Wohin mit Glühwein und Lebkuchen? Weihnachtsmarktsaison eine „wirtschaftliche Katastrophe“

Hier würde eigentlich Glühwein verkauft werden: ein geschlossener Stand auf dem Striezelmarkt in Dresden.

Hier würde eigentlich Glühwein verkauft werden: ein geschlossener Stand auf dem Striezelmarkt in Dresden.

Die Firma Fesey im Hohenbrunner Ortsteil Riemerling, etwa 20 Kilometer von München entfernt, hat 30 Tonnen Mandeln, 15.000 Liter Glühwein, 15.000 Riesenschokoküsse und kistenweise Lebkuchen eingekauft. Die Lebensmittel wollte der Großhandel an die Standbetreiber auf den Christkindlmärkten in Bayern verkaufen. Doch die wurden am 19. November coronabedingt abgesagt. Großhändler wie die Firma Fesey stellt das vor ein gewaltiges Problem: Wohin mit den verderblichen Lebensmitteln ohne die Weihnachtsmärkte?

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„Die Politik hat in unseren Augen versagt“, ärgert sich Helga Seybold von der Fesey Schokoladenmanufaktur im Gespräch mit dem RedaktionsnetzwerkDeutschland (RND). „In 2020 haben wir zumindest schon im Sommer gewusst, dass es keine Weihnachtsmarktsaison geben wird, und konnten uns besser drauf einstellen.“

Anders in diesem Jahr: „Die Buden auf den Weihnachtsmärkten waren schon aufgesperrt, schön dekoriert und hergerichtet“, so Seybold. Eine ganze Branche habe fest mit der Weihnachtsmarktsaison geplant: „Es schien ja die ganze Zeit so, als ob die Konzepte sicher sein würden. Von einer Absage oder einer vorzeitigen Beendigung der Weihnachtsmärkte hat niemand gesprochen.“

„Nicht jeder braucht zehn Liter Glühwein“

Nun müssen andere Verwendungszwecke für die Lebensmittel her: Die Firma Fesey spendet ohnehin wöchentlich Lebensmittel an die Tafel. Seit der Absage der Christkindlmärkte nun auch jede Menge Mandeln, Schokoküsse und Lebkuchen. Glühwein hingegen nimmt die Tafel nicht: „Den werden wir eher an Privatpersonen los, die zu unserem Lagerverkauf kommen“, erzählt Seybold, „doch nicht jeder braucht einen Zehn-Liter-Glühweinkanister.“

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Dass die Regale in der Lagerhalle bis unter die Decken mit Glühwein gefüllt sind, sei ein echtes Problem: „Das ist ein Wahnsinnskapital, was dort lagert und der Lagerplatz muss auch vorgehalten werden“, weiß Seybold. Ein Glück sei es, dass der Glühwein etwas länger haltbar sei: „Das ist ja schließlich Alkohol“, so Seybold. Wenn der Glühwein dunkel und kühl gelagert werde, könne man ihn eine Weile aufbewahren.

Die 15.000 Riesenschokoküsse in 24 Geschmacksorten hingegen laufen bereits am 4. Januar ab. Deshalb hat der Großhandel in sozialen Netzwerken mit Spezialpreisen Werbung für den Lagerverkauf gemacht: „Wir wollen einfach nicht zu viel wegwerfen müssen“, so Seybold.

„Mandelhans“ verkauft an Tankstelle

Kreativ sind auch andere geworden: Markus Kaiser, der über Münchens Stadtgrenzen hinaus mit seinem Stand „Zum Mandelhans“ bekannt ist, versucht beispielsweise, mit seinen gebrannten Mandeln Adventsstimmung an einer Tankstelle in Sauerlach zu zaubern – sonst steht sein Stand vor der Kulisse des Münchener Rathauses. Kaiser machte dort vor der Corona-Pandemie einen Viertel seines Jahresumsatzes.

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Von seinen 14 Mitarbeitenden sind nur noch drei übrig geblieben, alle anderen haben ihren Job verloren. Kaiser selbst ist in eine kleinere Wohnung umgezogen: „Ihr in der Politik habt es verbockt, und zwar im Sommer schon. Da hättet ihr die Grundvoraussetzungen für den Winter legen müssen“, ärgert sich Kaiser in einem Instagram-Video. Es hätten sich alle auf das Weihnachtsmarkgeschäft verlassen: „Und jetzt treibt das kleine Familienbetriebe an den Rand des Ruins“, so Kaiser.

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„Jetzt kommt eine echte Durststrecke“

„Viele sind nicht so auf die Füße gekommen wie der ‚Mandelhans‘“, weiß Helga Seybold. Die meisten ihrer Kunden treffe die Absage der Weihnachtsmärkte hart: „Viele warten und hoffen auf Geld vom Staat“, so die Großhändlerin. Es werde jetzt eine „echte Durststrecke“. Denn: Bis mindestens Mai sei nicht mit Veranstaltungen zu rechnen, auf denen die bereits angeschafften Lebensmittel verkauft werden könnten.

Wenig besser gestaltet sich die Situation im Norden Deutschlands auf den bisher noch geöffneten Weihnachtsmärkten: „Es ist eine wirtschaftliche Katastrophe“, betont Jens Hamberger, der unter anderem die Glühweinpyramide auf dem Rostocker Weihnachtsmarkt betreibt. Auch er wisse nicht, wohin mit dem Glühwein, den er wegen der 2G-plus-Regelung kaum verkauft bekommt: „Notfalls muss ich meinen Pool mit dem ganzen Glühwein füllen“, sagt Hamberger scherzhaft. Ein Problem sei der deutlich zu wenig besuchte Weihnachtsmarkt auch deshalb, weil die Standbetreiber das weitgehend veranstaltungsfreie erste Quartal des Jahres mit den Erträgen aus den Weihnachtsmärkten hatten finanzieren wollen.

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Schaustellerverbände drängen auf finanzielle Hilfen

„Es wird nichts vernichtet. Stattdessen bieten wir unseren Glühwein und Punsch in Flaschen im Einzelhandel, online und bei uns vor Ort an“, sagte Martin Junge, Sprecher des Staatsweingutes Schloss Wackerbarth bei Dresden. Was die Absage der Weihnachtmärkte wirtschaftlich für den Betrieb bedeutet, lasse sich noch nicht sagen. „Wir arbeiten intensiv daran, die entsprechenden Umsatzverluste mit anderen Distributionswegen und neuen Ideen zu minimieren“, sagte Junge.

Schaustellerverbände wie etwa der Brandenburgische Schaustellerverband Sanssouci drängen derweil auf finanzielle Hilfen: „Wenn keine Hilfen kommen sollten, brauchen wir uns im nächsten Jahr nicht mehr über Weihnachtsmärkte zu unterhalten, die gibt es dann nämlich nicht mehr“, sagte Meyer. „Wir brauchen mindestens die gleichen Hilfen wie im letzten Jahr, wenn nicht sogar mehr.“ Denn durch die kurzfristige Absage seien die Verluste in diesem Jahr größer. Schließlich hätten die Standbetreiber Platzgelder, Personalkosten und Ware bezahlt müssen.

mit dpa

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