Afghanistan: Taliban erobern ehemaligen Bundeswehr-Standort

Taliban-Kämpfer patrouillieren in der Stadt Farah. Die militant-islamistischen Taliban weiten ihren schnellen Vormarsch weiter aus.

Taliban-Kämpfer patrouillieren in der Stadt Farah. Die militant-islamistischen Taliban weiten ihren schnellen Vormarsch weiter aus.

Washington/Kabul/Berlin. Die Taliban haben im Norden Afghanistans eine weitere Provinzhauptstadt erobert, in der einmal die Bundeswehr stationiert war. Faisabad in der gebirgigen Provinz Badachschan ist die neunte von insgesamt 34 Provinzhauptstädten, die von den militanten Islamisten innerhalb nur einer Woche eingenommen wurde.

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Die USA und ihre Verbündeten wollen trotzdem nichts mehr an ihrem schon weitgehend abgeschlossenen Abzug aus Afghanistan ändern. Die Afghanen müssten nun „selbst kämpfen, um ihren Staat kämpfen“, sagte US-Präsident Joe Biden. „Aber sie müssen auch kämpfen wollen.“

Die Eroberung Faisabads durch die Taliban wurde am Mittwoch der Nachrichtenagentur dpa von einem ein Provinzrat und einem Parlamentsvertreter bestätigt. Bei ihrem rasanten Vormarsch haben die Islamisten nun schon weite Teile des Gebiets unter ihre Kontrolle gebracht, für das die Bundeswehr während ihres 20-jährigen Afghanistaneinsatzes innerhalb der Nato zuständig war.

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Kundus fiel bereits am Wochenende

Kundus, die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, fiel bereits am Wochenende in die Hände der Aufständischen. Am Dienstag folgte Pul-i Chumri, die Hauptstadt Baghlans. Kundus und Baghlan sind die beiden Provinzen, in denen die Bundeswehr am heftigsten gegen die Taliban gekämpft hat und in denen sie die mit Abstand größten Verluste zu beklagen hatte. Insgesamt kamen in Afghanistan 59 Bundeswehrsoldaten ums Leben, 35 von ihnen in Gefechten oder bei Anschlägen.

Auch in Faisabad gab es von 2004 bis 2012 wie in Kundus und in Masar-i-Scharif ein großes Bundeswehr-Feldlager. Masar-i-Scharif, wo die Bundeswehr noch bis vor wenigen Wochen ihr Hauptquartier hatte, ist bisher noch vom Taliban-Vormarsch verschont geblieben. Ein baldiger Angriff der islamistischen Kämpfer wird aber befürchtet.

Angesichts des schnellen Eroberungszugs rechnen US-Geheimdienste einem Medienbericht zufolge damit, dass die Hauptstadt Kabul viel früher in die Hände der Taliban fallen könnte als bisher von den USA angenommen. Der Zusammenbruch könnte in 30 bis 90 Tagen erfolgen, berichtete die „Washington Post“ am Dienstag (Ortszeit) unter Berufung auf nicht genannte Quellen in den US-Geheimdiensten. Noch im Juni hatten US-Geheimdienstmitarbeiter die Lage so eingeschätzt, dass Kabul in einem Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten nach dem Abzug des US-Militärs unter Kontrolle der Taliban geraten könnte.

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Biden bedauert Truppenabzug aus Afghanistan nicht

Der US-Präsident appellierte an die politische Führung in Kabul, an einem Strang zu ziehen, und versprach den afghanischen Sicherheitskräften weitere finanzielle und militärische Unterstützung. Zum US-Truppenabzug sagte er: „Aber ich bedauere meine Entscheidung nicht.“

Zum Zeitpunkt der Entscheidung hatten die USA (ohne Söldner) offiziell noch rund 2500 Soldaten in Afghanistan. Inzwischen ist der Abzug zu mehr als 95 Prozent abgeschlossen. Die Streitkräfte hätten inzwischen Material ausgeflogen, das der Ladung von rund 984 Transportflugzeugen des Typs Boeing C-17 entspreche, erklärte das US-Militär. Bis zum Monatsende soll der Abzug komplett beendet sein. Die Bundeswehr und die Soldaten anderer Länder des Nato-Einsatzes haben Afghanistan bereits verlassen.

Bidens Sprecherin Jen Psaki sagte am Dienstag, die US-Regierung werde die afghanischen Sicherheitskräfte weiterhin finanziell unterstützen. Für das nächste Jahr seien dafür im Haushaltsentwurf 3,3 Milliarden US-Dollar (2,8 Milliarden Euro) eingeplant. Biden habe den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan befohlen, weil das ursprüngliche Ziel des Einmarsches vor fast 20 Jahren - das Zurückschlagen der Terrorgruppe Al-Kaida - längst erreicht sei. „Er hat als Oberbefehlshaber entschieden - und das sind schwierige Entscheidungen“, sagte Psaki.

Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, warnte unterdessen vor einem erneuten Eingreifen des Westens in Afghanistan. Ob sich dort „künftig wieder die Schreckensherrschaft der Taliban etabliert, muss für die Nachbarn und regionalen Mächte als Gefährdung der Stabilität mindestens genauso große Besorgnisse erregen, wie für die transatlantischen Partner“, sagte Ischinger der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ vom Mittwoch.

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Er verwies dabei insbesondere auf China, Indien, Pakistan, Russland und den Iran. Deshalb sei hier in erster Linie der UN-Sicherheitsrat gefragt, denn es gehe um zentrale Fragen regionaler Stabilität.

RND/dpa

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