„Tatort: Borowski und der Schatten des Mondes“

Kieler „Tatort“: Was beim deutschen Woodstock mit Jimi Hendrix wirklich geschah

Im neuen Kieler „Tatort“ spielt Mila Sahin (Almila Bagriacik) neben Platzhirsch Klaus Borowski (Axel Milberg) wie beim letzten Fall wieder nur eine Nebenrolle.

Im neuen Kieler „Tatort“ spielt Mila Sahin (Almila Bagriacik) neben Platzhirsch Klaus Borowski (Axel Milberg) wie beim letzten Fall wieder nur eine Nebenrolle.

Der Vorverkauf für das vom 4. bis 6. September 1970 stattfindende Love-and-Peace-Festival auf Fehmarn fand unter anderem in den Sexshops von Sponsorin Beate Uhse statt. 60.000 Besucher erwarteten die Macher, doch nur 25.000 kamen. Auch sonst verlief das dreitägige Großevent, von dem der Kieler „Tatort: Borowski und der Schatten des Mondes“ am Rande erzählte, ziemlich chaotisch. Was alles schieflief, warum Axel Milbergs Sohn August in die Rolle des jungen Borowskis schlüpfte und wie es sein kann, dass eine 2020 verstorbene Schauspiellegende in diesem Film noch einmal einen großen Auftritt hat, wird hier beantwortet.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Worum ging es?

Nach einem Herbststurm wird unter einer entwurzelten Eiche ein skelettierter Leichnam gefunden. Es sind die Überreste Susannes, Borowskis (Axel Milberg) erster Freundin, die 1970 auf dem Weg zum Love-and-Peace-Festival auf Fehmarn verschwand und nie wieder auftauchte. Borowski wirkt tief getroffen, Kollegin Mila Sahin (Almila Bagriacik) kann ihn kaum noch erreichen. Der Kommissar sucht den greisen Vater Susannes auf (der mittlerweile verstorbene Hamburger Kultschauspieler Peter Maertens) und „beamt“ sich mit Flashbacks ins Jahr 1970, um sich mit der eigenen Schuld, dem Verlust, aber auch dem Kriminalfall von damals auseinanderzusetzen. War ein später verurteilter Vergewaltiger – wie viele annehmen – tatsächlich auch der Mörder Susannes? Und was hat der softe Musikliebhaber und Waldspaziergänger Michael Mertins (Stefan Kurt) mit der Sache zu tun?

Worum ging es wirklich?

Um dunkle Gänsehautunterhaltung, die im heutigen Krimifernsehen oft anvisiert, aber selten so gut getroffen wurde wie hier. Die Autoren Patrick Brunken („Das Haus“) und Torsten Wenzel („Colonia Dignidad“) schufen einen klassischen „Nordic Noir“-Krimi mit Serienmörder, seltsam bestatteten Leichen und viel dunkler Waldatmosphäre. Auch Regisseur Nicolai Rohde („Julia Durant“) machte einen prima Job. Zahlreiche Drohnenbilder fingen den Wald und das Personal dieses Krimis aus der Luft von weit oben ein, was ein sehr einsames Gefühl erzeugte, um dann wieder in den schauspielerischen Infight mit Nahaufnahmen von Gesichtern und gut geschriebenen, intensiven Dialogen zu gehen. Einer der dichtesten, besten Milberg-„Tatort“-Krimis seit Langem.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
Spaziergänger Michael Mertins (Stefan Kurt) trifft am Fundort der Leiche auf den ermittelnden Borowski (Axel Milberg, rechts).

Spaziergänger Michael Mertins (Stefan Kurt) trifft am Fundort der Leiche auf den ermittelnden Borowski (Axel Milberg, rechts).

Wer spielte den alten Vater des Opfers?

Von der charismatischen Darstellung eines seit 50 Jahren trauernden Vaters waren wohl alle gerührt: Die Rolle wurde von der Hamburger Schauspiellegende Peter Maertens verkörpert, der bereits im Juli 2020 im Alter von 88 Jahren verstarb. Tatsächlich entstand dieser „Tatort“ 2019, er lag aber aus „programmplanerischen Gründen“ ungewöhnlich lange in den Regalen des NDR herum. Auch für August Milberg, der den jungen Borowski spielt, muss dies eine seltsame Erfahrung sein. Zur Ausstrahlung des Films sprach der 18-jährige Abiturient gerade über seine erste und bisher einzige Schauspielerfahrung. Als der „Tatort“ gedreht wurde, war August Milberg erst 15 Jahre alt.

