Bericht: 29 Verfahren gegen mutmaßliche Nazi-Verbrecher
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Schüler besuchen das Konzentrationslager Sachsenhausen mit seinem Tor, auf dem "Arbeit macht frei" zu lesen ist.
© Quelle: AP
Hamburg. In Deutschland laufen einem Bericht zufolge noch 29 Strafverfahren gegen mutmaßliche Nazi-Verbrecher. Vor allem ehemalige Wachleute in Konzentrationslagern seien in den Fokus der Ermittlungen gerückt, teilte der Norddeutsche Rundfunk unter Berufung auf Recherchen des NDR-Politikmagazins "Panorama 3" mit. Insgesamt richteten sich die Ermittlungen gegen rund 50 namentlich bekannte Beschuldigte, unter ihnen auch Frauen. In einigen Fällen sei unklar, ob die Tatverdächtigen noch leben. In einem Fall gegen einen 94-Jährigen am Landgericht Wuppertal ist noch offen, ob es einen Prozess geben wird.
Die 29 Strafverfahren laufen bei Staatsanwaltschaften über ganz Deutschland verteilt, wie eine Umfrage von "Panorama 3" unter allen deutschen Strafverfolgungsbehörden ergab. Den Beschuldigten würden Mord oder Beihilfe zum Mord vorgeworfen, teilweise in Tausenden Fällen. Gegen weitere Verdächtige liefen sogenannte Vorermittlungen - hier werde noch geprüft, ob ein Anfangsverdacht vorliegt.
Beihilfe zum Mord in 5.230 Fällen
Gegen einen KZ-Aufseher, den 93 Jahre alten Bruno D., beginnt Mitte Oktober der Prozess in Hamburg, wie es weiter hieß. Ihm wirft die Staatsanwaltschaft Hamburg Beihilfe zum Mord in 5.230 Fällen im KZ Stutthof vor. Der Prozess könnte einer der letzten sein. Denn wegen des hohen Alters der Beschuldigten werden weitere Prozesse immer unwahrscheinlicher. Die meisten der 29 Strafverfahren gegen mutmaßliche Mordhelfer in der NS-Zeit laufen laut NDR bei den Staatsanwaltschaften in Neuruppin und Erfurt, in deren Zuständigkeiten Taten in den Konzentrationslagern Sachsenhausen, Ravensbrück und Buchenwald fallen.
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In einem Fall gegen einen 94-Jährigen am Landgericht Wuppertal ist dem Bericht zufolge noch offen, ob es einen Prozess geben wird. Der NDR verweist auf einen Gerichtssprecher, demzufolge "wegen der anhaltend hohen Belastung der Kammer mit vorrangig zu bearbeitenden Haftsachen" es dem Landgericht noch nicht möglich gewesen sei, über eine Übernahme des Verfahrens zu entscheiden.
Kritik vom Internationalen Auschwitz Komitee
Das Internationale Auschwitz Komitee bewertete die Aussage des Wuppertaler Gerichts angesichts des hohen Alters der Holocaust-Überlebenden "nur noch als zynisch und abwertend". Die in Deutschland noch anhängigen 29 Verfahren leisteten zwar einen wichtigen Beitrag dazu, Überlebenden und ihren Angehörigen wenigstens in Teilen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, erklärte Exekutiv Vizepräsident Christoph Heubner am Dienstag in Berlin. Doch bleibe für Überlebende des Holocaust die "in Deutschland weitgehend bewusst versäumte juristische Aufarbeitung der NS-Verbrechen ein fortwährender Skandal und ein Schmerz". Die allerwenigsten der NS-Täter in den deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagern hätten jemals einen deutschen Gerichtssaal von innen gesehen.
Die Verfahren gegen mutmaßliche NS-Verbrecher gehen den Angaben zufolge zumeist auf Vorermittlungen bei der Zentralen Stelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg bei Stuttgart zurück. Hier versuchten die Ermittler herauszufinden, welche mutmaßlichen Täter noch leben und inwiefern diese für ihre Taten noch belangt werden können.
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RND/epd