Dortmund: 16-Jähriger von fünf Schüssen aus Maschinenpistole eines Polizisten getroffen
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Polizeibeamte sichern einen Einsatzort in der Holsteiner Straße in Dortmund. Ein 16-Jähriger ist dort am Montag durch mehrere Schüsse von Polizisten tödlich verletzt worden.
© Quelle: Markus Wüllner/ Video-Line TV /
Dortmund. Die Schüsse auf den nach einem Polizeieinsatz gestorbenen 16-Jährigen sind aus einer Maschinenpistole eines Polizisten abgefeuert worden. Der Jugendliche sei laut dem vorläufigen Obduktionsbefund von fünf Schüssen getroffen worden, sagte der zuständige Oberstaatsanwalt Carsten Dombert am Dienstag.
Laut Dombert wurden sechs Projektilhülsen gefunden, also sind wohl sechs Schüsse abgegeben worden. Die Schüsse trafen den 16-Jährigen am Montag in Dortmund demnach in den Bauch, in den Kiefer, in den Unterarm und zweimal in die Schulter.
Polizist wird als Beschuldigter geführt – übliches Vorgehen
Laut Polizei hatte der Jugendliche bei dem Einsatz die Beamten mit einem Messer angegriffen. Es seien elf Polizisten vor Ort gewesen, einer von ihnen habe die Schüsse aus der Maschinenpistole abgegeben, sagte Oberstaatsanwalt Dombert. Er werde zunächst – wie in solchen Fällen üblich – als Beschuldigter geführt. Es gehe um den Anfangsverdacht der Körperverletzung mit Todesfolge.
Im Verlauf des Einsatzes in der Holsteiner Straße zwischen der Einrichtung und einer Kirche sollen die Polizisten erst auch Reizgas und ein Elektroschockgerät - einen sogenannten Taser - eingesetzt haben. Schließlich fielen die tödlichen Schüsse. Bei der Staatsanwaltschaft sei nicht bekannt, dass auch ein Polizeibeamter verletzt worden sei, sagte Dombert.
Die Polizei in Nordrhein-Westfalen verwendet Maschinenpistolen vom Typ MP5 von Heckler und Koch. Frank Schniedermeier aus dem Vorstand der Gewerkschaft der Polizei NRW sagte, es gebe regelmäßig Schießtrainings mit allen bei der Polizei eingesetzten Waffen.
Motivation des 16-Jährigen noch unklar
Die Polizei war am Montagnachmittag zu einem Innenhof zwischen einer Kirche und einer Jugendhilfeeinrichtung im Dortmunder Norden gerufen worden. Dort soll der 16-Jährige seit kurzer Zeit betreut worden sein. Laut Oberstaatsanwalt rief einer der Betreuer die Polizei, weil er den Jugendlichen mit einem Messer sah. Seine genaue Motivation müsse noch geklärt werden, es stehe unter anderem Suizidalität im Raum.
Laut Polizei starb er am Montag nach den Schüssen bei einer Notoperation im Krankenhaus. Mit den Ermittlungen ist aus Neutralitätsgründen die Recklinghausener Polizei betraut. Die Ermittlerinnen und Ermittler wollten am Dienstag mehrere Mitarbeitenden der Jugendhilfe-Einrichtung, in der der 16-Jährige untergebracht worden sein soll, zu dem Vorfall befragen.
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© Quelle: Reuters
Wann dürfen Polizisten schießen?
Das Recht des Schusswaffengebrauchs bei Polizeibeamten ist komplex. Polizisten dürfen ihre Schusswaffe einsetzen, wenn sie sich selbst damit schützen, beispielsweise vor einem Angriff, also aus Notwehr. In besonderen Situationen, wie einer Amoklage, darf eine Schusswaffe auch eingesetzt werden, um den Täter fluchtunfähig zu machen. Ein gezielter Todesschuss ist nicht vorgesehen. Zudem muss der Polizeibeamte den Schusswaffengebrauch ankündigen.
„Grundsätzlich ist ein Messer eine sehr gefährliche Waffe, die bei näherer Distanz mit einer Schusswaffe gleichzustellen ist“, erklärte ein Sprecher der Bundespolizei Dortmund gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Rein rechtlich betrachtet ist es bei einem Messerangriff rechtskonform, den Schusswaffengebrauch anzudrohen und im Notfall auch durchzuführen“, erläuterte der Sprecher weiter. Einfach auf den Fall in Dortmund übertragen lasse sich das aber nicht. Dafür gebe es noch nicht genügend Ermittlungsdetails. Ob ein Schusswaffengebrauch gerechtfertigt war, müsse immer im Einzelfall betrachtet werden.
Laut einer Statistik des auf polizeilichen Schusswaffengebrauch spezialisierten Professors an der Hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit, Clemens Lorei, setzten Polizisten in Deutschland 2020 insgesamt 159 Mal die Waffe gegen Personen ein. 49 davon waren Warnschüsse. In dem Jahr starben demnach 15 Menschen an den Folgen von Polizeischüssen, 41 wurden verletzt. In NRW starben laut Innenministerium 2021 drei, 2020 vier und 2019 fünf Menschen.
RND/nis mit dpa
Haben Sie Suizidgedanken? Dann wenden Sie sich bitte an folgende Rufnummern:
Telefonhotline (kostenfrei, 24 h), auch Auskunft über lokale Hilfsdienste:
(0800) 111 0 111 (ev.)
(0800) 111 0 222 (rk.)
(0800) 111 0 333 (für Kinder / Jugendliche)
E-Mail unter www.telefonseelsorge.de
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