Atomausstieg: Bund zahlt 2,4 Milliarden Euro an Kraftwerksbetreiber
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Sprengung der Kühltürme des stillgelegten Atomkraftwerks Philippsburg in Baden-Württemberg. Der letzte Block des Kraftwerks wurde am 31. Dezember 2019 abgeschaltet.
© Quelle: Daniel Maurer/EnBW/dpa
Berlin. Gut zehn Jahre nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima und dem beschleunigten Atomausstieg in Deutschland in dessen Folge haben Bundesregierung und Kraftwerksbetreiber ihre Rechtsstreitigkeiten um eine Entschädigung beigelegt. Insgesamt 2,4 Milliarden zahlt der Bund an die vier Energiekonzerne EnBW, E.ON/PreussenElektra, RWE und Vattenfall, um deren Verluste auszugleichen.
Mit der Entschädigungen werden alle noch laufenden Verfahren vor nationalen Gerichten und internationalen Gerichten beigelegt, so dass künftig Rechtsfrieden herrscht. Die Aufsichtsgremien der Unternehmen und die EU-Kommission müssen dem Deal noch zustimmen.
Den größten Teil der Summe bekommt der schwedische Versorger Vattenfall, an den der Bund 1,4 Milliarden Euro überweist. 880 Millionen Euro gehen an RWE, 80 Millionen Euro an EnBW und 42,5 Millionen Euro an E.ON/Preussen Elektra. Die Zahlungen dienen einerseits dem Ausgleich für Reststrommengen, die die Unternehmen nicht mehr erzeugen konnten und andererseits dem Ausgleich für Investitionen, welche im Vertrauen auf die erst 2010 in Kraft getretene Laufzeitverlängerung getätigt worden waren.
Mit der Vereinbarung geht ein jahrelanger Rechtsstreit zu Ende. Der Anspruch auf Entschädigung war den Konzernen durch den überraschenden Ausstieg Deutschlands aus der Atomenergie im Jahr 2011 entstanden. Mit der Kehrtwende nach dem Reaktorunglück von Fukushima, das sich am 11. März zum zehnten Mal jährt, hatte die damalige Bundesregierung die erst wenige Monate zuvor beschlossenen Laufzeitverlängerungen zurückgenommen und feste Abschalttermine für die seinerzeit 17 deutschen Atommeiler festgelegt.
Dadurch entstand den Betreibern ein Schaden, für den es einen Ausgleich geben müsse, urteilte das Bundesverfassungsgericht 2016. Die daraufhin von der Bundesregierung beschlossene gesetzliche Entschädigungsregelung kassierten die Karlsruher Richter im vergangenen Jahr ein und forderten den Gesetzgeber auf, substanziell nachzubessern.
Das schwedische Unternehmen Vattenfall hatte die Bundesrepublik außerdem vor dem Schiedsgericht der Weltbank in Washington auf 4,7 Milliarden Euro Schadenersatz verklagt. Auch dieses Verfahren hat sich mit der nun getroffenen Vereinbahrung erledigt.
Der Energiekonzern RWE begrüßte die Einigung als „wichtigen Schritt, um Rechtssicherheit für alle Beteiligten herzustellen“. Sie sei zudem ein „gutes Signal, um das Vertrauen in den Standort Deutschland zu stärken“ und damit die erheblichen Investitionen, die jetzt in den Umbau des Energiesystems fließen müssen, zu befördern.
Beim Umweltverbände und Opposition stieß der Deal dagegen auf Kritik. „Mit diesem letzten Milliarden-Geschenk der Bundesregierung kann sich Vattenfall nun doppelt die Taschen füllen. Der Fall Vattenfall unterstreicht die Problematik internationaler Schiedsgerichte, die als paralleles Rechtssystem die Autorität nationaler Gerichte untergraben“, sagte Heinz Smital, Atomexperte von Greenpeace. Er forderte: „Intransparente Schiedsverfahren müssen ein Ende haben.“
Grünen-Chefin Annalena Baerbock kritisierte die 2010 von Union und FDP auf den Weg gebrachte Laufzeitverlängerung. „Den Atomkonzernen jetzt die gigantische Summe von 2,4 Milliarden Euro in den Rachen werfen zu müssen, ist die Quittung für die Kurslosigkeit und das schlechte Management der damaligen schwarz-gelben Regierung“, sagte Baerbock dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Der rot-grüne Atomausstieg vor 20 Jahren war mit den Konzernen vereinbart – und damit wasserdicht. Wäre er so gekommen, hätten wir nun nicht solch hohe Entschädigungen zu leisten. Stringenz und Weitsicht kommen dann halt doch günstiger“, fügte Baerbock hinzu.
Auf den Atomausstieg wirkt sich die Einigung nicht aus. Es bleibt dabei, dass das letzte deutsche Atomkraftwerk spätestens Ende 2022 vom Netz geht.