Elf Tote nach neuem Erdbeben im Südosten der Türkei
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Zerstörungen in Samandag in der Türkei: Erneut hat ein Erdbeben die Region erschüttert. (Archivfoto)
© Quelle: Francisco Seco/AP/dpa
In Folge des neuen Erdbebens in der südosttürkischen Provinz Hatay sind in Syrien Aktivisten zufolge mindestens fünf Menschen getötet worden. In der Südosttürkei ist die Zahl der Todesopfer nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu auf sechs gestiegen. Fast 300 Menschen wurden demnach verletzt.
In den Orten Aleppo, Tartus und Hama seien Anwohner in Panik geraten und etwa von ihren Häusern gesprungen, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Dienstagmorgen mit. Die Aktivisten hatten bereits kurz nach den erneuten Erdstößen 470 Verletzte gemeldet, davon 320 in den von der Regierung kontrollierten Regionen und 150 in den Rebellen-Gebieten. Auch der Chef der Rettungsorganisation Weißhelme, Raed al-Saleh, meldete 150 Verletzte für die syrischen Regionen, die von Rebellen gehalten werden.
Durch das Beben stürzten weiterer Gebäude in dem Gebiet ein, erneut wurden Menschen verschüttet, Such- und Rettungseinsätze liefen. Verletzte und Schäden wurden zudem aus dem benachbarten Syrien gemeldet.
Die US-Erdbebenwarte USGS bezifferte die Stärke des Bebens in der Provinz Hatay auf 6,3. Laut der Erdbebenwarte Kandilli in Istanbul lag das Epizentrum im Bezirk Samandag nahe der Stadt Defne. Die türkische Katastrophenschutzbehörde Afad sprach sogar von zwei Beben in Hatay der Stärke 6,4 und 5,8. Bei der zuvor erteilten Tsunamiwarnung habe es sich um eine Standardprozedur gehandelt, die Warnung werde nun aufgehoben. Nach einem Bericht der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu war es auch auf Zypern, in Jordanien, Israel und Ägypten zu spüren.
Aus Hatay meldeten Journalisten von HaberTürk, dass das neue Beben sie regelrecht durchgeschüttelt habe. Sie hätten einander umklammert, um nicht zu Boden zu fallen. In der Stadt Adana schilderte Augenzeuge Alejandro Malaver, Menschen seien in Panik aus ihren Häusern auf die Straßen gelaufen und hätten Decken in ihre Autos getragen. Jeder habe ungeheure Angst. „Niemand will zurück in seine Häuser.“ Nach Angaben des Senders CNN Türk fiel in Hatay der Strom aus. Der Fernsehsender NTV meldete, einige Gebäude seien eingestürzt oder beschädigt.
In einem Dorf nahe der Stadt Samandag sagte Mehmet Salhaoglullari, er habe in einem Lokal gegessen, als plötzlich das Gebäude zu wackeln begonnen habe. „Wir alle sind nach draußen gestürzt und haben im Freien weitergezittert.“
Der türkische Vizepräsident Fuat Oktay rief Menschen in der betroffenen Region am Abend auf, sich von beschädigten Gebäuden fernzuhalten und Anweisungen von Einsatzkräften zu beachten.
Der Bürgermeister von Hatay warnte, die Erdbebenserie sei noch nicht vorbei. Via Twitter rief er ebenfalls dazu auf, sich von einsturzgefährdeten Gebäuden fernzuhalten. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, das staatliche Krankenhaus in der Küstenstadt Iskenderun werde evakuiert.
In Hatay versuchten Einsatzkräfte zu sechs Menschen vorzudringen, die unter den Trümmern dreier eingestürzter Gebäude vermutet wurden. Es sei der Polizei gelungen, einen Verschütteten aus einem dreistöckigen Haus zu retten, meldete der Sender HaberTürk. Man versuche noch, drei weitere Eingeschlossene zu erreichen. Bei den Betroffenen handele es sich um Helfer, die Möbel und andere Gegenstände aus einem Gebäude gebracht hätten, das bei den verheerenden Beben von vor zwei Wochen beschädigt worden sei.
Erneut Häuser in Syrien eingestürzt
Auch in mehreren syrischen Orten nahe der Stadt Aleppo seien erneut Häuser eingestürzt, sagte eine Sprecherin der Hilfsorganisation SAMS. Darunter sei die Kleinstadt Dschindiris, die schon vor zwei Wochen stark von den Beben getroffen wurde.
Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana berichtete, sechs Menschen seien in Aleppo durch herabgefallene Trümmer verletzt worden. Die Weißhelme, eine im Nordwesten Syriens aktive Zivilschutzgruppe, meldete hingegen mehr als 130 Verletzte. Mehrere Gebäude, die bereits durch die vorangegangenen Beben beschädigt worden seien, seien in sich zusammengefallen. Die Syrische Beobachtungsgruppe für Menschenrechte sprach am Montagabend von 470 Verletzten, vorwiegend im Raum Aleppo.
Die syrisch-amerikanische Medizingesellschaft, die Krankenhäuser im Norden Syriens betreibt, sprach von einer Reihe von Patienten, die in Behandlung seien. Darunter sei ein siebenjähriger Junge, der nach dem neuen Beben vor lauter Angst Herzanfälle erlitten habe. In der Stadt Idlib in der gleichnamigen Provinz im Nordwesten Syriens richteten sich panische Anwohner darauf ein, die Nacht in Parks und an anderen öffentlichen Orten zu verbringen. Vor Tankstellen bildeten sich lange Schlangen von Menschen, die von einsturzgefährdeten Gebäuden so weit wegfahren wollten wie möglich.
Ein Anwohner aus der Nähe der syrischen Stadt Aleppo sagte, das Beben sei so stark gewesen wie das vor zwei Wochen, habe aber nicht so lang gedauert. „Es hat die Menschen verängstigt und auf die Straße rennen lassen“, sagte der Anwohner namens Abdel Kafi. „Viele Menschen haben ihre Häuser verlassen und ziehen durch die Straßen in Angst, dass weitere (Erdbeben) folgen werden“, darunter auch in der syrischen Hauptstadt Damaskus, schrieb die Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) für die Region, Rula Amin, bei Twitter.
Steinmeier gedenkt der Erdbebenopfer: „Wir sind vereint in Trauer und Schmerz“
Der Bundespräsident sprach am Brandenburger Tor auf Einladung der Türkischen Gemeinde in Deutschland und des Verbands Deutsch-Syrischer Hilfsvereine.
© Quelle: Reuters
Zahl der Toten in der Türkei auf mehr als 41.000 gestiegen
Am 6. Februar hatte frühmorgens ein Beben der Stärke 7,7 die Südosttürkei und den Norden Syriens erschüttert, Stunden später folgte ein zweites schweres Beben der Stärke 7,6. Das Epizentrum lag in beiden Fällen in der südtürkischen Provinz Kahramanmaras. Mehr als 47.000 Menschen starben, davon mehr als 41.000 in der Türkei. In vielen Provinzen in der Türkei wurden die Sucharbeiten nach Verschütteten inzwischen beendet.
Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC warnte am Montag davor, dass sich Infektionskrankheiten in der Region ausbreiten und in den kommenden zwei bis vier Wochen etliche Ansteckungen zur Folge haben könnten. Krankheiten, die durch Lebensmittel und Wasser übertragen werden, sowie Atemwegsinfektionen und durch Impfung vermeidbare Infektionen stellten in der kommenden Zeit ein besonderes Risiko dar.
Derweil sagten Unternehmen und Verbände in Deutschland am Montag dringend benötige Materialien wie Arzneimittel, medizinische Geräte und weitere Hilfsgüter im Millionenwert zu, wie das Bundesgesundheitsministerium in Berlin nach einem „Spendengipfel“ mitteilte. Die Lieferungen sollen schnell in die Krisengebiete gebracht werden - von den Firmen selbst oder in Kooperation mit der türkischen Regierung sowie mit Helfern.
Baerbock und Faeser am Dienstag in der Türkei
Am Dienstag reisen Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) in das von den Erdbeben vor zwei Wochen betroffene Gebiet. Die Ministerinnen wollen sich in der Region um das Epizentrum nahe der Stadt Gaziantep unweit der Grenze zu Syrien ein Bild der Lage machen, wie ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Montag in Berlin mitteilte.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach am Montag von einer Jahrhundertkatastrophe und bat die Menschen in Deutschland, langfristig zu helfen. „Was wir jetzt brauchen, ist ausdauernde Solidarität“, sagte er bei einer Gedenkveranstaltung der Türkischen Gemeinde in Deutschland und des Verbandes Deutsch-Syrischer Hilfsvereine am Brandenburger Tor in Berlin. Das Ausmaß der Zerstörung lasse erahnen, dass es lange dauern werde, bis die Überlebenden regelmäßig mit dem Nötigsten versorgt seien.
RND/seb/dpa/AP