Terror im Urlaubsparadies: 20 Jahre nach den Bombenanschlägen auf Bali
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202 Menschen kamen bei den Anschlägen auf Bali ums Leben.
© Quelle: picture-alliance / dpa
Sydney. 20 Jahre nach dem Terror in Indonesien, der 202 Menschen das Leben kostete und weitere 200 Menschen teilweise schwer verletzte, ist das Erlebte für manche Opfer noch immer präsent. Die Australierin Hanabeth Luke berichtete mehreren Medien, wie sie vor 20 Jahren durch brennende Trümmer und dicken, beißenden schwarzen Rauch gekrochen ist, nachdem in einem Nachtclub auf Bali eine Bombe explodiert war. Ihre Erinnerungen scheinen so klar, als wäre all das erst gestern geschehen.
Die Australierin verlor auf ihrer Reise in das tropische Paradies ihren Freund Marc Gajardo. Gajardo war mit Luke im Sari Club im Partyort Kuta gewesen, als dort eine der Bomben explodierte. Auf ihrer Flucht aus dem brennenden Club konnte Luke ihren Partner nicht mehr finden. Stattdessen hielt sie an, um dem 17-jährigen Tom Singer zu helfen. Das Bild, wie sie den blutigen Jungen stützte, ging in den Tagen nach dem Terroranschlag um die Welt. Singer starb einen Monat nach der Terrorattacke an seinen schweren Verletzungen. Er war einer von insgesamt 88 Australierinnen und Australiern, die bei den Anschlägen ums Leben kamen.
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Die Tafel mit den Namen der 202 Todesopfer der Anschläge von Bali am 12. Oktober 2002. Die meisten Opfer starben rund um den Sari Club. Das Memorial steht in unmittelbarer Nähe des Anschlagsortes.
© Quelle: picture alliance/dpa
Das Werk militanter Islamisten
Der Angriff war das Werk militanter Islamisten gewesen. Die Gruppe Jemaah Islamiyah hatte zwei Jahre zuvor am Heiligabend bereits mehrere Bombenanschläge auf Kirchen in ganz Indonesien koordiniert. Zudem tauchten Beweise dafür auf, dass Al-Kaida den Angriff durch einen Indonesier, Riduan Isamuddin, bekannt als Hambali, finanziert hatte.
Für viele zerstörte der Terror das Bild der friedlichen Partyinsel Bali, das bis dahin eines der Lieblingsziele australischer Urlauberinnen und Urlauber gewesen war. Bei keinem Terroranschlag hatte Australien je mehr Opfer verzeichnet als an diesem verhängnisvollen Tag im Oktober vor 20 Jahren. Bei einem Gedenkgottesdienst im Parlamentsgebäude in Canberra am Mittwoch prangerte Australiens Premierminister Anthony Albanese die Bombenanschläge dann auch als „einen Akt der Bosheit und der kalkulierten Verderbtheit“ an. Gleichzeitig schwor er, die Erinnerungen an die Opfer niemals verblassen zu lassen.
Einem gemeinsamen Feind gegenüber
Australien und Indonesien haben es in den vergangenen 20 Jahren geschafft, ihre Beziehung nicht von den Anschlägen dominieren zu lassen. Anstatt die Länder zu spalten, lösten die Bombenanschläge, bei denen auch 38 Indonesier und Indonesierinnen ums Leben kamen, vielmehr „eine beispiellose Zusammenarbeit in den Bereichen Politik, Sicherheit und Entwicklungshilfe“, wie es in einer Analyse im akademischen Magazin „The Conversation“ hieß. Die Regierungen beider Länder hätten das Gefühl gehabt, „einem gemeinsamen Feind gegenüberzustehen“.
Die Unterstützung Australiens und der USA trug dazu bei, dass die indonesische Polizei eine Anti-Terror-Einheit namens „Special Detachment 88″ (Densus 88) einrichtete. Mit Letzterer arbeitete vor allem die australische Bundespolizei (AFP) eng zusammen. Ebenso flossen australische Hilfsgelder in eine Reihe von Programmen zur Bekämpfung des gewalttätigen Extremismus in Indonesien. Dazu gehörte eine große Investition in eine Reform des islamischen Bildungssektors in Indonesien, der lange vonseiten der Regierung vernachlässigt worden war.
Jahrestage können starke Emotionen auslösen
Auch in der Forschung versuchte man, aus den schrecklichen Ereignissen zu lernen. Eine medizinische Innovation, die damals ins Rampenlicht katapultiert wurde – die sogenannte aufsprühbare Haut – ist bis heute im Einsatz. Die australische plastische Chirurgin Fiona Wood hatte sie entwickelt und damit zahllose Leben gerettet. Viel hat die Wissenschaft im Nachgang auch über Trauerbewältigung gelernt. Garry Stevens, Direktor der Humanitarian and Development Studies an der Western Sydney University, hat in den Jahren nach den Anschlägen Interviews mit Überlebenden geführt und dabei herausgefunden, dass diejenigen, die körperlich verletzt waren oder anhaltend trauerten, am meisten litten.
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Tänzer führen einen Tanz für Harmonie, Toleranz und Frieden bei der Gedenkveranstaltung zum 20. Jahrestag der Anschläge von Bali auf. Viele Menschen haben Blumen niedergelegt und erinnern in kleinen Briefen an ihre Angehörigen, die bei dem Attentat ums Leben gekommen sind.
© Quelle: picture alliance/dpa
Traumatische Trauer könne Jahrzehnte andauern und die meisten Menschen würden keine wirksame Behandlung erhalten, schrieb der Experte in einem Aufsatz über seine Forschung. Für diese Menschen seien Jahrestage und Gedenkfeiern oft Auslöser für starke Emotionen. Stevens zitierte ein Familienmitglied, das erklärte, dass er an solchen Tagen Menschen bräuchte, die „für dich da sind“, solche, die „dir nicht sagen, was du tun oder wie du dich fühlen sollst“.
Für viele Trauernden würden Gedenkstätten und Rituale eine große Rolle spielen, meinte der Forscher. Ein Vater beispielsweise schaffte mit einem Wandgemälde am bekannten Bondi Beach in Sydney eine Hommage an das Leben seiner Tochter Chloe Byron, die im Alter von 15 Jahren bei den Anschlägen auf Bali gestorben war. In einem Podcast-Interview erklärte Dave Byron einst: „Jeden Tag habe ich die Wahl zwischen einer glücklichen Erinnerung an Chloe oder der Erinnerung an ihren tragischen Tod (…) es ist die Wahl zwischen einem großartigen und einem schrecklichen Tag.“