Litauer erwarten komplette Kampfbrigade

Boris Pistorius an der Ostflanke der Nato: „Die Sicherheit Litauens ist auch unsere Sicherheit“

Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, gibt auf dem Truppenübungsplatz Paprade während der Übung Griffin Lightning unter Beteiligung von Bundeswehrsoldaten des deutschen Jägerbataillons 413 Enhanced Vigilance Activities-Brigade ein Pressestatement.

Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, gibt auf dem Truppenübungsplatz Paprade während der Übung Griffin Lightning unter Beteiligung von Bundeswehrsoldaten des deutschen Jägerbataillons 413 Enhanced Vigilance Activities-Brigade ein Pressestatement.

Vilnius. Nach seiner Ankunft in Litauen sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius einen Satz, der von Ferne an einen berühmt gewordenen Satz eines ebenfalls sozialdemokratischen Amtsvorgängers namens Peter Struck erinnert, dem zufolge die Sicherheit Deutschlands am Hindukusch verteidigt wurde. „Die Sicherheit Litauens ist auch unsere Sicherheit“, sagte Pistorius am Stützpunkt Rukla also.

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Der SPD-Politiker hatte das Amt am 19. Januar von Christine Lambrecht übernommen. Nach dem Besuch des amerikanischen Verteidigungsministers Lloyd Austin in Berlin, zahlreichen Truppenbesuchen im Inland und der Teilnahme an der Ukraine-Konferenz am US-Stützpunkt Ramstein reiste er alsbald in das von Russland angegriffene Land, um seine Solidarität zu bekunden.

Deutschland führend in der Nato-Truppe in Litauen

Am Montagnachmittag nun brach Pistorius ins Baltikum auf. In Litauen ist die Bundeswehr schon seit 2017 präsent, als Reaktion auf die von Präsident Wladimir Putin veranlasste Annexion der Krim und die Aktivitäten von Russland gesteuerter Separatisten in der Ostukraine. Mittlerweile ist das deutsche Kontingent auf 1450 Soldatinnen und Soldaten angewachsen und führender Teil einer größeren Nato-Truppe. Es ist nach einem deutlich kleineren Engagement in der Slowakei und einer jetzt erst langsam anlaufenden Mission in Polen der größte Beitrag an der Ostflanke.

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Zufall ist das nicht. Litauen grenzt sowohl an die russische Exklave Kaliningrad als auch an Belarus, das sich zunehmend zu Putins Vasallenstaat entwickelt. Zwischen der litauischen Hauptstadt Vilnius und der belarussischen Hauptstadt Minsk liegen nicht einmal 200 Kilometer. Im Baltikum herrsche angesichts des Ukraine-Krieges „nackte Angst“, hatte der Verteidigungsminister erst kürzlich gesagt. In Litauen wiederholte er: „Die Sorgen, die sich Polen und das Baltikum machen, sind nur allzu verständlich.“

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So nutzte Pistorius seine Visite zunächst, um die Bundeswehr stark zu reden – und den deutschen Beistand zu unterstreichen. Der deutsche Einsatz sei „gelebte Solidarität an unserer Ostflanke“, sagte er und hob hervor, dass die Ostflanke der Nato bis 1990 die alte Bundesrepublik gewesen sei. Der Hinweis auf Osnabrück, die Heimatstadt des 62-Jährigen, durfte da erneut nicht fehlen. In der Stadt waren in seinen jüngeren Jahren zahlreiche britische Soldaten stationiert. „Wir stehen fest an der Seite unserer Partner und Freunde“, das ist einer der Sätze, die der Minister längst wie ein Mantra vorträgt.

Pistorius: „Stau bei Wartung und Instandsetzung“ der Leopard-Panzer

Am Dienstagmorgen brach Pistorius noch im Dunkeln in ein Waldgebiet auf, in dem deutsche Infanteristen seit 14 Tagen und Nächten üben – bei Schnee und eisigen Temperaturen. Dabei bekam er ein Gefecht präsentiert, das jenen Gefechten ähnelt, die jetzt in der Ostukraine stattfinden – nur, dass in der Ukraine keine Übungsmunition verwendet wird und die Toten echt sind. Auf die Lage der ukrainischen Soldaten angesprochen, formulierte ein deutscher Offizier das Prinzip des Stellungskrieges so: „Man buddelt sich ein, umarmt Mutter Erde und hofft, dass es gut geht.“

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Allerdings war Pistorius in Litauen auch mit Herausforderungen konfrontiert. So berichteten Soldaten von technischen Schwierigkeiten mit Fahrzeugen. Einer von ihnen sagte etwa gemünzt auf den in die Jahre gekommenen Schützenpanzer Marder, es sei „fraglich, ob er tauglich ist für wochenlange Gefechte“. Der Minister musste einräumen, dass bisweilen Ersatzteile fehlen – und es einen „Stau bei Wartung und Instandsetzung“ der Leopard-Panzer gegeben habe. Der werde aber behoben. Sicher ist: Er trägt jetzt auch für die Defizite Verantwortung.

Litauen erwartet eine komplette Kampfbrigade – dauerhaft

Die andere Herausforderung ist politisch. Die Litauer erwarten aufgrund einer früheren Zusage von Kanzler Olaf Scholz ein größeres und vor allem dauerhaftes deutsches Engagement – konkret: eine komplette Kampfbrigade von 5000 Soldaten, die permanent in Litauen stationiert ist. Sie wünschen sich, dass die Deutschen für Rukla das werden, was die Briten für Osnabrück waren: Schutzengel, die bleiben.

Litauens Verteidigungsminister Arvydas Anusauskas redete bei der Pressekonferenz mit Pistorius denn auch nicht lange um den heißen Brei herum. „Wir danken Deutschland für seine Führungsrolle“, sagte er. „Deutschland ist ein besonders wichtiger Partner Litauens.“ Dann fuhr er fort: „Litauen strebt nach einer dauerhaften Präsenz der deutschen Brigade in Litauen.“

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Sein Gast wehrte diesen Wunsch nicht rundheraus ab, verwies indes darauf, dass Deutschland bereits jetzt immer wieder zusätzliche Kräfte nach Litauen verlege und dies auch schnell könne. Letztlich sei entscheidend, „was die Nato für richtig und geboten hält“ – mutmaßlich beim Nato-Gipfel im Juli, der ausgerechnet in Vilnius stattfindet. 5000 Soldaten dauerhaft in den südlichsten Staat des Baltikums zu entsenden, das erfordere überdies umfangreiche Baumaßnahmen, so der Minister. Das müsse „sorgfältig abgewogen werden“.

Bei allen Meinungsverschiedenheiten ist eines gewiss: Boris Pistorius wird auch nach dem Nato-Gipfel noch häufiger nach Litauen reisen. So rasch wird die Bundeswehr aus dem Land nicht mehr verschwinden.

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