Hafenbrücke in Sydney für 28 Minuten blockiert

Harte Strafe in Australien: Klimaaktivistin muss 15 Monate ins Gefängnis

Blick auf die Habour Bridge und den Hafen von Sydney.

Blick auf die Habour Bridge und den Hafen von Sydney.

Sydney. Im April blockierte Deanna „Violet“ Coco eine Spur auf der berühmten Hafenbrücke Sydneys, die den Norden der Stadt mit der Innenstadt verbindet. 28 Minuten lang legte sie die Spur lahm. Die Brücke hat zwar mehrere Spuren in jede Richtung, doch Coco suchte sich die Stoßzeit aus, um möglichst viel Aufmerksamkeit für ihren Klimaprotest zu erzeugen. Mit Letzterem war sie insofern erfolgreich, als die Aktion damit endete, dass eine Richterin eine 15-monatige Gefängnisstrafe verhängte. Mindestens acht Monate davon muss Coco tatsächlich im Gefängnis absitzen, danach kann sie auf Bewährung entlassen werden.

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Dass die Strafe so hoch ist, liegt unter anderem daran, dass die Aktivistin, die mehr Maßnahmen im Kampf gegen die Klimakrise fordert, schon häufiger mit ähnlichen Aktionen aufgefallen ist. Außerdem hatte sie während des Protests eine Fackel angezündet und sich den Anweisungen der Polizei widersetzt. Richterin Allison Hawkins begründete ihre Entscheidung zudem mit dem „egoistischen emotionalen Handeln“ der Aktivistin, durch das eine „ganze Stadt“ habe leiden müssen. Mit derart „kindischen Stunts“ schade Coco der Sache selbst, so die Meinung der Richterin.

Straßenblockaden als Mittel des Protests

Das Urteil hat in Australien eine heftige Debatte ausgelöst und die Bürgerinnen und Bürger in zwei Lager gespalten. Dürfen Klimaproteste, um auf die Dringlichkeit der Klimakrise aufmerksam zu machen, das Leben normaler Mitbürgerinnen und Mitbürger stören und diese unter Umständen damit in Gefahr bringen? In Berlin ist im November eine Radfahrerin nach einem Unfall verstorben, während die Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ auf einer nahen Stadtautobahn eine Protestaktion durchführten. Die Feuerwehr sagte im Nachhinein, der dadurch verursachte Stau habe verhindert, dass ein Spezialfahrzeug den Unfallort rechtzeitig erreicht hätte. Der Fall hatte für großes mediales Aufsehen gesorgt.

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Australien ist ein Land, in dem häufig das allgemeine Wohl vor das Recht einzelner Individuen gestellt wird. Letzteres hatte bereits das strenge Pandemie­management mit seinen langen und restriktiven Lockdowns deutlich gemacht. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass der Premier des Bundesstaates New South Wales, in dem Sydney liegt, die Entscheidung des Gerichts begrüßte. Das Urteil sei „erfreulich“, sagte Dominic Perrottet. Die Leute dürften demonstrieren, aber nicht so, dass das Leben normaler Bürgerinnen und Bürger gestört werde. Weiter sagte er, dass das Urteil eine „klare Lektion“ für andere sein solle, die protestieren wollten.

„Niemand steht über dem Gesetz“

Auch Cocos eigener Onkel Alister Henskens, ein Minister in der Landes­regierung, stellte sich hinter die Entscheidung des Gerichts. Er sagte lokalen Medien: „Niemand steht über dem Gesetz.“ Auf Twitter äußerten sich auch mehrere australische Bürger positiv über das Urteil: Ein Internetnutzer schrieb, dass durch Aktionen wie diese Tausende Menschen und Geschäfte leiden würden. Er forderte deswegen Gefängnis­strafen für sämtliche derartigen Proteste.

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Dass ein solcher Protest überhaupt mit einer so hohen Gefängnisstrafe enden kann, liegt daran, dass einige australische Bundesstaaten, darunter auch New South Wales, Anfang dieses Jahres Gesetze eingeführt haben, die die Gefängnis- und Geldstrafen für Proteste erhöht haben, die kritische Infrastrukturen wie Straßen, Eisenbahnlinien, Tunnel und Brücken betreffen.

Strafmaß im Vergleich hoch

Andere Stimmen, darunter vor allem von Menschenrechts­aktivisten und dem Anwalt der Aktivistin, kritisierten die Entscheidung des Gerichts jedoch scharf. Der Anwalt der Aktivistin nannte das Urteil gegenüber der BBC „außerordentlich hart“ und „unbegründet“. Er will die Entscheidung deswegen auch anfechten. Sophie McNeill von der Menschenrechts­organisation Human Rights Watch schrieb auf Twitter, dass das Urteil eine „Schande“ und Violet Coco zudem nicht die Einzige von so etwas Betroffene sei. Auch anderen Klimaaktivisten und ‑aktivistinnen würden derzeit Gefängnis­strafen im Land drohen. Das sei zu harsch und würde rein aus dem Grund geschehen, andere von ähnlichen Aktionen abzuschrecken.

Kelly O’Shanassy, CEO der Umweltschutz­organisation Australian Conservation Foundation, bezeichnete die Entscheidung als eine „Ungerechtigkeit“ und forderte die Regierung auf, die strengen neuen Gesetze wieder rückgängig zu machen. Auch Mehreen Faruqi, eine Politikerin der Grünen Partei, nannte die Gesetze „drakonisch“.

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Das Recht zu demonstrieren sei „essenziell“ für eine funktionierende Demokratie und für den Kampf gegen die Klimakrise. Sie führte als Gegenbeispiel den Fall eines Rugbyspielers an, der für einen gewaltsamen Übergriff eine neunmonatige Gefängnisstrafe erhalten hatte. Eine Analyse der australischen Ausgabe des „Guardian“ ergab, dass das Strafmaß im Vergleich tatsächlich hoch ist. So hieß es in dem Bericht, dass beispielsweise wenige Täter, die der Umwelt Schaden zugefügt hätten, im Bundesstaat New South Wales im Gefängnis landen würden.

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Das harsche australische Urteil dürfte auch im Ausland für Aufsehen sorgen: Nicht zuletzt deswegen, weil in vielen anderen Ländern ebenfalls nach dem richtigen Umgang mit den Klimaprotesten gesucht wird, die eine Eskalation suchen, um zum Ausdruck zu bringen, wie sehr die Klimakrise inzwischen fortgeschritten und wie ernst sie für unsere Erde ist. In Deutschland ist beispielsweise eine Diskussion darüber entbrannt, ob es härtere Strafen für Klima­demonstranten geben sollte, die Flughäfen besetzen und Hausfriedens­bruch oder Sachbeschädigung begehen.

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