Nach Tötung von Tyre Nichols: Frust über Polizeigewalt in den USA
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Tyre Nichols verlor sein Leben, nachdem Polizisten ihn in seinem Auto in Memphis angehalten, geschlagen und getreten hatten.
© Quelle: IMAGO/TheNews2
Detroit. Bei Greg Bowens aus Detroit liegt „The Talk“ ein halbes Jahrhundert zurück: das Gespräch, in dem er gesagt bekam, was junge Schwarze tun sollten, wenn sie von der Polizei angehalten werden. Und vor allem, was sie nicht tun sollten. In vielen schwarzen Familien in den USA ist diese Unterweisung seit Generationen fester Teil der Erziehung. Doch erst jetzt wurde wieder einer der ihren Opfer von Polizeigewalt, obwohl er sich offenbar an die Ratschläge aus „The Talk“ gehalten hat.
Tyre Nichols verlor sein Leben, nachdem Polizisten ihn in seinem Auto in Memphis angehalten, geschlagen und getreten hatten. „Er hatte sein Fenster heruntergelassen. Er wurde angehalten. Er war ruhig“, beschreibt Bowens, was er auf den Videos zu dem Vorfall vom 7. Januar gesehen hat. „Es sah nicht so aus, als ob sie versuchten, ihn festzunehmen“, sagt Bowens. „Es schien, als wollten sie ihn verletzen. Es war furchtbar. Ich war in Tränen aufgelöst.“
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Nichols, ein 29 Jahre alter Familienvater, war unterwegs gewesen und hatte Bilder vom Sonnenuntergang geschossen. Er war schon auf dem Heimweg, als die Polizei ihn anhielt, und nur wenige Minuten von dem Haus entfernt, das er mit seiner Mutter und seinem Stiefvater teilte. Auf Videos, die die Sicherheitskräfte am Freitagabend freigaben, ist zu sehen, wie der junge Mann grob aus dem Auto gezogen wird. Nichols ist mit den Worten zu hören: „Ich habe nichts getan.“ Dennoch ringen die Polizisten ihn zu Boden.
„The Talk“ richtet sich vor allem auf Kontrollen weißer Sicherheitskräfte
Selbst als einer der Polizisten schreit „Setzt den Taser ein!“, sagt Nichols auf den Aufnahmen noch ruhig: „OK, ich liege auf dem Boden“ und „Ich versuche nur, nach Hause zu fahren“. Auf einem späteren Video ist noch zu hören, wie er schreit: „Stopp, ich mache nichts!“. Drei Tage später erlag Nichols seinen Verletzungen im Krankenhaus.„Er war ruhiger als die Polizisten“, sagt der Anwalt und ehemalige Polizeibeamte David Robinson aus Detroit. Er vermutet eine Vorgeschichte zu dem, was auf den Videos zu sehen ist. „Was? Ich weiß es nicht.“
Misshandlungen bei Festnahme: Videos zeigen Polizeigewalt gegen Tyre Nichols
Auf den schwer zu ertragenden Aufnahmen sind Polizisten zu sehen, die auf einen Mann einprügeln und ihn treten. Fünf Tatverdächtige wurden bereits angeklagt.
© Quelle: Reuters
„The Talk“ und die Warnungen in den Familien richten sich vor allem auf Kontrollen weißer Sicherheitskräfte. Im Fall Nichols waren es schwarze Polizisten. Die beteiligten Einsatzkräfte sind mittlerweile aus dem Dienst entlassen und angeklagt. Ihre Einheit wurde aufgelöst.„Ich weiß nicht, was Sie einem jungen Schwarzen sagen würden“, sagt der Medienberater Lee Ivory, nachdem er sich die Videos angeschaut hat. „Soll man sich bei der ersten Begegnung einfach auf den Boden legen und sich krankenhausreif schlagen lassen? Oder versucht man zu fliehen und hofft, dass man auf der Straße auf einen besonneneren Beamten trifft? Ich weiß es nicht.“ Selbst die Polizeichefin habe eingeräumt, dass gar nicht klar sei, welche Art von Verkehrsverstoß Nichols vorgeworfen worden sei.
Nichols habe versucht, die gleichen Techniken anzuwenden, die er selbst seinem heute 29-jährigen Sohn beigebracht habe, sagt Ivory. Greg Bowens brachte das Thema bei seinen beiden Söhnen und seiner Tochter schon ins Gespräch, als diese noch in der Grundschule waren, sagt der 58-Jährige.
„Als schwarzer Junge wird man von niedlich zur Bedrohung, sobald man größer wird“, erklärt Bowens. „Du wächst in die Männlichkeit hinein. Du bist groß und hast braune Haut, und die Leute haben ihre Vorurteile“, sagt er. Die erste Regel laute daher: „Bleib cool im Umgang mit Erwachsenen in Geschäften, in der Schule und bei der Polizei“, sagt Bowens. „Es ist nicht fair. Es ist nicht richtig, aber so ist es nun einmal.“
RND/AP