Verteidigungsminister bei der Truppe: schlechte Nachrichten und ein Hauch von Krieg
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Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius besucht die Truppe in Augustdorf: Welche Aufgaben sieht er auf sich zukommen?
© Quelle: Getty Images
Augustdorf. Der Bundesminister der Verteidigung redet nicht um den heißen Brei herum. Dass das Panzerbataillon 203 im westfälischen Augustdorf einen Großteil seiner Leopard‑2-Panzer jetzt an die Ukraine abgeben müsse, sei ein „herber Einschnitt“, sagte Boris Pistorius an die Adresse der Soldatinnen und Soldaten des Bataillons gerichtet, die in einem Hangar direkt vor ihm standen. Diese Entscheidung der Bundesregierung stärke zwar das von Russland angegriffene Land. Sie schwäche aber die Truppe am Ort, fügte der SPD‑Politiker hinzu. Deshalb werde er sich um schnellstmöglichen Ersatz bemühen; das sei „keine leere Worthülse“.
Tatsächlich muss sich das 550‑köpfige Bataillon umstellen. Denn es hat 21 Leoparden, von denen derzeit 19 einsatzfähig sind. Von diesen 19 wiederum sollen 14 an die Ukraine gehen. Die Stimmung sei angesichts dessen „nicht besonders gut“, räumte ein Offizier am Standort Augustdorf unumwunden ein. Und er fuhr fort: „Man nimmt den Soldaten ihr Arbeitsgerät.“
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Auch sonst war dieser Tag kein einfacher Tag – und das nicht allein, weil es bei einer Übung mit zwei Schützenpanzern vom Typ Puma in Sachsen-Anhalt zu einem Unfall kam, bei dem zwölf Soldaten verletzt wurden, einer von ihnen schwer.
Erst Panzer, dann Kampfjets?
Zunächst geht die Debatte weiter, ob Deutschland und seine Verbündeten der Ukraine noch intensiver helfen sollten, als sie es bereits tun. Konkret dreht es sich neuerdings um die Frage, ob das Land nach Schützen- und Kampfpanzern demnächst Kampfjets bekommen sollte.
Vizekanzler Robert Habeck sagte in der ZDF‑Sendung „Markus Lanz“, nach dem, was er wisse, brauche die Ukraine für die modernen westlichen Kampfjets die Wartung des Westens, der damit „wahrscheinlich“ einen Schritt zu weit gehe. Der Grünen-Politiker befürchtet, dass dies vom russischen Präsidenten Wladimir Putin mit einer gewissen Berechtigung als Kriegsbeteiligung gedeutet werden könnte.
Damit herrscht in der Ampelkoalition zumindest diesmal weitgehend Einigkeit. Neben Kanzler Olaf Scholz, der vor einem „Überbietungswettbewerb“ gewarnt hatte, ist nämlich seine wohl größte Kritikerin, die FDP‑Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, in dem Fall ausnahmsweise derselben Meinung. Pistorius wollte sich zu dem Thema auch in Augustdorf nicht äußern. Scholz habe dazu alles gesagt, betonte er dort wie schon am Montag bei einem Besuch des Einsatzführungskommandos bei Potsdam.
Düstere Atmosphäre in Augustdorf
Dafür bekamen sowohl der Minister als auch die ihn beobachtenden Journalisten beim Panzerbataillon in Augustdorf einen kleinen Eindruck davon, wie es im Krieg zugeht. Auf dem riesigen Truppenübungsplatz hinter den Kasernen hörte man bei niedrig hängenden Wolken und leichtem Nieselregen Leopard-Motoren aufheulen und Übungsmunition knallen. Es war eine fraglos düstere Atmosphäre.
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Nachdem sich Pistorius in der vorigen Woche auf dem Truppenübungsplatz Altengrabow (Sachsen-Anhalt) demonstrativ in einen Puma gesetzt hatte, nahm er nun – abermals im Flecktarn – in einem Leopard 2 A6 Platz, der immerhin 62 Tonnen wiegt, und fuhr mit der Besatzung durch den schlammigen Untergrund davon. Plötzlich war vom Verteidigungsminister nichts mehr zu sehen. Er war am Horizont verschwunden – um später zu dem bereits erwähnten Gespräch mit den Soldaten im Hangar und einer anschließenden Pressekonferenz wieder aufzutauchen.
Zwar seien die Finger nach der Fahrt noch klamm, sagte der Verteidigungsminister, der noch auf einen anderen Titel hört: Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt. Allerdings sei er beeindruckt von dem Engagement und den Fähigkeiten der Panzerbesatzungen. „Es macht Freude, das zu sehen“, sagte der Sozialdemokrat. Überdies teilte er mit, dass es zu ersten Begegnungen mit Vertretern der Rüstungsindustrie gekommen sei. Die muss den Ersatz für die Leoparden und anderes Großgerät beschaffen.
„Ich täte auch lieber was anderes, als Waffen in Kriegsgebiete zu liefern“, sagte Boris Pistorius. Doch man müsse „alles tun, was der Ukraine hilft, in diesem Kampf zu bestehen“. Dazu gehört, notfalls auch Panzer aus Westfalen an die Front zu schicken.