervenkitzel der losgelassenen Stiere zu spüren. Jedes Jahr sterben bei diesen Volksfesten ein paar Männer, manchmal auch Jugendliche, unter den Hörnern oder den Hufen der Stiere. Die Antistierkampfplattform La Tortura no es Cultura (LTNEC) hatte bis zur vergangenen Woche acht Tote in ganz Spanien gezählt. An diesem Wochenende kamen zwei weitere hinzu, der junge Mann in Vallada und, in der Nacht zuvor, ein 71-Jähriger in Almedíjar, ebenfalls in der Mittelmeerregion Valencia, wo die Bous al carrer besonders beliebt sind. Bous al carrer ist Katalanisch für „Stiere auf der Straße“. Das ist ein sehr spanisches Vergnügen und manchmal ein tödliches.

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Die Tauromaquia – die Kunst des rituellen Stiertötens, ins Deutsche recht unpräzise mit Stierkampf übersetzt – verliert in Spanien seit Jahren an Zuspruch, aber die Volksfeste mit Stieren nicht. Klassische Corridas de Toros gab es 2019, im letzten Vorpandemiejahr, genau 349, andere Stierkampffeste in Arenen gut 1000 – und Volksfeste mit Stieren knapp 17.000. Die Stiere sollen Angst verbreiten, das ist der Reiz dieser Feste, und die Männer (manchmal auch Frauen) ihren Mut beweisen, indem sie sich dem Tier nähern, es provozieren, ihm am Schwanz ziehen oder ähnlichen Unsinn mit ihm anstellen. Getötet wird der Stier hinterher beim Schlachter, oder er kommt zurück auf die Wiese.

Für Befürworter dieser Feste ist Stierkamp keine Barbarei

Eine Besonderheit unter den Bous al carrer ist der Bou embolat oder, auf Spanisch, der Toro embolado: Dem Stier werden Metallhülsen auf die Hörner gesetzt, die mit Werg gefüllt sind, das in Brand gesteckt wird. Ein nächtliches Fest „mit besonderem Reiz“, schreibt die Gemeinde Vallada auf ihrer Website über die brennenden Stierhörner. Als das Regionalparlament von Katalonien 2010 die Stierkämpfe in ihrer Region verbot, verlor es kein Wort über den Bou embolat und die anderen Volksfeste mit Stieren. Die klassischen Corridas sind die Erbauung einer zahlungskräftigen Minderheit; die Bous al carrer sind Ergötzung des (Land-)Volkes. Mit dem legen sich auch die katalanischen Nationalistinnen und Nationalisten nicht gerne an.

„Wie viele weitere Tote braucht es, damit etwas gegen diese Barbarei unternommen wird?“, fragen sich die Stierkampfgegner von der LTNEC-Plattform. Doch für die Befürworterinnen und Befürworter dieser Feste ist es keine Barbarei, und dass sie dabei ihr Leben aufs Spiel setzen, ist ihre eigene Angelegenheit – so wie manche Bergsteigerinnen und Bergsteiger ihr Leben riskieren oder Rennfahrerinnen und Rennfahrer. Allgemein beliebt aber sind diese Spektakel in Spanien nicht. Als der Fernsehsender Telecinco in seiner populären Hauptnachrichtensendung am Montagabend über die Todesfälle berichtet, schließt der Reporter mit den Worten: „Hochdosierter Leichtsinn – und Tierquälerei.“

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