Für alle Szenarien abgesichert

Studie weckt Zweifel: Braucht Deutschland wirklich so viele LNG-Terminals?

Spezialschiff „Höegh Esperanza“ während der Eröffnung des LNG-Terminals in Wilhelmshaven.

Spezialschiff „Höegh Esperanza“ während der Eröffnung des LNG-Terminals in Wilhelmshaven.

Bundeskanzler Olaf Scholz hatte es in seiner „Zeitenwende“-Rede vor gut einem Jahr angekündigt: Mit dem Bau von LNG-Terminals soll die Energieversorgung in Deutschland – fehlenden russischen Gaslieferungen zum Trotz – gesichert sein. Drei Flüssigerdgas-Terminals wurden seither gebaut. Das erste hatte Scholz, gemeinsam mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) in Wilhelmshaven persönlich eröffnet.

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„Das ist jetzt das neue Deutschland-Tempo, mit dem wir Infrastruktur voranbringen, und es soll Vorbild sein, nicht nur für diese Anlage, sondern noch für viele, viele andere“, hatte der Bundeskanzler bei der Eröffnung im Dezember gesagt. Seitdem sind zwei weitere Anlagen in Brunsbüttel und Lubmin hinzugekommen, weitere acht in der Planung. Drei schwimmende Terminals sollen später durch feste Anlagen an Land ersetzt werden. Das ruft nicht nur bei Klimaschützern, sondern auch Anwohnern im Norden Deutschlands Sorgen hervor.

Studie: Deutschland auch mit weniger LNG-Terminals abgesichert

Doch braucht Deutschland tatsächlich so viele LNG-Terminals? Nein, sagt jetzt eine Studie des Energiewirtschaftlichen Instituts der Universität Köln (EWI), die das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) in Auftrag gegeben hatte.

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In dem Dokument, das dem Journalismus-Start-up Table Media vorliegt, kommen die Experten zu dem Ergebnis, dass die deutsche Gasversorgung mit sieben schwimmenden und einem festen LNG-Terminal für alle denkbaren Szenarien abgesichert wäre. In der Studie ermittelten die Forschenden nicht, wie viele Flüssigerdgas-Terminals die Bundesrepublik braucht, sondern rechneten konstant mit sieben schwimmenden und einem festen Terminal. Anschließend ermittelten sie, ob die Gasversorgung damit bis 2030 gesichert werden könne.

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EU-Kommission fürchtet Überkapazität

Die EU-Kommission hatte die Bundesregierung laut Recherchen des ARD-Magazins Fakt schon früh darüber informiert, dass zwei LNG-Terminals ausreichend seien und man Überkapazitäten fürchte. Gehandelt hat die Bundesregierung allerdings anders.

Aus den Berechnungen der Studie ergibt sich zumindest indirekt, dass mit den geplanten Terminals tatsächlich eine erhebliche Überkapazität entstehen würde. Die Forscher setzten bei ihren Berechnungen voraus, dass der Gasverbrauch in Deutschland bis zum Jahr 2030 nicht sinkt, sondern sogar leicht höher liegt als zuletzt. Vor dem Hintergrund der Klimaschutzziele müsste der Verbrauch allerdings stark nach unten gehen.

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Forscher gehen von extremen Szenarien aus

Auch darüber hinaus gehen die Macher der Studie von extremen Szenarien aus. So kalkulieren sie etwa damit, dass verbliebenden russischen Gaslieferungen nach Südosteuropa eingestellt werden und zur Hälfte durch Gas aus Deutschland ersetzt werden müssen. Auch ein ungewöhnlich kalter Winter wird als Option betrachtet. Doch selbst unter diesen Annahmen gibt es bis zum Jahr 2030 keinen Gasmangel, die Terminals sind – den Berechnungen zufolge – zu keinem Zeitpunkt ausgelastet.

Besonders in den Sommermonaten, wenn der Gasverbrauch geringer ist, würden die Speicherstände in allen Terminals der Studie zufolge auf 100 Prozent steigen. Zwei weitere feste Terminals, die die Bundesregierung plant, wären damit überflüssig.

Bereits die Kosten für die Anschaffung und den Unterhalt der schwimmenden Flüssigerdgas-Terminals sind immens. Allein im Jahr 2022 belief sich der Gesamtbedarf an Haushaltsmitteln auf rund 6,56 Milliarden Euro.

Umweltschützer sehen Gefahren

Weil beim Verbrennen von Erdgas viel CO₂ frei wird, sehen Klimaschützerinnen und ‑schützer in dem Betrieb von LNG-Terminals große Gefahren. Die hauptsächlich aus Methan bestehenden Gemische werden für den Transport lediglich zusammengepresst und ultratiefgekühlt. Hinzu kommt, dass insbesondere die USA große Mengen mit dem umstrittenen Fracking-Verfahren fördern. Das Gas wird dabei unter Hochdruck aus Gesteinsporen gepresst, im Fall älterer Technik kommt ein Chemikaliencocktail zum Einsatz.

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Umweltschützerinnen und ‑schützer sorgen sich zudem um die Lebensräume von Meerestieren und -pflanzen. Viele glauben, dass die Gründlichkeit ökologischer Prüfungen unter dem beschleunigten Durchpeitschen der Projekte leiden könnte.

Scholz will Terminals mit grünem Wasserstoff betreiben

Scholz hatte in seiner „Zeitenwende“-Rede angekündigt, dass die Anlagen in Zukunft auch klimafreundlicher betrieben werden könnten: „Ein LNG-Terminal, in dem wir heute Gas ankommen lassen, kann morgen auch grünen Wasserstoff aufnehmen“, sagte der Kanzler im Februar 2022. Eine Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung hatte allerdings ergeben, dass diese Umrüstung „mit großen Unsicherheiten“ verbunden ist. Es sei unklar, so die Forscher, „ob die Terminals mit ihren hohen Investitionskosten in Zukunft weiter nutzbar sind“.

Wir sind gut durch den Winter gekommen – auch ohne russische Gaslieferungen.

Olaf Scholz,

Bundeskanzler

Experten der Deutschen Umwelthilfe (DUH) hatte daraufhin bemängelt, dass „die Öffentlichkeit in die Irre“ geführt worden sei. Der Kanzler hingegen zog bei seiner Regierungserklärung zum Thema ein Jahr Zeitenwende ein positives Fazit, zeigte sich zufrieden mit der Energiepolitik und schnell gebauten LNG-Terminals: „Wir sind gut durch den Winter gekommen – auch ohne russische Gaslieferungen.“

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mit dpa

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