Ehemaliger Sekretär von Benedikt XVI.

Redet sich Georg Gänswein gerade um Kopf und Kragen?

Georg Gänswein, langjähriger Privatsekretär, steht vor dem Leichnam des verstorbenen Papstes Benedikt XVI. der im Petersdom öffentlich aufgebahrt ist.

Georg Gänswein, langjähriger Privatsekretär, steht vor dem Leichnam des verstorbenen Papstes Benedikt XVI. der im Petersdom öffentlich aufgebahrt ist.

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. war gerade einmal seit 48 Stunden tot und noch nicht begraben, als sein Privatsekretär die Feindseligkeiten eröffnete: In einem Interview mit der katholischen „Tagespost“ erklärte Georg Gänswein, dass es Benedikt XVI. das Herz gebrochen habe, als Franziskus die unter ihm erfolgten Erleichterungen zum Lesen der Alten Messe (also in lateinischer Sprache) wieder rückgängig gemacht habe. Kurz darauf – ebenfalls noch vor der Totenmesse für seinen einstigen Dienstherrn Joseph Ratzinger – legte der 66-jährige deutsche Erzbischof nach: Er sei „schockiert und sprachlos“ gewesen, als er von Franziskus im Jahr 2020 als Präfekt des päpstlichen Hauses suspendiert worden sei – er habe sich damals als „halbierter Präfekt“ gefühlt.

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Trauerfeier auf dem Petersplatz: Zehntausende nehmen Abschied von Benedikt XVI.

Unter den deutschen Gästen war die gesamte Staatsspitze anwesend. Dazu zählen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz.

Die dritte und bisher letzte Attacke gegen Franziskus erfolgte kurz nachdem Benedikt XVI. am Donnerstag in der Krypta des Petersdoms beigesetzt worden war: Joseph Ratzinger, so sein ehemaliger Privatsekretär, habe an Franziskus geschrieben, dass gegen die Genderpolitik ein „starker und öffentlicher Widerstand“ geleistet werden müsse. Auf den Brief habe der amtierende Papst nicht reagiert. Die Kritik an seiner „Halbierung“ als Präfekt des päpstlichen Hauses und am Schweigen des argentinischen Papstes in Sachen Genderpolitik äußerte Gänswein in zwei Auszügen aus seinem Buch „Nichts als die Wahrheit“, das demnächst erscheinen soll.

Reaktionen aus kirchlichen Kreisen

Papst Franziskus hat auf die Angriffe seines Untergebenen bisher nicht reagiert, zumindest nicht offiziell. In seiner Predigt zum Dreikönigstag einen Tag nach Joseph Ratzingers Beerdigung erklärte er aber, dass man „Gott lieben soll, nicht das eigene Ich und falsche Idole, die uns mit dem Prestige ihrer Macht und der Faszination falscher Nachrichten verführen“. Selbstverliebtheit, Machtwahn und Fake News? „Es ist schwierig, bei diesen Worten des Papstes nicht an Georg Gänswein zu denken“, schrieb der für vatikanische Zwischentönen sehr sensible und dabei meist ziemlich treffsichere „Corriere della Sera“. Die päpstliche Predigt, so das renommierte Mailänder Blatt, sei eine deutliche Warnung an „Don Giorgio“ gewesen, mit seiner „vendetta“ (Rache) aufzuhören.

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Unbestreitbar ist, dass das Verhältnis zwischen Gänswein und Franziskus schon immer ein schwieriges war, nicht erst seit dem Tod Benedikts und auch nicht erst seit Gänsweins Suspendierung als Präfekt des päpstlichen Hauses. Der deutsche Geistliche aus dem Schwarzwald war Franziskus wohl immer etwas zu mondän gewesen: Gänswein verkehrte gerne in der Römer High Society, spielte Tennis, genoss seinen Ruf als „George Clooney des Vatikans“. Gänswein wiederum ist, was die katholische Lehre angeht, noch päpstlicher als Benedikt es war, und er befand sich wohl oft in einem Loyalitätskonflikt: Nach der Wahl Franziskus‘ im März 2013 zum Papst bis zu seiner Suspendierung als Präfekt des päpstlichen Hauses war er als persönlicher Sekretär Benedikts Diener zweier Herrn gewesen – des reformfreudigen amtierenden und des konservativen emeritierten Papstes. Das war keine einfache Situation.

Wie geht es mit Gänswein weiter?

Die Frage lautet nun, wie lange Franziskus dem Treiben des „halbierten Präfekten“ noch zusehen will – in Rom herrscht der Eindruck vor, dass sich Gänswein gerade um Kopf und Kragen redet. Selbst ultrakonservative Franziskus-Gegner wie der Präsident der Bischofskonferenz in den USA, Erzbischof Timothy Broglio, ist bei seinem Rom-Besuch in diesen Tagen auf Distanz gegangen: „Ich habe nicht gelesen, was Gänswein gesagt hat, aber ich meine, wenn man den Heiligen Vater kritisieren will, dann muss man das nicht über die Massenmedien tun, sondern es ihm persönlich sagen“, erklärte Broglio gegenüber der Römer Zeitung „La Repubblica“. Man könne mit dem Papst nicht einverstanden sein, aber man müsse seine Kritik auf brüderliche und wohlmeinende Weise äußern und diese „erschreckende Bitterkeit“ vermeiden.

Wie es mit Georg Gänswein weitergeht, ist unklar. Angesichts seines Feldzugs gegen Franziskus scheint es ausgeschlossen, dass er sein Amt als Präfekt des päpstlichen Hauses (das er offiziell immer noch hat, obwohl er es seit über zwei Jahren nicht mehr ausüben darf) behalten kann. Als neue Wirkungsstätte sind verschiedene Möglichkeiten denkbar: In seiner Heimat Deutschland sind zwei Erzbischofssitze vakant – aber gegen eine Ernennung des konservativen Gänsweins gäbe es innerhalb der mehrheitlich reformorientierten deutschen Bischofskonferenz wohl erheblichen Widerstand. Alternativ könnte „Don Giorgio“ einen Lehrstuhl an einer päpstlichen Universität erhalten. Er könnte aber auch, falls er Franziskus mit seinen Querschüssen zu sehr irritiert haben sollte, als apostolischer Nuntius in eine entlegene Weltgegend abgeschoben werden, etwa nach Papua-Neuguinea oder auf die Solomon-Inseln. Er wäre nicht der Erste in der jüngeren Kirchengeschichte, dem ein solches Schicksal widerfährt.

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