Kommentar zu Taliban in Afghanistan

Die Rückkehr der Steinzeitdiktatur

Taliban stehen in einem Klassenraum einer Polizeikaserne, in der Frauen zu Polizistinnen ausgebildet werden. Mädchenschulen ab der siebten Klasse sind in weiten Teilen des Landes geschlossen, und Frauen wurden weitgehend aus dem Arbeitsleben verdrängt. Nun haben die Taliban zudem angekündigt, Frauen den Zugang zu Universitäten zu verbieten.

Taliban stehen in einem Klassenraum einer Polizeikaserne, in der Frauen zu Polizistinnen ausgebildet werden. Mädchenschulen ab der siebten Klasse sind in weiten Teilen des Landes geschlossen, und Frauen wurden weitgehend aus dem Arbeitsleben verdrängt. Nun haben die Taliban zudem angekündigt, Frauen den Zugang zu Universitäten zu verbieten.

Dass Afghanistan für den Westen keine Erfolgsgeschichte mehr wird, war schon vor der Rückkehr der Taliban an die Macht im August vergangenen Jahres absehbar. Wenn Regierungsvertreter und Regierungs­vertrete­rinnen aus Europa oder den USA in den Jahren zuvor händeringend nach einem Beleg dafür suchten, dass der Einsatz doch handfeste Ergebnisse bringt, mussten dafür meist die Afghaninnen herhalten: Mädchen könnten immerhin wieder zur Schule gehen, hieß es dann, Frauen hätten endlich wieder Rechte in Afgha­nistan.

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Das Talibanregime setzt nun alles daran, selbst diese mageren Erfolge des westlichen Engagements zunichte­zumachen. Dass die Islamisten sich einst halbwegs geläutert gaben und versprachen, als neue Machthaber die Menschenrechte zu achten, interessiert sie heute nicht mehr. Genauso wenig geben sie etwas darauf, was der Rest der Welt von ihnen denkt.

Die Hardliner haben sich durchgesetzt

Die Hoffnung, die Taliban könnten bei der Neuauflage ihrer Herrschaft in Afghanistan ein moderates Emirat 2.0 errichten, haben sich zerschlagen; die Hardliner haben sich durchgesetzt. Wenn es dafür noch eines endgültigen Beleges bedurft hätte, haben die Taliban ihn mit dem jüngsten Erlass geliefert, der Frauen den Besuch von Universitäten untersagt. Weiterführende Mädchenschulen wurden schon kurz nach der Macht­übernahme der Islamisten geschlossen. Reisen dürfen Frauen heute nur noch in Gesellschaft männlicher Verwandter. Badehäuser und öffentliche Parks sind für Frauen inzwischen tabu. Auch ihr Gesicht müssen sie wieder verschleiern.

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Das Regime drängt Afghaninnen aus dem öffentlichen Leben, als wäre es ein Verbrechen, eine Frau zu sein. Die Taliban erschweren es Frauen außerdem, überhaupt noch einer Arbeit nachzugehen – obwohl Afghanistan kurz vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch steht. Das zeigt die Prioritätensetzung des Regimes, dessen Vorgehen sich immer mehr dem der Steinzeitdiktatur der Taliban 1996 bis 2001 annähert: Statt sich um das Wohl der Not leidenden Afghanen zu kümmern, geht es den Taliban darum, dem Volk ihre krude Inter­pretation der Scharia aufzuzwingen. Öffentliche Hinrichtungen und Auspeitschungen gibt es inzwischen auch wieder.

ARCHIV - 16.08.2021, Afghanistan, Kabul: Hunderte Menschen laufen neben einer Boeing C-17 der United States Air Force, die auf dem Rollfeld des Kabul International Airport fährt. Zahlreiche Afghanen, die sich nach der Machtübernahme der Taliban in Sicherheit bringen wollen, versuchten auf dem Flughafen in Flugzeuge zu gelangen und blockierten die Landebahn. Nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan haben Deutschland und andere westliche Staaten begonnen, in großer Eile ihre Staatsbürger und gefährdete afghanische Ortskräfte auszufliegen. (zu dpa «Fragiler Frieden und zerstöre Träume: ein Jahr Taliban-Herrschaft») Foto: Uncredited/Verified UGC/AP/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit der aktuellen Berichterstattung innerhalb der nächsten 72 Stunden und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits +++ dpa-Bildfunk +++

Ein Jahr nach Machtübernahme der Taliban: viel Elend und Menschen, die auf Rettung warten

Am 15. August 2021 rissen die Taliban in Afghanistan erneut die Macht an sich – 20 Jahre nach ihrem Sturz durch den Militäreinsatz des Westens. Heute geht es dem Land schlechter denn je. Und noch immer möchten Helfer der Bundeswehr nach Deutschland, können aber nicht.

Wir sind den Menschen Hilfe schuldig

Das alles ist furchtbar – erst recht, weil es die Frage aufwirft, was der Krieg mit seinen vielen Opfern und horrenden Kosten eigentlich bewirkt hat, wenn am Ende doch wieder eine Schreckensherrschaft der Taliban steht. Der Frust darüber darf aber nicht dazu führen, dass wir uns wieder abwenden von Afghanistan. Als wir das das letzte Mal taten – nach dem Abzug der Roten Armee 1989 – versank Afghanistan im Bürgerkrieg, der zum Aufstieg der Taliban führte. Das Land wurde zum sicheren Hafen für das Terrornetz Al-Kaida, dessen Chef Osama bin Laden von dort aus die Anschläge vom 11. September 2001 plante, die dann wiederum den Afghanistan-Krieg auslösten. Den Zusagen des neuen Talibanregimes, dass von Afghanistan aus kein Terror ausgeht, ist ebenso wenig zu trauen wie ihren Menschenrechtsversprechen. Bin-Laden-Nachfolger Aiman al-Sawahiri hatte Zuflucht in Kabul gefunden, als er im August bei einem US‑Drohnenangriff getötet wurde.

Natürlich kann es also nicht darum gehen, das Talibanregime anzuerkennen. Was wir aber tun sollten: Wir sollten die Entwicklungszusammenarbeit wieder ausbauen, um den Afghaninnen und Afghanen zu helfen. Nicht nur ist es auch in unserem Interesse, den Menschen eine Perspektive zu bieten, damit sie nicht massenhaft nach Europa fliehen. Wir haben zudem 20 Jahre lang versprochen, die Afghaninnen und Afghanen nicht wieder im Stich zu lassen. Dieses Versprechen haben nicht die Taliban gebrochen, sondern die westlichen Staaten, also wir. Deshalb sind wir den Menschen Hilfe schuldig.

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