Geburten auf Rekordtief

Chinas Bevölkerung schrumpft: Warum das eine Bedrohung für den Aufstieg des Landes ist

Peking: Menschen mit Mund-Nasen-Schutz gehen während der Hauptverkehrszeit durch eine U-Bahn-Station. In China leben die meisten Menschen der Welt. Es werden inzwischen aber weniger.

Peking: Menschen mit Mund-Nasen-Schutz gehen während der Hauptverkehrszeit durch eine U-Bahn-Station. In China leben die meisten Menschen der Welt. Es werden inzwischen aber weniger.

Das Pekinger Statistikamt sorgte am Dienstagmorgen gleich doppelt für Aufsehen: Laut den jüngsten Wirtschaftszahlen ist Chinas Bruttoinlandsprodukt im Vorjahr nur um 3 Prozent gewachsen, womit die Regierung ihr selbst gestecktes Ziel von 5,5 Prozent deutlich verfehlte. Doch die schwächelnde Wirtschaft dürfte den Machthabern nur kurzfristige Kopfschmerzen bereiten, da eine Erholung in den kommenden Quartalen als wahrscheinlich gilt. Grund für eine langfristige Migräne lieferte das Statistikamt allerdings auch.

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Denn erstmals seit den Hungersnöten zu Beginn der 1960er-Jahren ist Chinas Bevölkerung geschrumpft – um satte 850.000 Personen. Ursprünglich hatten die Behörden erwartet, dass dieser folgenreiche „Wendepunkt“ frühestens gegen Ende der Dekade erreicht würde. Doch die Geburtenrate ist unaufhaltsam weiter gesunken, derzeit befindet sie sich mit 6,77 Neugeborenen auf 1000 Menschen auf einem historischen Rekordtief. Die Sterberate stieg hingegen deutlich auf einen Wert von 7,37.

Alterung der Bevölkerung ist größte Bedrohung für Aufstieg Chinas

Yi Fuxian, Wissenschaftler an der University of Wisconsin-Madison, spricht von einer „krassen Unterschätzung“. Seine empirischen Studien legen nahe, dass die offiziellen Daten der Regierung geschönt sind und der demografische Wandel noch rasanter voranschreitet. Die chinesische Bevölkerung schrumpfe laut seinen Berechnungen bereits seit 2018.

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Die Alterung der Bevölkerung ist die größte Bedrohung für den wirtschaftlichen Aufstieg Chinas – noch weit vor der Immobilienkrise oder dem Handelskrieg mit den USA. Mit einer sinkenden Zahl von Arbeitern und Arbeiterinnen bricht auch die wirtschaftliche Produktivität des Landes ein. Nicht zuletzt werden die niedrigen Geburtenraten auch dazu führen, dass Universitäten schließen werden.

Chinas kontroverse Ein-Kind-Politik

Die Entwicklung der Geburtenraten ist nur im Hinblick auf Chinas kontroverse Ein-Kind-Politik zu verstehen, die von der kommunistischen Staatsführung Ende der 70er-Jahre implementiert wurde. Durch einen staatlich regulierten Stopp des damaligen Bevölkerungswachstums wollte man drohende Hungersnöte vermeiden.

Die Regierung muss nun realisieren, dass sie die Bevölkerungskurve nicht auf Knopfdruck nach ihren Vorstellungen steuern kann. Zwar dürfen Chinesen und Chinesinnen seit einigen Jahren wieder drei Kinder haben, doch nun wollen sie es schlicht nicht mehr. Die Gründe dafür sind komplex und haben vor allem mit den immensen Lebenshaltungskosten zu tun: Chinesische Mittelschichtsfamilien klagen über lange Arbeitszeiten, mangelnde Kindergartenplätze und horrende Preise für Wohnraum.

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Niedrige Geburtenrate hat auch mit Wertewandel zu tun

Gleichzeitig hat die niedrige Geburtenrate auch mit einem allgemeinen Wertewandel zu tun. Insbesondere für junge, urbane Chinesinnen ist es manchmal eine bewusste Verweigerung: Für die zunehmend populären feministischen Bewegungen ist das kinderlose Leben eine subversive politische Botschaft, sich der patriotischen Pflicht einer patriarchalen Regierung zu entziehen. Der Staat reagiert mit Zensur und Propaganda. Die Filmproduktionen sind wieder vermehrt mit klassischen Mütterrollen gespickt.

Die Ursachen des demografischen Wandels sind nicht über Nacht zu lösen. Der in den USA ansässige Wissenschaftler Yi Fuxian hält den Bevölkerungsrückgang deshalb für „unumkehrbar“.

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