Um die 100 Helferinnen und Helfer

„Ich kann nicht zu Hause sitzen und nichts tun.“: Wie Ukrainer in Berlin ihrer Heimat helfen

Im Ausstellungsbereich des Pilecki-Institut sind Kartons gestapelt. Hier sammeln Freiwillige Hilfsgüter für die Menschen in der Ukraine.

Im Ausstellungsbereich des Pilecki-Institut sind Kartons gestapelt. Hier sammeln Freiwillige Hilfsgüter für die Menschen in der Ukraine.

Berlin. +++ Alle Entwicklungen zum Krieg gegen die Ukraine im Liveblog +++

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Ein junger Mann bringt zwei Schlafsäcke vorbei, Handwerker in ihrer Mittagspause ein Dutzend Verbandskästen, jemand anderes hat einige Kisten mit Medikamenten abzugeben. In Berlins Mitte direkt am Brandenburger Tor ist ein Umschlagplatz für Spenden entstanden, die den Menschen in der Ukraine helfen sollen, die immer mehr unter dem russischen Angriffskrieg zu leiden haben.

„Info Point Ukraine“ steht an der Tür des polnischen Pilecki Instituts, in dem normalerweise wissenschaftlicher Austausch, Veranstaltungen oder Ausstellungen organisiert werden. Jetzt können Menschen hier Spenden abgeben oder erfahren, was in dem geschundenen Land rund 1000 Kilometer entfernt aktuell dringend gebraucht wird - und was vielleicht auch nicht.

Ukrainische Initiativen in Berlin

Organisiert wird das Ganze von einem Netzwerk ukrainischer Initiativen, Vereine und Privatpersonen, die in Berlin wirken beziehungsweise leben. „Das Projekt ist nach Kriegsbeginn ganz spontan entstanden“, erzählt Katja, eine der beteiligten Aktivistinnen. „Wir wollten einfach etwas tun und versuchen, den Menschen in der Ukraine möglichst schnell zu helfen.“

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Was vor gut einer Woche mit vielen Ideen in kleinem Kreis begann, hat sich inzwischen zu einem durchdachten und gut organisierten Projekt entwickelt. „Um die 100 Helferinnen und Helfer machen inzwischen mit“, sagt Katja. „Menschen wie du und ich: Leute, die sich nach der Arbeit engagieren oder ihre Jobs erst mal auf Eis gelegt haben, Studenten, Rentner, Manager.“ Jeder sei willkommen.

„Wir sammeln Sachspenden in Berlin und bringen sie dann mit Hilfe von Transportfirmen und Freiwilligen an die polnisch-ukrainische Grenze“, schildert Yulia, eine andere Aktivistin, die Logistikkette. „Von dort aus bringen ukrainische Helferinnen und Helfer die Waren dahin, wo sie gebraucht werden.“ Das kann ein Krankenhaus sein, eine spezielle Stadt im Kampfgebiet oder auch ein Verband bewaffneter Zivilisten, die ihr Land verteidigen.

Spenden auf Nachfrage

Das besondere dabei: „Wir liefern die Waren zielgenau auf Nachfrage.“ Das Berliner Hilfsnetzwerk schickt also nur die Dinge, die aktuell und in individuellen Fällen besonders dringend gebraucht werden. Zivile Kleidung oder etwa Spielzeug gehören nicht dazu. „Momentan ist den Kindern nicht zum Spielen zumute“, sagt Yulia.

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Ganz oben auf den Listen stehen hingegen Medikamente, medizinische Handschuhe und Masken, Verbandszeug, Dinge wie Thermounterwäsche, Taschenlampen, Campingkocher, Mobiltelefone, Laptops oder haltbare Lebensmittel. Wer eine kugelsichere Weste zu Hause hat, kann sie auch vorbeibringen. Geldspenden seien sehr wichtig, sagt Yulia. Denn damit könnten am Projekt beteiligte Initiativen der ukrainischen Zivilgesellschaft in Berlin gezielt Hilfsgüter einkaufen.

Hilfe für Geflüchtete aus der Ukraine, die derzeit zu Tausenden in Berlin ankommen, leistet das Projekt ebenfalls - auch wenn der Hauptfokus auf den Zivilisten liegt, die in ihrer Heimat leiden. „Ein Gesundheitsamt hat Übersetzer angefragt, da können wir natürlich unterstützen“, sagt Yulia. Am Hauptbahnhof und am Zentralen Omnibusbahnhof sind Teams im Einsatz, um Ankommenden erste Wege zu weisen oder etwas zu essen anzubieten. Mit Bezirksämtern und Senat stehe man in engem Kontakt.

Helfer haben Familie in der Ukraine

Viele derjenigen, die bei dem Projekt an verschiedenen Standorten in Berlin mithelfen, haben Familie oder Freunde in der Ukraine. Täglich, ja stündlich telefonieren sie mit ihnen oder stehen über soziale Netzwerke in Kontakt. „Meine Familie sitzt in Kiew fest“, berichtet Viktoriia, die als Freiwillige an einem Stand Spenden entgegennimmt. „Ich telefoniere auch nachts mit ihnen, kann kaum noch schlafen“, sagt die ukrainische Politikstudentin an der Freien Universität. Warum sie bei dem Hilfsprojekt mitmacht? „Ich kann jetzt einfach nicht zu Hause sitzen und nichts tun.“

Der Spendenfluss reist derweil nicht ab. Neben vielen Berlinerinnen und Berlinern stellen auch Firmen Hilfsgüter zur Verfügung oder spenden Geld, schildert Yulia. Ein Rentner aus dem Wedding kommt als Privatmann am Pariser Platz vorbei und will Kleidungsstücke spenden. Doch die nimmt die Hilfsstelle nicht an, weil sie momentan in der Ukraine nicht gebraucht werden. „Man hat mir aber einen Ort genannt, wo ich sie abgeben kann“, sagte der Mann. Womöglich kommen sie für Geflüchtete aus der Ukraine in Berlin in Frage.

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Andrej Zhaleznichenko gibt einige Kartons Schmerzmittel und Infusionslösungen ab. „Meine Frau ist Ärztin, sie will die Medikamente spenden“, sagt der Belarusse, der in Berlin lebt. Dankbar nehmen die Helfer sie entgegen.

Fragt man die Aktivistinnen und Aktivisten des Hilfsprojektes nach der Zukunft, danach, wann der von Russland angezettelte Krieg in Europa zu Ende sein wird, blickt man in nachdenkliche Gesichter. „Am liebsten heute“, antwortet Yulia.

RND/dpa

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