Auffrischungsimpfungen ohne Stiko-Empfehlung: Ärztepräsident Reinhardt kritisiert Bund und Länder

Eine Krankenschwester impft in Nürnberg eine Person mit dem Wirkstoff von Johnson & Johnson (Archivbild).

Eine Krankenschwester impft in Nürnberg eine Person mit dem Wirkstoff von Johnson & Johnson (Archivbild).

Berlin. Ärztepräsident Klaus Reinhardt hat das Vorgehen der Gesundheitsminister von Bund und Ländern scharf kritisiert, Auffrischungs­­impfungen für Senioren und Immungeschwächte ohne entsprechende Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) anzubieten.

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„Es spricht theoretisch einiges dafür, dass eine Auffrischungsimpfung für Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen, mit einem geschwächten Immunsystem sowie für Hochbetagte sinnvoll sein kann“, sagte Reinhardt dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND).

„Nach bisherigem Kenntnisstand und Auffassung namhafter Experten ist sie aber für die meisten Geimpften nicht sofort nötig“, betonte er. Insgesamt fehlten noch aussagekräftige Studien, ob, wann und für wen eine Booster­impfung angezeigt sei. „Ich halte es deshalb für einen Fehler, dass Bund und Länder in der Breite Auffrischungsimpfungen angekündigt haben, ohne eine entsprechende Empfehlung der Stiko abzuwarten“, beklagte der Ärztepräsident.

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Es sei zu erwarten gewesen, dass Patientinnen und Patienten nach dieser Ankündigung in den Praxen verstärkt Termine für Drittimpfungen nachfragten. „Da ist also von der Politik eine Erwartungs­haltung bei den Patienten geschürt worden, die viele Ärztinnen und Ärzte ohne eine wissenschaftlich fundierte Impfempfehlung nicht bedienen wollen“, sagte Reinhardt. Er könne daher alle Kolleginnen und Kollegen verstehen, die sich möglichst schnell eine klare Positionierung der Stiko wünschten.

Reinhardt: Problemlage ist Stiko bewusst

Reinhardt erklärte, die Problem­lage sei der Stiko bewusst. Sie arbeite derzeit intensiv an Empfehlungen für Auffrischungs­impfungen für Senioren und Immungeschwächte. Das bestätigte Stiko-Chef Thomas Mertens. Die Aufarbeitung der vorliegenden Daten sei in vollem Gange, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Lange werde es nicht mehr dauern, auf ein genaues Datum für die Empfehlung könne er sich aber noch nicht festlegen, betonte er.

Mehrere Bundesländer haben bereits damit begonnen, Pflege­bedürftigen, über 80-Jährigen und Menschen mit Immun­schwäche sogenannte Booster­impfungen anzubieten. Die Gesund­heits­­minister von Bund und Ländern hatten schon Anfang August beschlossen, dass dieses Angebot auch für Menschen gilt, die eine vollständige Impfung mit Vektor­impfstoffen von Astrazeneca oder Johnson & Johnson erhalten haben. Als geeigneten Zeitpunkt haben die Minister sechs Monate nach dem Abschluss der ersten Impfserie genannt.

Hausärzteverband kritisiert Verunsicherung

Auch der Hausärzteverband kritisierte Bund und Länder. „Dass die Politik wiederholt vorangeprescht ist und damit erneut für Verunsicherung sorgt, ist ärgerlich“, sagte Armin Beck aus dem Bundes­vorstand des Verbandes. „Dass in einigen Land­kreisen schon jetzt Dritt­impfungen durchgeführt werden, trägt zusätzlich zur Verunsicherung von Ärztinnen und Ärzten und Patientinnen und Patienten bei“, beklagte er. „Wir fordern einheitliche Regelungen“, so der Ärztevertreter.

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„Wie brauchen schnell eine Stiko-Empfehlung zur dritten Impfung, wann welche Personengruppen eine Auffrischung erhalten sollen“, betonte SPD-Gesundheits­experte Karl Lauterbach. Er betonte aber auch, es sei auf Basis der Studien­lage noch nicht eindeutig zu sagen, ab wann Menschen mit einem geschwächten Immunsystem eine erneute Impfung bräuchten. „Es ist unklar, ob eine Impfung vor Ablauf der sechs Monate nicht zu früh wäre“, sagte der Epidemiologe dem RND.

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