Heidelberg nach dem Amoklauf: Als wäre die Tat „in meinem Wohnzimmer“ passiert

: Menschen legen vor einem Gebäude der Universität Blumen und Kerzen an den Wegesrand..

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Heidelberg. Am Tag nach der Tat ist auf dem Campus der Alltag zurückgekehrt. Die Cafeteria der Universität Heidelberg ist gut gefüllt – nur am Eingang wird kontrolliert. Zutritt haben ausschließlich Studierende oder das Personal der Uni.

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Mit dem schrecklichen Vorfall von Montagnachmittag allerdings hat das nichts zu tun – sondern mit den Corona-Regeln.

Am Tag zuvor war die Situation noch eine ganz andere. Rund eine Stunde lang durften Studierende und Lehrpersonal die Gebäude der Universität nicht verlassen. Nur einige Meter vom Cafeteriagebäude entfernt, direkt neben dem Botanischen Garten der Uni, hatte ein 18-Jähriger am Montag gegen 12.30 Uhr das Feuer in einem Hörsaal eröffnet. Der Student schoss mit einer Schrotflinte auf mehrere Studierende. Eine 23-jährige Studentin starb später im Krankenhaus, drei weitere Studierende wurden schwer verletzt. Danach erschoss sich der Täter selbst vor dem Unigebäude.

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Studierende sitzen in Gebäuden fest

Auch Sarah Philips und Johanna Schulz saßen in der Mensa fest, als in der Uni der Notfall ausgerufen wurde – kurz darauf verbreiteten sich auch in Studierendengruppen auf Whatsapp erste Gerüchte. „Ein Freund hat mich gefragt, ob es mir gut gehe“, erzählt Physikstudentin Philips – kurz darauf seien dann weitere Nachrichten eingeprasselt. „Wir haben das erst gar nicht geglaubt“, berichtet Studentin Angela Precht. Sie habe zunächst einen bösen Scherz vermutet.

Auf dem Campus verbreitete sich die Nachricht noch während des Einsatzes schnell, wie Studierende dem RND berichten. Zeitweise seien auch viele Falschmeldungen im Umlauf gewesen – etwa, dass noch ein zweiter Täter auf dem Campus unterwegs sei. Wenig später sei dann die Entwarnung der Polizei und Hochschulleitung gekommen.

Die Ermittlungen an der Uni in Heidelberg dauern an.

Die Ermittlungen an der Uni in Heidelberg dauern an.

Am Tag danach sind viele Fragen unbeantwortet. Vor allem die nach dem Motiv für die Tat. Der Täter war nicht polizeibekannt. Kurz vor der Tat hat er eine Nachricht an seinen Vater geschrieben. Darin hieß es, „dass Leute jetzt bestraft werden müssen“. Was damit gemeint sein könnte, soll nun eine 32-köpfige Ermittlungseinheit namens „Botanik“ herausfinden, gab der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) am Dienstag in Stuttgart bekannt. „Wir werden sein Umfeld jetzt durchleuchten in den nächsten Tagen, mit Hochdruck“, erklärte ein Polizeisprecher. Außerdem soll die Herkunft der beiden Waffen untersucht werden, die er mit sich trug. Belege zeigen, dass die Waffen vor wenigen Tagen im Ausland gekauft wurden.

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Im Café von Bawan Baran ist die schreckliche Tat am Dienstag das Gesprächsthema Nummer eins. Immer wieder erkundigen sich Gäste, wo sich der Vorfall denn abgespielt habe. Gedrückt ist die Stimmung aber kaum: Der Amoklauf ist hier unter Gästen eher Smalltalkthema, als wäre er in einem weit entfernten Land geschehen – nicht 100 Meter um die Ecke.

Barans Lokal liegt direkt an einer kleinen Flaniermeile am Campus, direkt neben einem Copyshop und einem Bäcker. Viele Studierende kommen hierher, kaufen sich einen Coffee to go oder einen Snack. Als die ersten Nachrichten am Montag eintrafen, hätten einige Gäste im Café angefangen, nervös zu telefonieren, erzählt der Gastronom – offenbar aus Sorge, dass Freundinnen oder Freunden etwas passiert sein könnte.

„Sowas erwartet man in Heidelberg nicht“

Romana Popic, Mitarbeiterin im Copyshop nebenan, hat sich vor allem über den Polizeiauflauf gewundert. Ihre erste Vermutung: Der Besuch eines Prominenten. Vor ein paar Jahren habe Angela Merkel einmal Heidelberg besucht, berichtet Popic. „Aber ein Amoklauf? Sowas erwartet man hier in Heidelberg nicht.“ Ihr Arbeitskollege sei nur kurz zuvor noch über den Botanischen Garten gelaufen – der Ort, an dem sich der 18-Jährige Täter später selbst erschoss.

Student Florian Düroff findet all das auch am Tag danach noch beunruhigend. „Der Campus ist ja sowas wie mein zweites Wohnzimmer“, sagt er. „Hier geht man jeden Tag ein und aus, kennt die Wege im Schlaf. Dass hier so etwas passiert, bereitet mir schon ein mulmiges Gefühl.“

Gebäude abgesperrt

Auf dem Campus selbst erinnert am Tag danach nur wenig an die Tat. Nur das Gebäude am Botanischen Garten mit der Nummer 360 ist weiterhin gesperrt. Beamtinnen und Beamte der Polizei gehen hier rein und raus. Die Spurensicherung mache hier noch ihre Arbeit, erklärt eine Polizistin – wie lange das dauere, könne noch niemand sagen. Vor dem Eingang des Gebäudes, in einem Beet des Botanischen Gartens, haben Studierende und Beschäftigte Blumen und Kerzen niedergelegt. Zwei Polizeiautos stehen davor.

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Die meisten Vorlesungen rund herum laufen wie geplant, wenngleich sie alle mit einer Schweigeminute beginnen, wie Student Lasse Seyberlich erklärt. „Natürlich haben wir auch die Möglichkeit, über den Vorfall zu sprechen.“ Auch psychologische Betreuung könnten die Studierenden in Anspruch nehmen.

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