Migrantenbootsunglück in Italien: Meloni fordert schnelles Handeln der EU
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An der Küste Süditaliens ist das 60. Todesopfer des mit Migranten zerschellten Fischerboots gefunden worden.
© Quelle: IMAGO/Independent Photo Agency Int.
Steccato di Cutro. Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat unter dem Eindruck des tödlichen Untergangs eines Migrantenboots ein schnelles Handeln der EU in der Flüchtlingskrise gefordert. Am Dienstag wurde eine weitere Leiche an der kalabrischen Küste geborgen, die Zahl der Todesopfer stieg damit auf 64. 80 Menschen überlebten. Deren Angaben zufolge könnten rund 170 Personen in dem Holzschiff gewesen sein, das am Sonntag in schwerer See wenige hundert Meter vor der Küste zerschellte.
Meloni sagte, der einzige Weg, ernsthaft und human mit der Krise umzugehen sei, Menschen davon abzuhalten, ihr Leben in gefährlichen Seepassagen zu riskieren. „Der Punkt ist, je mehr Leute aufbrechen, um so mehr riskieren, zu sterben“, sagte sie am Montagabend im Fernsehsender RAI. Der Staatsanwalt in Crotone, Giuseppe Capoccia bestätigte, dass Ermittler drei mutmaßliche Menschenschmuggler - einen Türken und zwei Pakistaner - identifiziert hätten. Ein zweiter verdächtiger Türke sei entweder entkommen oder bei dem Untergang ums Leben gekommen.
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Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni fordert ein schnelles Handeln der EU in der Flüchtlingskrise.
© Quelle: IMAGO/newspix
Bei den Passagieren handelte es sich nach Angaben von Hilfsorganisationen um Menschen aus Afghanistan, Pakistan, Syrien und Irak. Die italienische Zollpolizei teilte mit, Organisatoren hätten pro Person 8000 Euro für die „Todesreise“ verlangt.
Innenminister Piantedosi: „Es hat keine Verzögerungen gegeben“
Der italienische Innenminister Matteo Piantedosi wies Mutmaßungen zurück, die Rettungsaktion sei verzögert worden oder von der Politik der Rechts-Regierung Melonis betroffen gewesen, Hilfsorganisationen von ihren Rettungseinsätzen im Mittelmeer abzubringen. „Es hat keine Verzögerung gegeben“, sagte er und verwies auf „absolut untragbare Seebedingungen“, derentwegen zwei Patrouillenboote auf der Fahrt zu der Unglücksstelle hätten umkehren müssen. Die EU-Grenzbehörde Frontex hatte mitgeteilt, eines ihrer Flugzeuge habe das Migrantenboot am späten Samstagabend vor Crotone gesichtet und die italienischen Behörden alarmiert. Wegen schlechten Wetters wurde der Einsatz abgebrochen; die Patrouillenboote fuhren wieder los, nachdem das Boot am Sonntagmorgen zerschellt war.
Zwei Schiffe der Küstenwache und ein Hubschrauber suchten das Meer vor Steccato di Cutro nach den immer noch Dutzenden Vermissten ab. Bei starkem Wind trieben Schiffstrümmer, Benzintanks, Nahrungsmittelbehälter und Schuhe im Wasser, darunter auch der eines Kleinkindes. Ein Transportauto holte die Leiche eines jungen Mannes ab.
Dutzende Menschen sterben bei Schiffbruch vor süditalienischer Küste
Nach dem Schiffbruch eines Bootes von Migranten sind vor der Küste Süditaliens nach Angaben der Küstenwache 43 Menschen ums Leben gekommen.
© Quelle: Reuters
Chance, noch Überlebende zu finden, ist gering
Überlebenden zufolge war das 20 Meter lange Holzschiff vergangene Woche vom türkischen Izmir aus in Richtung Italien aufgebrochen. Wie die italienische Küstenwache mitteilte, überlebten mindestens 80 Insassen des Bootes, das am frühen Sonntagmorgen vor Kalabrien gegen ein Riff prallte und auseinanderbrach. Feuerwehrkommandant Roberto Fasano sagte, er glaube nicht, dass es jetzt noch Überlebende gebe, das Meer sei einfach zu wild. Aber man dürfe die Hoffnung nicht aufgeben.
Feuerwehrmann Giuseppe Larosa sagte, die ersten Retter seien besonders wegen der vielen Kinderleichen erschüttert gewesen. „Es war eine schaurige Szene: Leichen über den Strand verstreut, so viele Leichen, so viele Kinder“, sagte er. Die Toten seien mit Schürfwunden übersät gewesen, als ob sie sich irgendwo am Schiff festgekrallt hätten, um zu überleben. Er habe sich auf Rettungsversuche konzentriert, doch auch der Zustand der Überlebenden habe ihn erschreckt. „Was mich am meisten getroffen hat, war ihr Schweigen“, sagte Larosa. „Schrecken in ihren Augen, aber sprachlos, stumm.“
In den Trümmern waren nur wenige Rettungswesten zu sehen. Nach Angaben der Vereinten Nationen und der Organisation Ärzte ohne Grenzen waren unter den Opfern ganze Familien. Viele kamen aus Afghanistan, andere aus Pakistan und dem Irak. Der italienische Sender Sky TG24 berichtete, es seien mindestens drei Menschen unter dem Verdacht festgenommen worden, die Todesfahrt organisiert zu haben.
RND/AP