Wer trat beim Love-and-Peace-Festival 1970 auf?

Das berühmte Isle-of-Wight-Festival, auch als „Europas Woodstock“ bezeichnet, fand am Wochenende zuvor auf der Insel vor der englischen Südküste statt. Die drei Fehmarn-Veranstalter, junge Männer, die mit dem Veranstalter-Business zuvor eher wenig Erfahrungen hatten, verfolgten die an sich gute Idee, viele Superstars vom Isle-of-Wight-Festival im Anschluss auf die deutsche Ostseeinsel zu locken. Geklappt hat dies allerdings nur bei Jimi Hendrix, der wenige Tage später – am 18. September 1970 – in London verstarb. Angekündigt auf Fehmarn waren außerdem Superstars wie Procol Harum und Ten Years After, die jedoch – unter wütenden Protesten des Publikums – „ausfielen“. Immerhin gab es an einem sehr stürmischen und verregneten Wochenende auf Fehmarn 1970 noch Gigs von Mungo Jerry, Canned Heat sowie Sly & the Family Stone zu sehen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
Doch der junge Klaus Borowski (August Milberg) macht einen Rückzieher. Nach einem Streit lässt er seine Freundin alleine per Anhalter zum Festival fahren. Die 14-Jährige kehrt nie zurück. 50 Jahre später wird ihre Leiche gefunden.

Doch der junge Klaus Borowski (August Milberg) macht einen Rückzieher. Nach einem Streit lässt er seine Freundin alleine per Anhalter zum Festival fahren. Die 14-Jährige kehrt nie zurück. 50 Jahre später wird ihre Leiche gefunden.

Was ging sonst noch beim Festival schief?

Neben dem katastrophalen Wetter mit chaotischen Auftritten und vielen Bandausfällen geriet das Festival auch finanziell zum Desaster. 200.000 D-Mark sollte das Ganze kosten, doch das Budget stieg schnell auf 500.000 Mark an. 70.000 Mark und eine besondere Behandlung – Transfer zum Festival mit einem Mercedes, einen Luxuswohnwagen auf dem Festivalgelände – erhielt alleine Jimi Hendrix. Beim Festival selbst gab es Gewaltvorfälle durch die als Ordner engagierten Hells Angels. Die Zerstörungen und Flurschäden am Veranstaltungsort rund um den Leuchtturm Flügge gingen weit über die an die Behörden geleistete Garantiesumme von 5000 D-Mark hinaus. Das Festival geriet zur finanziellen Katastrophe, bei der viele Gläubiger auf ihren Forderungen sitzen blieben. Überflüssig zu erwähnen, dass es keine Fortsetzung gab ...

Wo spielt Axel Milbergs Sohn August sonst noch mit?

Nirgendwo. Für den damals 15-Jährigen, der auf Vorschlag der NDR-Produzenten des „Tatorts“ zum Casting eingeladen und für die Rolle des jungen Borowski ausgewählt wurde, war es die erste und bislang einzige Schauspielerfahrung. Der mittlerweile 18-Jährige macht gerade sein Abitur und möchte danach „erst mal reisen“. Eine Schauspielkarriere kann er sich danach eher nicht vorstellen, weil der junge Mann „nicht so gern im Mittelpunkt steht“. Etwas Kreatives darf es beruflich dennoch gern sein, verrät August Milberg im Doppelinterview mit seinem Vater bei der Agentur teleschau. August Milberg ist der Sohn des Schauspielers Axel Milberg und der Künstlerin Judith Milberg. Beide haben noch Kinder aus früheren Beziehungen. August Milberg wurde 2003 geboren – in jenem Jahr, in dem sein Vater als Klaus Borowski seine Arbeit beim „Tatort“ in Kiel aufnahm.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

RND/Teleschau

Mehr aus Panorama

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Outbrain UK Ltd, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Verwandte Themen

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken