„Missing White Woman Syndrome“: Warum viele Schwarze die Ermittlungen im Fall Gabby Petito kritisieren

Der Fall der getöteten Reisebloggerin Gabby Petito macht international Schlagzeilen.

Der Fall der getöteten Reisebloggerin Gabby Petito macht international Schlagzeilen.

Ein junges Paar bricht zu einer gemeinsamen Reise durch die USA auf. Dokumentiert werden die Stationen der Reise in den sozialen Medien. Einige Wochen später kehrt der 23-jährige Brian Laundrie zurück, allein. Von seiner 22-jährigen Freundin, Gabrielle – Gabby – Petito, fehlt jede Spur. Wenige Tage später wird ihre Leiche gefunden. Petito wurde getötet. Da verschwindet auch Laundrie und macht sich nicht nur zum Hauptverdächtigen in einem Mordfall, sondern die Ermittlungen nach ihm und der Aufklärung des Tötungsdelikts zu einem Fall von weltweitem Interesse.

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Vermisstenfälle von Women of Color erhalten weniger Aufmerksamkeit

Der Tod Gabby Petitos und die Suche nach ihrem Mörder fasziniert die Menschen. Kaum ein anderer Fall hat in den vergangenen Jahren ein so großes Interesse ausgelöst, auch über die US-amerikanischen Grenzen hinaus. Aus Social-Media-Nutzerinnen und -Nutzern werden Hobbydetektive, die digitalen Spuren folgen, um das Geheimnis um ihren Tod zu entschlüsseln. Kurzum: Gabby Petitos Verschwinden und ihr Tod haben ein wahres Social-Media-Phänomen in Gang gesetzt.

Ein weiterer Grund, warum der Fall Gabby Petito die Menschen so fasziniert, ist aber auch ihre äußerliche Erscheinung: Denn bei ihr handelte es sich um eine junge und attraktive Frau. Und um eine weiße Frau. „Hier findet in der Aufmerksamkeit eine Verzerrung statt. Denn es verschwinden Tausende Menschen. Doch Studien aus den USA zeigen, dass Vermisstenfälle von Women of Color weitaus weniger Aufmerksamkeit erhalten“, erklärt die Kommunikationswissenschaftlerin Christine Meltzer dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Laut Meltzer führe das dazu, dass diese Fälle weniger intensiv verfolgt werden würden – oder auch Polizeibeamtinnen und -beamte zunächst einmal den Verdacht äußern, dass diese Frauen abgehauen und nicht Opfer einer Straftat geworden seien. 2004 bezeichnete die Nachrichtensprecherin Gwen Ifill dieses Phänomen als „Missing White Woman Syndrome“, wortwörtlich Vermisste-weiße-Frau-Syndrom. Ifill sagte damals: „Wenn eine weiße Frau vermisst wird, werden wir darüber berichten, jeden Tag“.

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Was aber sagen die Zahlen? Mehr als 543.000 Menschen wurden laut FBI-Statistiken im Jahr 2020 in den USA als vermisst gemeldet. Knapp 90.000 Fälle waren Ende des Jahres noch ungeklärt. Nach Angaben der „Organisation Black and Missing Foundation“ waren 37 Prozent der Vermissten Minderheiten. 2016 belegte eine Studie der Northwestern University in Illinois, dass in US-Medien weniger, dafür aber häufiger in einer negativen Weise über das Verschwinden schwarzer Menschen berichtet wird. Der Kriminologe Zach Sommers, Verfasser der Studie, erklärte dieses Phänomen gegenüber CNN wie folgt: „Wir akzeptieren Geschichten über weiße Opfer bereitwillig als etwas, für das wir uns interessieren sollten.“ Und weiter: „Wird eine weiße Person vermisst, dann sagen wir: Das könnte meine Tochter, Nachbarin, Cousine oder Freundin sein.“

Fall Rebecca auch Teil des „Missing White Woman Syndrome“

Beispiele für das „Missing White Woman Syndrome“ gibt es auch hierzulande, wie etwa der Fall Rebecca zeigt. Bei dem Mädchen, das vor zwei Jahren verschwand, wurde im Rahmen der Suche ein stark retuschiertes und idealisiertes Foto der damals 16-Jährigen veröffentlicht. Sowohl in den klassischen als auch sozialen Medien wurde das Bild stark verbreitet. Und obwohl dieses Bild nicht wirklichkeitsnah war, verankerte sich die Darstellung des hübschen, blonden Mädchens in den Köpfen der breiten Masse – bis heute.

Eben jenes „Missing White Woman Syndrome“ ist der Grund, warum in den USA nun kritische Stimmen laut werden. Denn während die Welt mit Interesse auf die Suche nach dem Mörder Gabby Petitos blickt, fühlen sich Angehörige vermisster People of Color allein gelassen mit ihrem Schmerz – und bei ihrer Suche nach Antworten. So etwa die Familie der vermissten Asiatin Lauren Cho aus Kalifornien. Die Polizei widme dem Fall nicht ausreichend Aufmerksamkeit, heißt es Medienberichten zufolge. Nach dem medialen Interesse am Fall Gabby Petito fordern Laurels Angehörige nun eine ähnlich groß angelegte Suchaktion nach der 30-Jährigen, von der seit Juni jede Spur fehlt.

Ein ähnliches Schicksal beklagt die Schwarze Kimberly Bryan, deren Schwester seit mehr als einem halben Jahr in den USA vermisst wird. Der „Washington Post“ gegenüber drückt sie ihre Verzweiflung aus: „Das gibt einem das Gefühl: ‚Und was ist mit uns? Wann werden wir ihr Gesicht landesweit bekannt machen? Wann wird das FBI kommen und uns helfen‘?“

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