Drei Jahre nach dem Brexit: bitte kein Hohn und Spott!
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Ein Mann mit einer Nationalflagge des Vereinigten Königreichs auf dem Rücken geht über eine Straße.
© Quelle: Monika Skolimowska/dpa-Zentralbi
Vor drei Jahren, am 31. Januar 2020 um Mitternacht, verließ Großbritannien mit großem Tusch die EU. Feuerwerk zischte zum Himmel, Union Jacks flatterten rund um Big Ben. Und Brexit-Premier Boris Johnson hielt eine breitbeinige Rede: „Endlich ist die Zeit gekommen, das volle Potenzial dieses brillanten Landes zu entfesseln.“
Die britische Wirtschaft – gefesselt von der EU? Wie in einem absurden Theaterstück blickten Europa und die Welt in jener Nacht auf die Kulmination eines über viele Jahre gepflegten kollektiven Irrtums. Wirtschaftsexperten fassten sich schon damals an den Kopf. Nichts hat in Wahrheit Großbritannien jemals so vorangebracht wie die enge Vertaktung mit dem 450-Millionen-Einwohner-Markt der EU.
Immerhin scheint jetzt, drei Jahre später, ein Umdenken in Gang zu kommen. Umfragen zufolge lässt eine wachsende Zahl von Britinnen und Briten den Gedanken zu, Land und Leute könnten sich seinerzeit tatsächlich kolossal geirrt haben.
Nichts ist besser geworden, die Probleme addieren sich
Ein Tiefpunkt, intellektuell wie ethisch, war erreicht, als die Brexit-Freunde versprachen, durch wegfallende Zahlungen an Brüssel das nationale britische Gesundheitswesen zu sanieren. Drei Jahre später zeigt sich: Nichts ist besser geworden, die Probleme addieren sich. Britische Exporteure haben Mühe, ihre Waren zu verkaufen – zugleich ringt Großbritannien mit einer tiefen Krise seines Gesundheitswesens. Hinzu kommen eine Krise des Bildungswesens, eine Krise im Transportwesen und eine Verfassungskrise im Verhältnis zu Schottland.
Die übrigen Europäer allerdings wären gut beraten, jetzt nicht zu Hohn und Spott überzugehen. Der erste Schritt zu einem neuen Deal mit London muss im Psychologischen liegen, in einem verständnisvollen Gentlemen‘s Agreement. London bleibt wichtig für die EU, die EU bleibt wichtig für London.