Welche Optionen es gibt

Warum redet Deutschland immer wieder über Kernkraft?

Das Atomkraftwerk (AKW) Isar 2 in Niederbayern.

Das Atomkraftwerk (AKW) Isar 2 in Niederbayern.

Berlin. In der Ampel­koalition gibt es Streit über den Umgang mit der Kern­energie. Die Liberalen wollen wie auch die Unions­parteien die alten Meiler weiter in Betrieb halten, um die Energie­versorgung in Deutschland zu sichern. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu der neuen Debatte.

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Wieso ist die Kern­kraft wenige Monate vor dem Ausstieg wieder ein Thema?

Der russische Angriffs­krieg gegen die Ukraine stellt die Energie­politik der letzten Jahre auf den Kopf. Nach der Nuklear­katastrophe von Fukushima im Jahr 2011 wandte sich die damalige Bundes­regierung aus Union und FDP von der Energie­form ab und beschloss den endgültigen Ausstieg.

Als Übergangs­technologie wollte auch die Ampel­koalition russisches Gas beziehen. Das ist nun nicht mehr möglich – lang­fristige Geschäfte mit Wladimir Putin lehnt die Bundes­regierung ab. Doch zunächst hat sie ein anderes Problem: Weil die Gaslieferungen aus Russland zuletzt zurück­gegangen sind, will Bundes­wirtschafts­minister Robert Habeck (Grüne) das vorhandene Gas zur Auffüllung der Speicher in Vorbereitung auf den Winter nutzen. Bei einer Mangel­lage sollen Kohle­kraftwerke zur Strom­erzeugung wieder aus der Reserve genommen werden. Atomkraft­befürworter kritisieren das, weil Kernenergie CO₂-neutraler als Kohle­kraft ist.

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Warum Atom­strom in der Energie­krise keine Entlastung bringt

Die Erdgas­speicher in Deutschland füllen sich nicht schnell genug. Die Energie­preise steigen immer weiter. Spätestens jetzt muss so viel Gas gespart werden wie möglich. Dabei helfen auch einfache Tricks im Alltag.

Wie viele Atomkraft­werke gibt es noch?

Am Netz befinden sich noch drei Kernkraft­werke: Isar 2, Emsland und Neckar­westheim 2. Sie stehen in Bayern, Niedersachsen sowie Baden-Württemberg und sollen Ende 2022 abgeschaltet werden.

Warum fordern FDP und Union jetzt die Laufzeit­verlängerung?

CDU/CSU pochen mit Blick auf die Versorgungs­sicherheit auf einen Weiter­betrieb der Kernkraft­werke. Die Wende nach Fukushima habe nicht funktioniert, wie viele sich das vorgestellt hätten, sagte etwa der bayerische Minister­präsident Markus Söder im ARD-„Sommer­interview“. Er selbst forderte 2011 den Ausstieg. In der jetzigen Situation sei es aber nicht sinnvoll, Kernkraft­werke vom Netz zu nehmen, mahnte Söder. Die FDP macht ebenfalls Druck, formuliert ihre Forderung aber zurück­haltender und dringt auf eine „ideologie­freie Debatte“. Der stellvertretende FDP-Fraktions­vorsitzende Lukas Köhler sagte der „Welt“, die Kernkraft­werke seien zwar kein Allheil­mittel, „aber in einer Mangel­lage muss das Gas zum Heizen der Wohnungen und für die Industrie zur Verfügung stehen“.

Partei­politik spielt auch mit rein: Vor allem die FDP kämpft aktuell mit schlechten Umfrage­werten und erhofft sich durch diese Debatte wohl mehr Sichtbarkeit innerhalb der Ampel­koalition.

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Weshalb stellen sich SPD und Grüne dagegen?

Die Grünen sehen im Weiterbetrieb ein hohes Risiko, aber nicht nur wegen des Atom­mülls und der offenen Endlager­frage. Sie verweisen auch auf den großen Aufwand, der dem Nutzen nicht gerecht wird. So würden laut Bundes­umwelt- und ‑wirtschafts­ministerium (beide grün geführt) eine Laufzeit­verlängerung „nur einen begrenzten Beitrag“ zur Versorgungs­sicherheit leisten. Im Strom­bereich deckten die verbliebenen AKW circa 5 Prozent der deutschen Strom­produktion, hieß es. Bei den Grünen spielt ebenfalls Partei­politik eine Rolle, eine Verlängerung der Lauf­zeiten würde ihre Basis verärgern.

Die SPD lehnt einen Weiter­betrieb ebenso ab. Kanzler Olaf Scholz (SPD) betonte im Interview mit dem „Merkur“, der Atom­ausstieg sei lange beschlossen. Brenn­elemente und die nötigen Wartungs­intervalle der Anlagen seien genau darauf abgestimmt. So reichten die Brenn­stäbe noch bis zum Ende des Jahres. Neue zu besorgen, würde mindestens zwölf bis 18 Monate dauern, sagte Scholz.

Allerdings: Der Anteil von Erdgas an der Strom­erzeugung lag im Jahr 2021 bei 12,6 Prozent. Befürworter des Weiter­betriebs sehen nun die Chance, diesen Verbrauch zu verringern und so Gas zur Verstromung zu sparen.

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Wäre eine Verlängerung möglich – was sagen die Betreiber?

Ob eine Verlängerung für alle drei AKW umsetzbar wäre, lässt sich nicht klar beantworten. Grundsätzlich sehen die AKW-Betreiber RWE, EnBW und Eon längere Lauf­zeiten jedoch skeptisch. „Unser Kraft­werk im Emsland ist auf den Auslauf­betrieb zum Ende des Jahres ausgerichtet, zu dem Zeitpunkt wird der Brenn­stoff aufgebraucht sein“, erklärte etwa RWE. „Ein Weiter­betrieb über den 31. Dezember hinaus wäre mit hohen Hürden technischer als auch genehmigungs­rechtlicher Natur verbunden.“

Doch TÜV Süd kam in einer Analyse im Auftrag des bayerischen Umwelt­ministeriums zu dem Schluss, dass Isar 2 noch über eine Brennstoff­reserve verfügt. Die Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass der Weiter­betrieb einige Monate mit bereits vorhandenen Brenn­elementen möglich wäre. Isar 2 könnte demnach bis 2023 zusätzlich 5160 Gigawatt­stunden Strom produzieren. Die Chance könnte aber schon verstrichen sein: Der Leiter des Kernkraft­werks, Carsten Müller, hatte eine Laufzeit­verlängerung ausgeschlossen, sollte nicht im Mai eine entsprechende politische Entscheidung gefallen sein.

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