"Vermutlich für illegalen Tierhandel bestimmt“

Löwenbabys allein im Zug nach Odessa: Tierschutzorganisation rettet sie aus der Ukraine

Meredith Whitney gibt einem der vier geretteten Löwenbabys die Flasche.

Meredith Whitney gibt einem der vier geretteten Löwenbabys die Flasche.

Wenn sie in ihrem Gehege in Minnesota im Schnee herumtollen und dann schnell wieder in den warmen Innenraum laufen, wirken sie wie kleine Kinder. Verspielte, kleine Löwenbabys. Doch die vier jungen Wildkatzen haben schon eine lange Reise hinter sich – denn sie wurden aus der Ukraine gerettet. Aus dem Land, das gerade Putins Angriffskrieg trotzt. Kein einfaches Unterfangen, wie Meredith Whitney erzählt.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Die US-Amerikanerin ist bei der Tier- und Artenschutzorganisation International Fund for Animal Welfare (IFAW) verantwortlich für die Rettungsprogramme für Wildtiere und war an der Rettung der Löwenbabys beteiligt. Sie tragen heute die Namen Taras, Stefania, Lesya und Prada. Doch wie kam es dazu?

Die Löwen waren vermutlich für den illegalen Tierhandel bestimmt.

Meredith Whitney, bei IFAW verantwortlich für die Rettungsprogramme für Wildtiere

„Wir haben eigentlich an der polnischen Grenze Ukraine-Flüchtlingen mit ihren Haustieren geholfen, vor allem mit Hunden und Katzen“, erzählt sie dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Aber dann sei der Tierarzt Dr. Andrew Kushnir, der in die Ukraine reiste, um anderen Tierärzten zu helfen, auf zunächst drei Löwenbabys aufmerksam gemacht worden.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

„Die Löwen waren vermutlich für den illegalen Tierhandel bestimmt“, sagt Whitney. Es gebe in dem Land immer noch eine riesige Zirkusindustrie mit Tieren sowie Privatzoos und Menschen, die Wildtiere als Haustiere hielten. Das sei illegal, aber bislang nicht so streng verfolgt worden. Doch mit dem Krieg und seinen Auswirkungen – immer wieder seien plötzlich Wildtiere nach Bombenangriffen frei durch die Städte gelaufen – habe die ukrainische Regierung angekündigt, schärfer gegen diese Art von Handel vorzugehen.

Mann setzte die Löwenbabys einfach in Zug nach Odessa

Ein Mann – „wir vermuten, dass es ein Züchter war“, so Whitney – habe in dieser Situation offenbar aus Angst, mit dem illegalen Wildtierhandel aufzufliegen, eine Tierschutzgruppe, mit der Tierarzt Kushnir gerade unterwegs war, angerufen und gesagt, dass er die Löwenjungen in einer Kiste in einen Zug nach Odessa gestellt habe. Sie sollten sie dort in Empfang nehmen. „Und das taten sie“, so die Tierschutzmitarbeiterin.

Doch bis zur Ankunft der Tiere in ihrem neuen Zuhause in den USA sollte noch einige Zeit vergehen. Nach dem Ankommen der drei Löwenjungen in Odessa habe Kushnir sie angerufen, berichtet Whitney. Denn es war klar, dass die Tiere ein neues Zuhause brauchten. Das war Anfang September.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Nahrung für die Löwenbabys war in Ukraine schwer zu bekommen

„Dazu kam das Problem, dass die Löwenjungen Babynahrung brauchten und die schwer in der Ukraine zu bekommen war“, berichtet die IFAW-Mitarbeiterin. Sie hätten dann die spezielle Nahrung für die Tiere beschafft und zudem nach einem Platz für sie gesucht. „In Europa waren die Auffangstationen alle schon voll“, berichtet Whitney. Schlussendlich war es eine Auffangstation im US-Bundesstaat Minnesota, die das neue Zuhause der Tiere werden sollte. Nur wie sollten die Wildkatzen aus Odessa in die USA kommen? Allein die Luftlinie beträgt mehr als 8000 Kilometer.

Durstige kleine Löwen: Die aus der Ukraine geretteten Tiere mussten am Anfang noch die Flasche bekommen.

Durstige kleine Löwen: Die aus der Ukraine geretteten Tiere mussten am Anfang noch die Flasche bekommen.

