35.000 Menschen unterschreiben Petition für Senkung des Strafmündigkeitsalters
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Kerzen und Blumen liegen nahe des Tatorts bei Freudenberg.
© Quelle: Oliver Berg/dpa
Freudenberg. Die Tat in Freudenberg hat die Diskussion um die Herabsenkung des Strafmündigkeitsalters in Deutschland erneut angeheizt. Die beiden Täterinnen (zwölf und 13 Jahre alt) können strafrechtlich nicht belangt werden, da sie unter 14 Jahre alt sind. Die beiden Mädchen gaben zu, die zwölfjährige Luise getötet zu haben.
Eine Onlinepetition mit dem Titel „Verurteilt Luises Mörderinnen“ fordert nun, das Strafmündigkeitsalter von 14 auf zwölf oder zehn Jahre herabzusenken. „Die Frage, für die wir heute diese Petition starten, ist folgende: Wie viele Kinder noch?“, heißt es in der Erklärung der Petition. Gestartet wurde sie am Dienstag und sammelte bis Donnerstagmittag (Stand: 12 Uhr) mehr als 35.000 Unterschriften.
Petition beim Petitionsausschuss des Bundestags eingereicht
Der Fall Luise sei laut der Erstellerin der Petition nicht die einzige Straftat in den vergangenen Jahren gewesen, die ohne Folgen für die Täterinnen und Täter bleibe. „Wir müssen etwas ändern, denn das deutsche Gesetz der Strafmündigkeit wurde seit genau einem Jahrhundert nicht mehr geändert. Durch das in der Weimarer Republik am 16. Februar 1923 neu erlassene Jugendgerichtsgesetz sind Jugendliche erst ab einem Alter von 14 Jahren strafbar“, erklärt die nach eigenen Angaben 19-jährige Petitionsgründerin. Sie nennt den Fall Luise „eine vorsätzliche Tötung, geplant, kalkuliert, wie ein erwachsener Mensch es auch tun könnte“.
Mittlerweile wurde die Petition beim Petitionsausschuss des Bundestags eingereicht, wie die Petitionsgründerin am Donnerstag mitteilt. Sie warte noch auf eine offizielle Rückmeldung. Das zunächst anvisierte Ziel, die beiden Täterinnen vor Gericht zu bringen, sei allerdings nicht erreichbar. „Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde“, schrieb sie. Die Petitionsgründerin wolle sich aber weiter dafür einsetzen, das Strafmündigkeitsalter in Deutschland herabzusenken.
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© Quelle: dpa
„Auch Kinder wissen, dass sie nicht töten dürfen“
Auch aus der Politik werden ähnliche Forderungen laut. Gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) sprach sich der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Günter Krings, für eine Debatte über die Senkung des Strafmündigkeitsalters aus. „Wir müssen die Debatte führen, ob das Alter der Strafmündigkeit für schwere Straftaten gesenkt werden muss. Denn bei den schwersten Straftaten – wie insbesondere Tötungsdelikten – handelt es sich um keine jugendlichen Verfehlungen. Auch Kinder wissen, dass sie nicht töten dürfen“, sagte Krings.
Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft NRW (DPolG) fordert eine Neugestaltung der Strafmündigkeit in Deutschland. „Die starren Gesetze bringen uns nicht mehr weiter. Jetzt muss etwas passieren“, appellierte der Landesvorsitzende Erich Rettinghaus gegenüber der „Siegener Zeitung“. Man müsse immer den Einzelfall betrachten. „Man kann das nicht mehr an einem Alter festmachen. Kinder und Jugendliche werden früher reif. Heute Zwölfjährige sind mit 16-Jährigen von vor zig Jahren gleichzusetzen“, betonte Rettinghaus.
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Es gibt aber auch Gegenstimmen. Der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Thomas Bliesener, hält eine Senkung der Strafmündigkeitsgrenze für nicht angebracht. Es gebe keinen Anstieg der schweren Gewaltkriminalität von Kindern und Jugendlichen, sagte er dem RND. „Außerdem sollte der Strafvollzug immer das letzte Mittel sein. Und für Kinder ist er nicht die geeignete Form. Eine professionelle Begleitung in Jugendhilfeeinrichtungen ist der bessere Weg.“
Diskussion ist nicht neu
Die Diskussion um eine Herabsenkung des Strafmündigkeitsalters in Deutschland ist nicht neu. Zuletzt entfachte der Mord an einem 15-jährigen Mädchen aus Salzgitter im Juni 2022 diese Debatte. Die Täter waren damals ein 14-Jähriger und ein 13-Jähriger. Während der Ältere der beiden im Februar dieses Jahres zu einer Jugendfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt wurde, wurde der jüngere Täter, der mittlerweile 14 Jahre alt ist, nicht strafrechtlich belangt.
Strafmündigkeit in Deutschland
Gemäß Paragraf 19 Strafgesetzbuch ist schuldunfähig, wer bei Begehung der Tat noch nicht 14 Jahre alt ist. Grundsätzlich sind Personen also erst ab dem vollendeten 14. Lebensjahr strafmündig. Diese Grenze gilt seit 1923. Darunter können Kinder nicht strafrechtlich belangt werden. Dennoch hat eine Straftat Konsequenzen. Meist wird hierbei das Jugendamt eingeschaltet, um die Hintergründe zu prüfen und beispielsweise festzustellen, ob die Familienverhältnisse intakt sind und ob die Eltern ihre erzieherischen Pflichten erfüllt haben.
Gibt es in der Familie keine Auffälligkeiten und kann keine Verfehlung des Jugendamts festgestellt werden, können aber beispielsweise Kurse oder ähnliche erzieherische Maßnahmen angeordnet werden. Es sind aber auch schwerwiegendere Maßnahmen möglich wie die Entziehung des Sorgerechts und die Unterbringung straffälliger Kinder in einem Heim oder bei einer Pflegefamilie.
Ab 14 Jahren fallen Jugendliche dann unter das Jugendstrafrecht, laut dem sie nur in Teilen strafmündig sind.
mit dpa-Material