Schwierige Arbeit unter Bolsonaro

Indigenen-Experte in Brasilien getötet: „Er hat sein Leben für uns gegeben“

Ein Aktivist, der eine Faultiermaske trägt, nimmt an einer Kundgebung zur Unterstützung des britischen Journalisten Dom Phillips und des Indigenen-Experten Bruno Pereira teil.

Ein Aktivist, der eine Faultiermaske trägt, nimmt an einer Kundgebung zur Unterstützung des britischen Journalisten Dom Phillips und des Indigenen-Experten Bruno Pereira teil.

Vor seinem Verschwinden im brasilianischen Amazonas-Gebiet hatte der Indigenen-Experte Bruno Pereira große Pläne geschmiedet. Der 41-Jährige wollte die 350 Kilometer lange südwestliche Grenze des Indigenen-Territoriums Vale do Javari demarkieren, eines Gebiets von der Größe Portugals. Das Vorhaben war Pereiras jüngstes Bemühen, Indigene beim Schutz ihrer natürlichen Ressourcen und traditionellen Lebensweise zu unterstützen.

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Dieses Ziel hatte er lange im Dienst der brasilianischen Behörde für indigene Angelegenheiten (Funai) verfolgt. Nach dem Amtsantritt des rechten Präsidenten Jair Bolsonaro 2019 nahm sich Pereira jedoch frustriert eine Auszeit, wie er der Nachrichtenagentur AP in mehreren Telefonaten in den vergangenen 18 Monaten gesagt hatte. Denn die Funai habe sich immer weniger für den Schutz Indigener und der Umwelt engagiert. Pereira arbeitete fortan als Berater für die Indigenen-Organisation Univaja im Vale do Javari – ein offenbar gefährlicher Weg.

Er wurde zuletzt am 5. Juni auf einem Boot auf dem Fluss Itaquaí nahe der Grenze zu Peru und Kolumbien lebend gesehen, zusammen mit dem britischen Journalisten Dom Phillips. Am vergangenen Mittwoch gestand ein Fischer, die beiden Männer getötet zu haben. Er führte die Polizei zu einer Stelle, an der die sterblichen Überreste zweier Menschen gefunden wurden. Ein Teil wurde Phillips zugeordnet, die übrigen Leichenteile gehören vermutlich zu Pereira.

Pereira floh nach Norwegen

Als technischer Berater hatte Pereira der Univaja geholfen, ein Überwachungsprogramm gegen illegale Fischerei und Wilderei zu entwickeln. Zusammen mit drei weiteren Nicht-Indigenen bildete er Einheimische im Einsatz von Drohnen und anderer Technologie aus, um illegale Aktivitäten zu dokumentieren und den Behörden Beweise zu liefern. In der abgelegenen Region leben 6300 Menschen aus sieben verschiedenen ethnischen Gruppen. Viele von ihnen haben wenig oder keinen Kontakt zur Außenwelt. „Wenn es darum ging, den indigenen Völkern zu helfen, hat er alles getan, was er konnte“, sagt Jader Maruba, ehemaliger Univaja-Präsident über Pereira. „Er hat sein Leben für uns gegeben.“

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Wie Pereira arbeitete auch Ricardo Rao als Indigenen-Experte für die Funai. Im Jahr 2019 hatte er ein Dossier über illegale Abholzung in indigenen Gebieten im Staat Maranhão verfasst. Aus Angst, unter dem neuen Regime so offen zu sprechen, floh er nach Norwegen. „Ich habe in Norwegen um Asyl gebeten, weil ich wusste, dass die Männer, gegen die ich Vorwürfe erhoben habe, Zugang zu meinem Namen haben und mich töten würden, so wie es jetzt mit Bruno passiert ist“, sagt Rao.

Bolsonaro hat sich wiederholt dafür ausgesprochen, die reichen Bodenschätze in Indigenen-Gebieten zu erschließen und die Ureinwohner in die Gesellschaft zu integrieren. Er kündigte an, keine weiteren Schutzgebiete für Indigene mehr auszuweisen. Pereira war vor seiner Auszeit als Leiter der Funai-Abteilung für abgeschieden lebende Volksgruppen entlassen worden. Kurz zuvor hatte er Hunderte illegale Goldsucher aus einem Indigenen-Gebiet im Staat Roraima ausweisen lassen.

Pereiras Kollegen nahmen sich eine Auszeit

Sein Nachfolger wurde ein ehemaliger evangelikaler Missionar mit anthroposophischem Hintergrund – was für einen Aufschrei sorgte, da missionarische Gruppen in der Vergangenheit offen versucht hatten, Volksgruppen zu kontaktieren und konvertieren. Die freiwillige Isolation der Indigenen ist durch brasilianisches Recht geschützt.

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Wichtige Kollegen von Pereira bei Funai folgten entweder seinem Beispiel und nahmen eine Auszeit oder wurden auf Posten in der Verwaltung versetzt. Das geht aus einem Bericht der Denkfabrik Institut für Sozioökonomische Studien und einer Nonprofit-Organisation hervor, der derzeitige und frühere Funai-Beschäftigte angehören. Stattdessen seien ranghohe Positionen bei der Funai mit Polizisten und Militärvertretern besetzt worden. Viele Experten der Behörde seien entlassen, unfair beschuldigt oder diskreditiert worden, heißt es in dem kürzlich veröffentlichten Report.

Pereira und Phillips hatten am Tag ihres Verschwindens nach Angaben von Einheimischen Handys aus dem Überwachungsprojekt bei sich. Auf den Geräten seien Hunderte Fotos zu unerlaubtem Fischfang gewesen. Den Behörden zufolge steht ein illegales Fischerei-Netzwerk im Mittelpunkt der polizeilichen Ermittlungen zu den Morden.

Brasilien: Nicht der erste Mord an Indigenen-Partner

Pereira war nicht der erste mit Verbindungen zur Funai, der in der Region getötet wurde. 2019 war der aktive Funai-Beamte Maxciel Pereira dos Santos in der Stadt Tabatinga auf seinem Motorrad erschossen worden. Er war wegen seines Einsatzes gegen illegale Fischer bedroht worden. Der Mord an ihm wurde nie aufgeklärt. Die örtlichen Indigenen trauerten um Pereira als Partner. In sozialen Medien wurde in den vergangenen Tagen ein Foto vielfach geteilt, auf dem der Experte inmitten einer Gruppe von Indigenen zu sehen ist, denen er etwas auf seinem Laptop zeigt.

Aus Sicht des Journalisten Rubens Valente, der seit Jahrzehnten aus dem Amazonas-Gebiet berichtet, war das Risiko für Pereira gestiegen, sobald er selbstständig arbeitete. „Fischdiebe haben Bruno als schwache Person gesehen, ohne den Status und die Macht, die er als Funai-Koordinator in der Region fünf Jahre lang gehabt hatte“, sagt er. „Als die Verbrecher bemerkt haben, dass Bruno geschwächt ist, ist er noch mehr zur Zielscheibe geworden.“

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RND/AP

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