Zunächst mal seien sie mit der Ukrainerin Natalia Popova und ihrer Organisation Wild Animal Rescue in Kontakt gekommen, berichtet Whitney. Die rette in Kiew Tiere und habe dort auch ein weiteres Löwenjunges sowie ein Leopardenbaby gehabt, wie sie dann erfuhren. „Wir haben uns bereiterklärt, auch die beiden Wildkatzen mitzunehmen“, so die IFAW-Angestellte. Sie brachten also die drei Löwenbabys aus Odessa zunächst einmal nach Kiew.

Die Löwen brauchten noch die Babymilch, und Andrew und Natalia mussten die Flaschen unter ihre Achseln und Kniekehlen aufwärmen, um sie zu füttern.

Meredith Whitney über die Zeit mit den Löwen in Kiew

„Acht Tage war Dr. Kushnir dort mit den Tieren“, erzählt die Tierschutzmitarbeiterin. „Das war in der Zeit, als sich die Bombenangriffe dramatisch intensiviert haben.“ Es sei regelmäßig zu Stromausfällen gekommen und sehr kalt gewesen. „Die Löwen brauchten noch die Babymilch, und Andrew und Natalia mussten die Flaschen unter ihre Achseln und Kniekehlen aufwärmen, um sie zu füttern.“ Und das bei Kerzenschein oder Taschenlampenlicht.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Nach acht Tagen hätten sie die fünf Wildkatzen dann an die polnische Grenze gefahren – in einer speziell angefertigten Holzkiste in einem Auto. „Die Fahrt und die Grenzkontrollen haben 36 Stunden gedauert. Das war eine anstrengende Reise“, so Whitney. Doch sie schafften den Weg ohne größere Komplikationen – keine Selbstverständlichkeit inmitten eines Krieges.

In diesen speziell angefertigten Kisten wurden die Löwen in den Autos und auch im Flugzeug transportiert.

In diesen speziell angefertigten Kisten wurden die Löwen in den Autos und auch im Flugzeug transportiert.

Erster Zwischenstopp: der Zoo in Posen. Das Leopardenjunge konnten sie von dort aus in Frankreich unterbringen, aber die nun vier Löwenbabys hatten noch eine lange Überseereise vor sich. Dass diese dann schneller gelang als zunächst erwartet, lag daran, dass IFAW großzügige Spender fand: Eine Familienstiftung übernahm Teile der Kosten für einen Flug der Tiere in einem Privatjet in die USA, berichtet Whitney. „Wir hatten zuvor schon Sorgen, dass wenn das Genehmigungsverfahren durch ist, es zu kalt ist, um die Löwen in die USA zu fliegen.“ Denn in der Regel dauere so eine Genehmigung für Tiere wie Löwen rund drei Monate und ab bestimmten Außentemperaturen seien die Flüge nicht mehr erlaubt. Aber sie hatten Glück.

Neun Stunden Flug nach Chicago, neun Stunden Autofahrt bis Minnesota

Schon zwei Tage vor Abflug seien sie zum Flughafen gefahren. „Wir mussten schauen, wie wir die Kisten mit den Löwen durch das kleine Frachtloch in das Flugzeug bekommen“, sagt Whitney, und scherzt: „Wir mussten Tetris spielen.“ Erfolgreich, beim Transport am Abflugtag klappte dann alles ohne Probleme. Neun Stunden später landeten sie in Chicago, wo das Team der Auffangstation sie bereits erwartete. Sie selbst sowie der Tierarzt Dr. Kushnir seien mitgeflogen, erzählt Whitney. Weitere neun Stunden im Auto folgten, bis sie an der Auffangstation in Minnesota ankamen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Wären es Menschen, würde man wohl davon ausgehen, dass die Reise nicht spurlos an ihnen vorbeigegangen ist. Und auch bei Tieren lässt sich das mutmaßen. Doch zumindest äußerlich kamen die Löwenjungen wohlbehalten an: „Sie passen sich wirklich gut an und wirken glücklich und gesund“, sagt Whitney und berichtet von den Videos, in denen die vier Löwen im Schnee tollen. „Alle vier Löwenbabys leben nun zusammen.“ Die drei, die zusammen im Zug nach Odessa gekommen waren, seien mit dem vierten, rund zwei Monate älteren Löwen aus Kiew zusammengeführt worden. „Gleich am ersten Tag nach der Ankunft haben wir sie zusammengelassen und am Ende des Tages haben sie zusammen gekuschelt und geschlafen.“ So eine Reise verbindet wohl.

Mehr aus Panorama

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige

Verwandte Themen

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken