Welche Szenarien ein Luftfahrtexperte für denkbar hält
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Chinesische Ermittlerinnen und Ermittler arbeiten an der Absturzstelle.
© Quelle: IMAGO/Xinhua
Wuzhou/Hamburg. Wie konnte das passieren? Das ist die Frage, die sich alle nach einem Flugzeugabsturz stellen. Der aktuelle Absturz einer Boeing 737-800 im Süden Chinas stellt die Ermittlerinnen und Ermittler vor ein großes Rätsel. Wie auf Videos zu sehen ist, stürzte die Maschine der Fluggesellschaft China Eastern senkrecht zu Boden.
Das Wetter oder etwa eine Explosion an Bord seien als Absturzursache so gut wie auszuschließen, sagt Luftfahrtexperte Andreas Spaeth, der als Journalist mit den Schwerpunkten Luftfahrt und Reise arbeitet, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) am Mittwoch. „Es kann sich um menschliche Einwirkung, von Entführung bis Suizid, oder um mechanische beziehungsweise strukturelle Probleme mit dem Flugzeug gehandelt haben.“
Ein Triebwerksausfall sei laut Spaeth auch unwahrscheinlich. „Auch ohne Antrieb kann ein Flugzeug aus Reiseflughöhe Hunderte Kilometer gleiten“, erklärt er.
Luftfahrtexperte: „Sturzflug derzeit nicht erklärbar“
Berichten zufolge soll die 737-800 in knapp drei Minuten aus einer Höhe von 8800 Metern zu Boden gestürzt sein. „Der Reiseflug ist üblicherweise die sicherste Phase des Fluges. Dass der Flug nach knapp einer Stunde im normalen Reiseflug urplötzlich in den Sturzflug übergegangen ist, ist derzeit nicht erklärbar.“
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Der Luftfahrtjournalist Andreas Spaeth.
© Quelle: picture alliance / dpa
Genauso seltsam sei, dass das Flugzeug auf rund 3000 Metern noch einmal abgefangen wurde und für zehn Sekunden stieg, ehe es endgültig abstürzte. „Ein solcher Sturzflug geschieht entweder bei einem Kontrollverlust der Piloten, der hier aber nicht vorgelegen haben kann, weil vorher normaler Geradeausflug herrschte, oder bei einem plötzlichen katastrophalen Schaden – oder eben, weil er mit Absicht eingeleitet wurde“, führt Spaeth aus. Bei Abstürzen nach einem ähnlichen Muster habe sich oftmals Suizid des Piloten als Ursache herausgestellt.
Laut der chinesischen Zivilluftfahrtbehörde sei mehrfach versucht worden, Kontakt zur Maschine aufzunehmen, doch habe die Crew nicht geantwortet. Rund drei Minuten nach Beginn des Sturzfluges sei das Signal der MU5735 dann verschwunden.
Hoffnung ruht in den Blackboxes
Aufschluss geben könnten die Blackboxes, von denen eine am Mittwoch von den Ermittlerinnen und Ermittlern vor Ort geborgen wurde. Der Flugdatenschreiber zeichnet viele relevante Parameter und Eingaben der Piloten auf. Der Stimmenrekorder nimmt die Gespräche im Cockpit auf. Welche der beiden Blackboxes gefunden wurde, war am Mittag noch nicht bekannt, da das Gerät schwer beschädigt war. Für die Ermittlerinnen und Ermittler sei es laut Spaeth ein „schwieriges Puzzlespiel“, bei dem die wenigen erhaltenen Wrackteile nicht viel Aufschluss geben könnten. Die Hoffnung liege auf den Blackboxes.
Kein Zusammenhang mit den 737-Max-Abstürzen
Der US-Flugzeughersteller Boeing geriet wegen Abstürzen in der jüngeren Vergangenheit in die Kritik. Im Zusammenhang mit den verheerenden Abstürzen der Boeing 737 Max im Oktober 2018 in Indonesien (189 Tote) und im März 2019 in Äthiopien (157 Tote) steht der aktuelle Absturz allerdings nicht, wie der Luftfahrtexperte verdeutlicht: „Die 737 Max ist ein technisch viel komplexeres Flugzeug mit gänzlich anderen Systemen. Die betroffene 737-800 ist ein konventionellerer, älterer aber sehr zuverlässiger Flugzeugtyp.“
In der Luftfahrtbranche gelte die 737-800 als sicheres und bewährtes Arbeitspferd. Mit über 5000 Stück ist das Boeing-Modell das meistverkaufte Verkehrsflugzeug der Welt.
Mit dpa und AP