Kampagnenvideo: Wie die „Querdenker“-Szene mit Kindern gegen das Impfen mobilisiert

Vertreter der „Querdenken“-Bewegung mobilisieren mit einem Kampagnenvideo gegen das Impfen.

Vertreter der „Querdenken“-Bewegung mobilisieren mit einem Kampagnenvideo gegen das Impfen.

Hannover. Bereits seit Beginn der Pandemie verbreiten Corona-Leugner und Verschwörungsideologen die wildesten Mythen über das Impfen – selbst als der Impfstoff noch nicht einmal verfügbar war. In diesen Erzählungen geht es um Vakzine, die angeblich das Erbgut verändern sollen – oder sogar Mikrochips, die die Regierung mit Hilfe der Spritze unter die Haut pflanzen soll. Keine dieser Erzählungen ist wahr, sie alle wurden hinlänglich widerlegt.

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Nun allerdings mobilisiert die Szene der Corona-Leugner mit neuen Mitteln – und zwar mit Hilfe einer Videokampagne, und mit Hilfe ihrer Kinder. Unter dem Hashtag #WirLassenUnserKindNichtImpfen wird seit Montag ein 14-minütiger Clip im Netz verbreitet, in dem verschiedene Vertreter der Szene erklären, dass sie ihren Nachwuchs keinesfalls impfen lassen werden.

Initiiert wurde die Kampagne – zumindest nach offizieller Darstellung – von dem „Pädagogen und Visualisierungstherapeuten“ Maurice Janich. Dieser bewirbt sich auf seiner Webseite selbst als „hochsensibel und hochbegabt“ – mit seiner Therapie helfe er Kindern, ihre Traumata zu lösen, heißt es weiter.

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Das angebliche Leid der Kinder

In der Szene der Corona-Leugner war Janich bislang wenig auffällig, aber auch kein Unbekannter: Janich betreibt eine Telegram-Gruppe mit den Namen „Kraft Deiner Gedanken“ (knapp 5000 Abonnenten), in der er das Coronavirus verharmlost, von angeblichen Nebenwirkungen durch Masken schreibt und Verschwörungsideologien verbreitet, etwa die von einem angeblichen „Deepstate“. Ein Youtube-Kanal Janichs wurde laut eigener Aussage zumindest zeitweise von der Plattform entfernt, weil dieser medizinische Fehlinformationen verbreitete.

Schaut man sich Janichs Arbeit genauer an, ist seine Rolle innerhalb der Szene klar: Er fokussiert sich auf das angebliche Leid der Kinder. Auf seinem Kanal wird beispielsweise das Video eines Mädchens verbreitet, das auf einer Corona-Leugner-Demo über Kopfschmerzen klagt, weil es eine Maske tragen muss.

Janich kann all das offenbar beurteilen, schließlich ist er „Visualisierungstherapeut“ - eine Berufsbezeichnung, die es eigentlich gar nicht gibt. Der Begriff des Therapeuten ist in Deutschland, ebenso wie der des Pädagogen, jedoch kein geschützter.

129 Wortbeiträge

Ob Janich tatsächlich maßgeblicher Initiator der Aktion ist, bleibt unklar – in dem Kampagnenvideo tauchen nämlich noch andere Köpfe der Szene auf. Darunter etwa Michael Ballweg, der wohl wichtigste Akteur der „Querdenker“-Bewegung. Auch Eva Rosen ist dabei: Sie war im Sommer 2020 zusammen mit „Querdenken“-Aktivist Bodo Schiffmann Teil der Kleinstpartei Wir2020, im Januar trat sie in die Corona-Leugner-Partei DieBasis ein.

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Verbreitet wurde der Anti-Impf-Aufruf am Montag vom früheren Focus-Journalisten und heutigen Blogger Boris Reitschuster. Dessen Webseite kann man als journalistischen Arm der „Querdenker“-Bewegung bezeichnen, Covid-Verharmloser kommen hier häufig zu Wort. Ihm sei das Video „vorab zur Verfügung gestellt“ worden, schreibt Reitschuster – Michael Ballweg bezeichnet der Blogger in einem Tweet als „Prominenten“.

Der Inhalt des Kampagnenvideos ist derweil weitestgehend unspektakulär: Insgesamt 129 Wortbeiträge sind in dem Clip zu sehen, manchmal zeigen sie angebliche Mütter, mal Väter, mal Pärchen. Die allermeisten sagen nur einen einzigen Satz in die Kamera: „Ich lasse meine Kinder nicht impfen“. Ein Kommentator droht: „Jeder, der den Impfstoff an unseren Kindern verimpft, gehört ins Gefängnis.“ Eine Mutter ist der Ansicht, Kinder bräuchten keinen Impfstoff, sondern „frische Luft“.

Halbwahrheiten über Todesfälle

Hin und wieder sind längere Wortbeiträge zu sehen, etwa der des rechten Aktivisten Billy Six, der zuletzt auch zahlreiche Falschbehauptungen zur Corona-Pandemie verbreitet hatte. In seinem Beitrag berichtet er von einem Fall aus Georgien, bei dem eine 27-jährige Krankenschwester nach einer Impfung gestorben war. Eltern sollten nun „darüber nachdenken, ob sie ihren Kindern dieses Risiko antun möchten“, rät Six. Gegeben hat es diesen Fall tatsächlich, jedoch war die junge Frau nach einer Impfung mit dem Astrazeneca-Vakzin gestorben. Seltene Komplikationen mit dem Impfstoff sind bekannt – das jedoch verschweigt Six gänzlich.

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Verbreitet wird das Video seit dem Morgen auf verschiedenen Telegram-Kanälen der „Querdenker“-Bewegung und erhält dort viel Zuspruch. Auch auf Twitter ist der Hashtag #WirlassenunsereKindernichtimpfen seit dem Morgen in den Trends.

Außerhalb dieser Plattformen wird der „Querdenken“-Bewegung die Verbreitung des Videos jedoch erschwert. Über etablierte Videoportale wie etwa Youtube ist der Clip nicht zu finden. Dort wurde der Clip umgehend wegen des Verstoßes gegen die Nutzungsbedingen entfernt.

Impfgegner gefährden Herdenimmunität

In den vergangenen Wochen hatten Impfgegner immer lauter über ihre Netzwerke gegen das Impfen getrommelt und dabei auch immer wieder Falschmeldungen verbreitet. Anfang Mai beispielsweise wurde in einer Telegram-Gruppe der Mythos verbreitet, ein Arzt sei nach einer Corona-Impfung verstorben – tatsächlich war die Todesursache jedoch eine ganz andere. Auch außerhalb des Internets hatten Impfgegner zuletzt mobil gemacht, etwa mit Megaphonen in Supermärkten.

Auch andere Länder haben mit Impfgegnern zu kämpfen. In den USA, bislang Vorbild in Sachen Impffortschritt, stagniert die Zahl der verabreichten Dosen derzeit, Experten sehen sogar die Herdenimmunität in Gefahr. Der Grund: Impfgegner, die gegen den sogenannten „Biden-Shot“ mobil machen.

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In Deutschland möchten sich fast drei Viertel der Bevölkerung gegen Covid-19 impfen lassen. Das geht aus einer aktuellen YouGov-Umfrage im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur hervor.

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