„Pauschales Abblocken“ der Bundesregierung

Verkehrsunternehmen fordern Fortsetzung des 9-Euro-Tickets – und Investitionen in die ÖPNV-Qualität

Am Mittwoch läuft das 9-Euro-Ticket aus.

Am Mittwoch läuft das 9-Euro-Ticket aus.

Berlin. Es ist fast zu komisch, um wahr zu sein, passt aber wohl zu den Erfahrungen der deutschen Bahnfahrerinnen und Bahnfahrer: „Meine Verspätung ist das erste Plädoyer für Investitionen“, sagt Oliver Wolff, als er am Montagmittag in die Vorstellung der Bilanz zum 9-Euro-Ticket in Berlin platzt. Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) sei extra früh losgefahren, aber der Fernverkehr der Deutschen Bahn hat ihn wohl im Stich gelassen, die Bahn sei „wirklich unzuverlässig“.

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Am Mittwoch läuft das 9-Euro-Ticket aus – vorerst alternativlos. Der Streit über mögliche Nachfolger zieht sich weiter, immer wieder neue Vorschläge finden ihren Weg in die Diskussion, wie etwa das 49-Euro-Ticket der SPD, das 29- und 49-Euro-Ticket der Grünen oder das 69-Euro-Ticket des VDV. Von Einigkeit ist die Ampelkoalition noch weit entfernt.

Nun hat der VDV seine Bilanz zum 9-Euro-Ticket vorgestellt, die laut Wolff den „großen Erfolg“ zeige. Seit Verkaufsstart wurden rund 52 Millionen Tickets verkauft. Der VDV hat zusammen mit der Deutschen Bahn und den Marktforschungsinstituten Forsa und RC Research im Auftrag von Bund und Ländern eine bundesweite Marktforschung durchgeführt, bei der wöchentlich 6000 Menschen ab 14 Jahren interviewt wurden. Eine wesentliche Erkenntnis sei, „dass wir viele Umsteiger haben“, sagte Wolff.

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So sind im August laut den Umfragewerten 17 Prozent von anderen Verkehrsmitteln, wie Pkw oder auch Fahrrad, auf den ÖPNV umgestiegen. 10 Prozent der Käuferinnen und Käufer haben demnach auf mindestens eine ihrer täglichen Autofahrten verzichtet. Jeder fünfte Käufer oder jede fünfte Käuferin habe den ÖPNV zuvor nicht genutzt. „Ein gutes Angebot findet auch seine Kunden“, meint Wolff.

Die Einsparung von Klimagasen durch das 9-Euro-Ticket sei „erheblich“. Der VDV schätzt auf Basis der Marktforschung, dass in den drei Monaten rund 1,8 Millionen Tonnen CO₂ eingespart wurden – das entspreche dem Effekt von einem Jahr Tempolimit. Damit verweist Wolff auf die Klimaziele als Aufgabe der Bundesregierung. „Es lohnt sich, sich über eine Fortsetzung Gedanken zu machen.“

Steffi Lemke (Buendnis 90/Die Gruenen), Bundesministerin fuer Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, fotofrafiert im Rahmen eines Interviews im Ministerium. Berlin, 25.01.2022.

Frau Lemke, wird sich die Oder je wieder erholen?

Umweltministerin Steffi Lemke (Die Grünen) plagen gerade zwei Sorgen: Nach der Umweltkatastrophe in der Oder muss man mit Dauerschäden und mit ähnlichen Vorfällen in anderen Flüssen rechnen, sagt sie im RND-Interview. Und vor einer Atomkraftverlängerung seien monatelange Sicherheitschecks unabdingbar, betont sie – und warnt vor erschwerter Endlagersuche.

Auch die Länder sind sich einig, dass es einen Nachfolger geben sollte – und fordern „zeitnah“ einen Vorschlag vom Bund. Das war das Ergebnis einer Sonderkonferenz der Landesverkehrsminister und -ministerinnen am Freitag. Deren Vorsitzende, die Bremer Mobilitätssenatorin Maike Schaefer (Grüne), verdeutlichte am Montag, das 9-Euro-Ticket sei „nur ein Erfolg, wenn es eine Nachfolgeregelung gibt“. Ansonsten sei es nur eine „schöne Ferienaktion“ gewesen.

Ein Großteil der Länder sei sicherlich bereit, etwas zur Finanzierung beizutragen, aber die Kosten könnten nicht komplett abgewälzt werden. Schaefer kritisierte die derzeitige Wartehaltung von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) scharf. Von der Bundesregierung käme bisher nur ein „pauschales Abblocken“, wobei jetzt dringend über eine Fortsetzung diskutiert werden müsste. Die 16 Verkehrsminister und Verkehrsministerinnen kämen deshalb Ende September erneut zu einer Sonderkonferenz zusammen.

Zahlen der Hans-Böckler-Stiftung: Nur 39 Prozent der Deutschen mit ÖPNV zufrieden

Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) zeigte sich enttäuscht von Wissing und meinte, „die Koalition sollte ihren Koalitionsvertrag nochmal lesen“. Er forderte mehr Engagement des Bundes, um auch die Qualität des ÖPNV zu verbessern, der zu Zeiten des 9-Euro-Tickets an seine Grenzen gekommen sei. Es sei klar, dass „ein billiges Ticket nichts taugt, wenn das Angebot schlecht ist“, sagte der Grünen-Politiker bei der Pressekonferenz.

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Das stützen auch die Zahlen der VDV-Marktforschung: 33 Prozent der Personen, die kein 9-Euro-Ticket gekauft hatten, gaben als Grund umständliche Verbindungen an. Gerade im ländlichen Raum dominiert dieser Grund neben der Taktung, Fahrtdauer und Entfernung zur Haltestelle und wurde teils doppelt so oft angegeben wie in Metropolen und Städten. Das unterstreicht auch eine Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung: Nur 39 Prozent der Deutschen seien demnach zufrieden mit dem öffentlichen Nahverkehr und der Bahn.

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