Aktueller Ermittlungsstand

Nach Amoklauf in Hamburg: Eine Person schwebt weiter in Lebensgefahr

Blumen und Kerzen vor dem Eingangsbereich eines Gemeindehauses der Zeugen Jehovas.

Blumen und Kerzen vor dem Eingangsbereich eines Gemeindehauses der Zeugen Jehovas.

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Hamburg. Nach dem Amoklauf in einem Gebäude der Zeugen Jehovas in Hamburg schwebt eine Person weiter in Lebensgefahr. Das sagte der Hamburger Innensenator Andy Grote (SPD) am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Acht der insgesamt neun Verletzten seien in stabilem Zustand. Sechs Personen befinden sich aktuell noch in Krankenhäusern.

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Bei der Tat hatte Philipp F. am Donnerstagabend sieben Menschen getötet, vier Männer, zwei Frauen und ein ungeborenes Mädchen. Anschließend tötete er sich selbst. Insgesamt neun Menschen seien bei der Tat körperlich verletzt worden, sieben von ihnen erlitten Schusswunden. Sieben der Verletzten wohnten in Hamburg, zwei in Schleswig-Holstein, ergänzte der stellvertretende Leiter des Hamburger Staatsschutzes, Uwe Stockmann.

In den bisherigen Ermittlungen sei weiter klar geworden, dass es sich bei Philipp F. um einen Einzeltäter handelte, der psychische Auffälligkeiten aufwies. Hinweise auf eine Verbindung in eine Netzwerkstruktur oder eine rechtsradikale Einstellung des Täters seien nicht entdeckt worden, sagte Uwe Stockmann vom Landeskriminalamt bei der Pressekonferenz. Auf Hinweise zur Planung der Tat seien die Ermittler bislang nicht gestoßen, ergänzte Generalstaatsanwalt Arnold Keller. Es werde weiter ein umfassendes Bild von Philipp F. erstellt, die Ermittlungen dazu würden andauern.

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Polizei soll Buch des mutmaßlichen Amokläufers übersehen haben

Die Waffenbehörde bei der Hamburger Polizei hat nach Informationen von „Zeit Online“ bei der Überprüfung des späteren Amokläufers bei den Zeugen Jehovas dessen verdächtiges Buch übersehen. Bei einer Aufarbeitung hätten die zuständigen Personen angegeben, das knapp 300-seitige Werk mit dem Titel „Die Wahrheit über Gott, Jesus Christus und Satan“ nicht gelesen zu haben, berichtete „Zeit Online“ am Dienstag. Das Buch sei Ende Dezember 2022 erschienen und enthalte zahlreiche antisemitische Aussagen.

Die Waffenbehörde erhielt im Januar einen anonymen Hinweis auf eine mögliche psychische Erkrankung von Philipp F. Anfang Februar wurde er von zwei Beamten der Waffenbehörde unangekündigt aufgesucht. Es gab keine relevanten Beanstandungen.

Polizeipräsident stellt sich bei Amoktat hinter Waffenbehörde

Hamburgs Polizeipräsident Ralf Martin Meyer sieht im Zusammenhang mit der Amoktat bei den Zeugen Jehovas weiterhin keine Verfehlungen seitens der Waffenbehörde. Die Behörde habe nach Erhalt eines anonymen Hinweises auf eine mögliche psychische Erkrankung und Gefährlichkeit des späteren Täters Philipp F. im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten gehandelt und dabei keine Auffälligkeiten festgestellt, sagte er am Dienstag in Hamburg.

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Obwohl Recherchen der Beamten zu einem Buch des Täters, in dem dieser wirre religiöse Thesen unter anderem zum Judenmord durch die Nationalsozialisten vertritt, zu keinem Ergebnis geführt hätten, könne er den Mitarbeitern „keine Vorwürfe machen“, sagte Meyer. In dem anonymen Hinweisschreiben war seinen Angaben zufolge auf das Buch hingewiesen worden. Die Beamten hätten bei einer Google-Recherche aber lediglich den Namen des Täters und den Suchbegriff „Buch“ eingegeben und dabei kein Ergebnis erhalten. Es sei richtig, „dass wir nach einer solchen Tat kritisch hinterfragen, hat die Waffenbehörde hier alles richtig gemacht“, sagte Innensenator Grote. „Nach allem, was ich bisher gehört habe, habe ich keinen Anlass an der Bewertung zu zweifeln, dass hier ordentlich gearbeitet wurde.“

Grote plädiert für Verschärfung des Waffenrechts

Grote dankte den Einsatzkräften, die die „entsetzliche Amoktat“ unterbrochen hatten. Sie seien nach fünf Minuten vor Ort gewesen, nach sieben Minuten im Gebäude. „Sie haben rund 20 Menschen das Leben gerettet. Das gelingt sehr selten, das gelingt fast nie“, sagte der Innensenator. Sie verdienten „enorme Anerkennung“.

Grote sprach sich zudem für eine Verschärfung des Waffenrechts in Bezug auf die persönliche Eignung aus. Bislang benötigen nur Personen unter 25 Jahren bei der Beantragung einer Waffenerlaubnis ein psychologisches Zeugnis. „Es wird Zeit, dass diese Altersgrenze fällt“, forderte er. Es sei wichtig, schnell eine Einigung auf Bundesebene zu schaffen.

Ermittler schließen Konflikte innerhalb der Glaubensgemeinschaft nicht aus

Der 35 Jahre alte Philipp F. war ein ehemaliges Mitglied der Hamburger Gemeinde der Zeugen Jehovas, die er vor eineinhalb Jahren freiwillig, aber offenbar nicht im Guten verlassen hatte. Mögliche Konflikte innerhalb der Glaubensgemeinschaft werden bei den Ermittlungen nicht ausgeschlossen. Es gab Hinweise auf einen Streit, möglicherweise aus dem Bereich der Zeugen Jehovas, hieß es laut Polizei.

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Der Amoktäter hatte mehr als 100-mal geschossen. Die getöteten Männer und Frauen waren zwischen 33 und 60 Jahre alt. Alle Todesopfer waren deutscher Staatsangehörigkeit.

Die tödlichen Schüsse waren am Donnerstagabend gegen 21 Uhr während einer Veranstaltung im Gebäude der Gemeinde im Hamburger Norden gefallen. Die Polizei war schnell vor Ort. Als Extremist war der 35-jährige Schütze nach Angaben aus Sicherheitskreisen nicht bekannt. Seit dem 12. Dezember war er im legalen Besitz einer halb automatischen Pistole. Dabei handelte es sich um die Tatwaffe. Der Amoktäter stammt aus Memmingen in Bayern. Seit 2015 war er in Hamburg gemeldet. Nach den Schüssen fand die Polizei laut Staatsanwaltschaft in der Wohnung des mutmaßlichen Täters auch eine größere Menge Munition.

RND/nis mit dpa und epd



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