3,5 Millionen Menschen auf der Flucht: Hoffnung der Geflüchteten auf Rückkehr schwindet
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Geflüchtete aus der Ukraine in Berlin
© Quelle: Hannibal Hanschke/dpa
Medyka. Viele ukrainische Flüchtlinge haben bis zum letzten Augenblick geglaubt, dass Putin keinen Krieg gegen ihre Heimat führen würde. Und als die Invasion dann begann, dachten sie, dass das alles bald vorbei sein werde. Jetzt sickert die brutale Realität ein.
Olha Homienko ist aus dem ukrainischen Charkiw geflüchtet und hält sich jetzt in der polnischen Grenzstadt Medyka auf. „Am Anfang haben wir gedacht, dass dies hier ziemlich bald vorbei ist“, sagt die 50-Jährige über den russischen Überfall auf ihre Heimat. „Allem voran konnte niemand es glauben, dass Russland uns angreifen würde, und wir dachten, dass das schnell endet.“ Jetzt, so fügt Homienko hinzu, „wie wir sehen können, gibt es nichts, dem wir mit Freude entgegen sehen können.“
Die Ukrainerin drückt aus, was auch viele andere Flüchtlinge fühlen. 3,5 Millionen Menschen sind den UN zufolge seit Beginn der russischen Invasion am 24. Februar aus ihrer Heimat in benachbarte Länder geflohen. Sie trugen mit sich, was sie in aller Eile fassen konnten. Unvorbereitet wie sie es waren, glaubten die meisten, dass sie bald wieder daheim sein würden. Ein Monat nach Beginn des Krieges ist diese Hoffnung am Schwinden.
Zerstörung, Tod und Hunger - Berichte aus Charkiw
Charkiw zählt zu mehreren ukrainischen Städten und Dörfern, die von den Russen eingekreist und schwer beschossen worden sind. Flüchtlinge aus diesen Orten berichten von verbreiteter Zerstörung, Tod und Hunger.
Natalia Lutsenko aus dem zerbombten Tschernihiw im Norden hat lange geglaubt, dass die Invasion irgendwie so etwas wie ein „Missverständnis“ sein müsse. Anders, so sagt sie, habe sie es sich nicht erklären können, warum Russlands Präsident Wladimir Putin die Ukrainer derart leiden lässt. „Warum zerbombt er friedliche Häuser? Warum sind da so viele Opfer, Blut und getötete Kinder, Leichenteile überall?“ fragt Lutsenko. „Es ist schrecklich. Schlaflose Nächte. Eltern weinen, es sind keine Kinder mehr da.“
Medykas Bürgermeister Marek Iwasieczko erinnert sich nur allzu gut an den 24. Februar, als es begann. „Der Tag war eine große Überraschung für mich. Plötzlich tauchte die große Zahl von Menschen in Medyka auf. Sie waren vier Tage unterwegs. Sie kamen schrecklich erschöpft an, es war noch kalt, sie froren.“
Flucht aus der Ukraine: Baerbock sichert Moldau Hilfen zu
Außenministerin Annalena Baerbock informiert sich angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine in Moldau über die Lage der Geflüchteten.
© Quelle: dpa
Die Behörden in Medyka hatten zwar im Voraus einige Unterkünfte für ankommende Flüchtlinge vorbereitet, aber es kamen so viele auf einmal, die untergebracht werden mussten, Essen, Medikamente und, allem voran, Wärme und Geborgenheit brauchten, dass die Stadt überfordert war.
„Wir sind müde, aber wird werden bis zum Ende helfen“
Wie Iwasieczko weiter schildert, glaubte jeder bis zum letzten Augenblick, dass der Krieg vermieden würde. „Alles war vorbereitet, auch wenn wir nicht sicher waren, ob all dies nötig werden würde, wir wussten nicht, dass der Krieg beginnen würde, dass dies Putins Art sein würde, Dinge zu tun“, sagt der Bürgermeister rückblickend. Jetzt, einen Monat später, „träumen wir von der Stabilisierung und dem Ende dieser Situation... Wir sind müde, aber wird werden bis zum Ende helfen.“
Um die Belastungen für die Aufnahmeländer von Flüchtlingen zu mildern, hat die EU eine Reihe von Maßnahmen verkündet, um den Flüchtlingen zur Seite zu stehen, sei es beim Zugang zu Schulen für ihre Kinder, der Gesundheitsfürsorge, bei den Unterkünften oder der Arbeit. Die Schritte sind auch dazu gedacht, die Verteilung der Flüchtlinge auf Mitgliedsländer und andere Staaten, die sie unterbringen können, zu erleichtern. Dazu zählen Kanada und die USA, in denen es bereits große ukrainische Gemeinden gibt.
Die Flüchtlinge sind zumeist Frauen und Kinder, da die Männer im kampffähigen Alter die Ukraine nicht verlassen dürfen. Viele Mütter versuchen, in benachbarten Ländern ein Leben für sich und ihre Sprösslinge aufzubauen. Sie bemühen sich um Jobs und schicken die Kinder zur Schule. Manche sind auch in andere Länder weitergereist, in denen sie Verwandte haben.
In Medyka kommen weiter Flüchtlinge an, wenn auch in geringerer Zahl und bei wärmerem Wetter. Am Mittwoch konnte man Kinder sehen, ihr Lieblingsspielzeug an sich gedrückt, Frauen mit Babys im Arm und Leute mit ihren Hunden, die sie einfach nicht zurücklassen wollten.
Lutsenko sitzt auf ihrem Bett in einer Sporthalle, die in eine Flüchtlingszentrum umgewandelt worden ist. Auch sie hat geglaubt, dass der Krieg in ein paar Tagen vorbei sein würde. „Niemand hat gedacht, dass er so lange dauern würde, schon einen Monat“, sagt sie. Aber sie hat auch Vertrauen in die Streitkräfte ihres Landes, ist überzeugt, dass die Ukraine siegen wird: „Ich glaube weiter daran.“
RND/AP