Aus Lagern in Syrien

Regierung holt erste IS-Frauen und -Kinder nach Australien zurück – und erntet Kritik

Premierminister Anthony Albanese wird von der Opposition für seine Entscheidung stark kritisiert (Archivbild).

Premierminister Anthony Albanese wird von der Opposition für seine Entscheidung stark kritisiert (Archivbild).

Mehr als 60 australische Frauen und Kinder wurden seit dem Sturz der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) im Jahr 2019 in Gefangenenlagern im Nordosten Syriens festgehalten. Die frühere australische Regierung hatte es stets abgelehnt, sie nach Hause zurückzubringen. Doch die im Mai neugewählte Regierung unter Anthony Albanese hat die Rückführung nun bewilligt.

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Eine erste Gruppe von vier Frauen und 13 Kindern kam am Samstagmorgen in Sydney an. Die Gruppe hatte das Internierungslager al-Roj in Syrien am Donnerstagnachmittag verlassen. Danach waren die Frauen und Kinder zur 30 Kilometer entfernten irakischen Grenze transportiert worden, wo sie ein Flugzeug erwartete, das sie nach Hause brachte. Kamalle Dabboussy, dessen Tochter und Enkel repatriiert wurden, berichtete Medienvertreterinnen und Medienvertretern, dass die Kinder nach ihrer Ankunft in Sydney müde gewesen seien und Jetlag hätten, es ihnen aber ansonsten gut gehe. Die Kinder, die gerade wach seien, hätten Geschenke und Spielsachen bekommen. „Ich bedanke mich bei allen“, sagte der Großvater, der nach Jahren der Trennung nun wieder mit seiner Familie vereint ist.

Sicherheit der Australier „Priorität“

Innenministerin Clare O’Neil sagte, bei der Rückführung habe man eine Bandbreite an Faktoren – darunter auch die Sicherheit und das Wohl der australischen Gesellschaft – berücksichtigt. Bei der Entscheidung, die Frauen und ihre Kinder zu repatriieren, hätten die Sicherheitsbehörden detaillierte Arbeit geleistet und die Betroffenen individuell bewertet.

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Die Familien sollen in Australien umfangreiche Unterstützung erhalten. Sollten den Frauen Straftaten nachgewiesen werden, so könnte dies „zu Strafverfolgungsmaßnahmen führen“, wie die Ministerin in einem Statement bekannt gab. Premierminister Anthony Albanese betonte ebenfalls, dass seine Regierung immer daran arbeiten werde, dass die Menschen in Australien sicher seien. „Das ist unsere Priorität“, meinte er.

Neben Australien haben auch andere Länder ihre Staatsangehörigen nach Hause geholt, darunter Deutschland, die USA, Italien, Frankreich, die Niederlande, Belgien, Großbritannien und Kanada. Die Vereinten Nationen warnten Anfang dieses Jahres, dass die Frauen und Kinder in den Camps folterähnlichen Bedingungen ausgesetzt seien.

Schrecken des Krieges hinter sich lassen

Die Kinderschutzorganisation Save the Children begrüßte den Schritt: Die Kinder könnten nun die Schrecken des Krieges hinter sich lassen, hieß es in einem Statement vonseiten des CEO Mat Tinkler. „Sie können sich auf die Genesung von ihrer Tortur konzentrieren und sich auf eine angst- und gewaltfreie Kindheit zu Hause in Australien freuen.“ Gleichzeitig wies Tinkler darauf hin, dass noch mehr als 30 andere australische Kinder in den Lagern im Nordosten Syriens feststecken würden.

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Er forderte die Regierung auf, auch diese Kinder nach Australien zu bringen. „Wir werden nicht eher ruhen, bis nicht jedes australische Kind nach Hause gebracht worden ist“, sagte er. Die repatriierten Kinder hätten nun noch einen langen Weg vor sich. Nicht nur müssten sie sich von den traumatischen Erlebnissen erholen, sie müssten sich auch in die Gesellschaft integrieren. Das gleiche gelte für die repatriierten Frauen, von denen einige mit gerichtlichen Schritten gegen sie rechnen müssten.

Die Opposition kritisierte die Entscheidung der derzeitigen Regierung mit deutlichen Worten: Schattenministerin Karen Andrews nannte die Mission „unentschuldbar“ und bezeichnete die amtierende Innenministerin als „Anfängerin“. Bei der Aktion sei das Leben von Australierinnen und Australiern gefährdet worden und zudem ein Risiko für die australische Gesellschaft geschaffen worden.

Rettungsaktionen nach massiven Überschwemmungen in Melbourne
dpatopbilder - 13.10.2022, Australien, Melbourne: Eine Frau wird aus dem Hochwasser gerettet. In den bevölkerungsreichsten australischen Bundesstaaten New South Wales und Victoria sowie im Inselstaat Tasmanien stiegen die Flüsse gefährlich an. Foto: Erik Anderson/AAP Image/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Tausende Menschen im Südosten Australiens waren aufgefordert, sich wegen massiver Überschwemmungen in Sicherheit zu bringen.

Tragische Geschichten mehrten sich

Viele der internierten Frauen haben angegeben, von ihren inzwischen verstorbenen Ehemännern gezwungen oder mit Tricks dazu gebracht worden zu sein, nach Syrien zu reisen. Die meisten australischen Kinder, die in den Lagern festsaßen oder -sitzen, sind unter sechs Jahre alt – mehrere wurden in den Lagern geboren. Vor der aktuellen Rettungsmission waren nach dem Fall des „Islamischen Staates“ im Jahr 2019 nur acht australische Waisenkinder, darunter eine schwangere Jugendliche, aus den Lagern zurück nach Australien geholt worden.

Insgesamt mehren sich die tragischen Geschichten, die aus den Lagern an die Medien gelangen: So ist ein Teenager, der mit elf Jahren von Australien nach Syrien gebracht worden war, dieses Jahr in Syrien verstorben. Yusuf Zahab war an Tuberkulose erkrankt und hatte bereits im Januar 2022 verzweifelt um Hilfe gebeten.

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Im vergangenen Jahr soll ein elfjähriges australisches Mädchen aufgrund von Unterernährung im Lager al-Roj zusammengebrochen sein, und ein Jahr zuvor erlitt ein dreijähriges australisches Kind schwere Erfrierungen an den Fingern. Ein anderes junges Mädchen, das im Alter von 14 Jahren von Australien nach Syrien verschleppt und mit einem IS-Kämpfer zwangsverheiratet worden war, soll inzwischen vier Kinder zur Welt gebracht haben. Ob sie unter den Familien sind, die am Samstag nach Hause gebracht wurden, ist nicht bekannt.

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