Trotz Verbot: Trecker-Konvoi auf dem Weg nach Den Haag – Behörden setzen Armeefahrzeuge ein
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Demonstranten nehmen mit niederländischen Fahnen, die auf dem Kopf stehen, an einem Protest der Bauernverbände gegen die Regierung in Den Haag teil
© Quelle: Peter Dejong/AP
Den Haag. Mehrere Tausend Menschen haben sich am Samstag in Den Haag in den Niederlanden zu einer Bauerndemonstration gegen Umweltauflagen versammelt. Gleich zu Beginn durchbrach nach Angaben der Polizei ein Schaufelbagger eine Absperrung, so dass trotz Verbots mehrere Lastwagen mit Demonstranten auf das Gelände der Kundgebung fahren konnten. Der Fahrer des Baggers wurde festgenommen.
Trotz eines Verbots durch die Behörden hatten sich zuvor schon Dutzende Trecker auf den Weg nach Den Haag gemacht. Bei Alphen aan den Rijn im Nordwesten der Stadt wurden am Samstagvormittag zahlreiche Fahrzeuge gestoppt und von der Straße geholt, wie die Polizei mitteilte. Aus Protest gegen geplante Umweltauflagen haben verschiedene Organisationen, darunter auch rechte Parteien, zu einer Demonstration mit Zehntausenden Teilnehmern aufgerufen.
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Mit Flaggen, Ballons und Spruchbändern waren viele Bauern am Samstag in einen Park in der Hauptstadt gezogen. „Keine Bauern, kein Essen“ oder „Stolz auf die Bauern“ stand auf den Spruchbändern. Die radikale Bauernorganisation „Farmers Defence Force“ hatte zur „größten Demo aller Zeiten“ aufgerufen, rechte Organisationen und populistische Politiker hatten ebenfalls ihre Anhänger mobilisiert.
Nur wenige Kilometer Luftlinie von der Bauern-Demonstration entfernt demonstrierten dagegen rund 3000 Klimaschützer der Aktionsgruppe „Extinction Rebellion“ für deutlich strengere Maßnahmen beim Klima- und Umweltschutz. Für kurze Zeit besetzten sie einen Autobahnzubringer, sie ketteten sich an und klebten sich am Asphalt fest. Die Polizei räumte die Straße.
Aus Sorge vor Ausschreitungen erließen die Behörden ein Verbot für die Teilnahme mit Treckern. Dennoch machten sich nach Angaben der Polizei in mehreren Regionen Bauern damit auf den Weg. Die Behörden erließen deshalb eine Notverordnung. Zugangsstraßen und wichtige Kreuzungen wurden mit Armeefahrzeugen blockiert. Im vergangenen Jahr hatten in den Niederlanden Bauern wochenlang protestiert. Dabei kam es auch zu Gewalt. Autobahnen wurden blockiert, Brände gelegt und auch Politiker bedroht.
Bauern protestieren gegen Naturschutz-Auflagen
Anlass für die Bauern-Proteste sind die angekündigten Auflagen zum Schutz der Naturgebiete. Die Mitte-Rechts-Koalition von Premier Mark Rutte will den Stickstoff-Eintrag bis 2030 drastisch reduzieren. Auslöser für diese Entscheidung war ein Urteil des höchsten Gerichts im Jahr 2019. Die Maßnahmen könnten das Ende für etwa 30 Prozent der Viehbetriebe bedeuten, schätzt die Regierung.
Die Eigentümer von rund 3000 Höfen, die in der Nähe von bedrohten Naturgebieten am meisten Stickstoff ausstoßen, sollen zum Verkauf bewegt werden oder zumindest zur drastischen Reduzierung des Viehbestandes. Aber auch Enteignungen werden nicht ausgeschlossen. „Wir haben keine Wahl“, sagte die zuständige Ministerin für Natur und Stickstoff, Christianne van der Wal. „Die Natur kann nicht warten.“
Seit Jahren wird bei den europäisch geschützten Natura 2000-Gebieten in den Niederlanden viel zu viel reaktiver Stickstoff in die Luft ausgestoßen. Hauptverursacher ist die intensive Viehzucht, in der viel Ammoniak entsteht. Dies hat dramatische Folgen für die Biodiversität. Der Boden wird sauer, Pflanzen und Bäume sterben ab, sie werden von Brombeeren oder Brennnesseln überwuchert. Insekten, Vögel und andere Tiere verschwinden.
Der Agrar-Sektor ist riesig und einer der größten Exporteure der Welt. Im vergangenen Jahr exportierten die rund 52 000 landwirtschaftlichen Betriebe für 122 Milliarden Euro Waren ins Ausland, fast ein Viertel davon ging nach Deutschland.
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Umweltbelastungen wurden lange geduldet
Jahrelang wurden die Umweltbelastungen geduldet oder mit Ausnahmeregeln legalisiert, obwohl Grenzwerte überschritten wurden. Immer wieder wurden Schlupflöcher gefunden, um nur nicht die landwirtschaftliche Produktion einzuschränken. Dass dies ein Fehler war, räumt inzwischen auch die Regierung ein.
Das Urteil von 2019 hatte große Folgen: Projekte nahe von Naturgebieten, bei denen Stickstoff freikommt, dürfen nicht genehmigt werden. Das heißt, der Bau von Wohnungen und Straßen stockt, die Industrie kann nicht expandieren, und sogar die Energiewende kommt in Gefahr. „Der große Umbau der Landwirtschaft ist unvermeidlich“, sagte Ministerin van der Wal.
Die Bauern aber fordern eine Zukunftsperspektive, und sie fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Außerdem zweifeln sie die Notwendigkeit der Maßnahmen an.
RND/dpa/AP