Newsletter „Hauptstadt-Radar“

Bundesinnenministerin Nancy Faeser: eine Frau in Turbulenzen

Bundesinnenministerin Nancy Faeser beim Treffen der G7-Innenminister im historischen Kloster Eberbach in Eltville – für die Hessin ein Heimspiel.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser beim Treffen der G7-Innenminister im historischen Kloster Eberbach in Eltville – für die Hessin ein Heimspiel.

Liebe Leserin, lieber Leser,

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die Bundesministerin des Inneren hat eine turbulente Woche hinter sich. Zunächst hat Nancy Faeser die Türkei besucht. Dort sprach sie mit ihrem Amtskollegen Süleyman Soylu – und zwar kurz nachdem die Türkei nach einem Anschlag in Istanbul damit begonnen hatte, kurdische Stellungen in Syrien und Irak zu bombar­dieren. Die Sozialdemokratin versicherte, man stehe im Kampf gegen den Terror an der Seite des Nato-Part­ners, rief zugleich aber zur Mäßigung auf.

Aus der Türkei flog Faeser weiter zur Fußballweltmeisterschaft nach Katar und war dabei zu einem weiteren Drahtseilakt gezwungen. Zwar hatte die fußballbegeisterte Anhängerin von Eintracht Frankfurt das Land schon drei Wochen vorher gemeinsam mit dem Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Bernd Neuendorf, besucht – und dem Premierminister des Emirats eine „Sicherheitsgarantie“ für alle deutschen Fans abgerungen, „egal, woher sie kommen, wen sie lieben und woran sie glauben“. Damit waren vor allem Schwule und Lesben gemeint.

Die Gesprächspartner, darunter Fifa-Präsident Gianni Infantino, hätten sich ebenso freundlich wie problem­bewusst gezeigt, hieß es hinterher aus der Delegation. Dennoch verbot der Welt-Fußballverband, offenbar auf Drängen der Katarer, dem deutschen Team (und nicht nur diesem) kurz vor Anpfiff das Tragen der „One Love“-Binde. Faeser und Neuendorf standen düpiert da.

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„One Love“: Fifa-Präsident Gianni Infantino und Bundesinnen­ministerin Nancy Faeser mit einer für Spieler verbotenen  LGBTQ-freundlichen Armbinde im WM‑Stadion in Katar.

„One Love“: Fifa-Präsident Gianni Infantino und Bundesinnen­ministerin Nancy Faeser mit einer für Spieler verbotenen LGBTQ-freundlichen Armbinde im WM‑Stadion in Katar.

Die Ministerin eilte trotzdem wie angekündigt zum deutschen WM‑Auftaktspiel gegen Japan und trug die Binde auf der Tribüne im Beisein des scheinheilig lächelnden Infantino selbst. Es war ein Foto, das bleibt. Die Binde kommt jetzt ins „Haus der Geschichte“.

Zurück in Berlin wartete auf die Bundesinnenministerin eine rein innenpolitische Debatte. Sie will es Migran­ten nämlich per Gesetz erleichtern, deutsche Staatsbürger zu werden. Das gefällt CDU und CSU gar nicht. Zumindest die Spitze der FDP ist ebenfalls dagegen.

Die Turbulenzen der vergangenen Woche dürften nur ein Vorgeschmack sein auf die Turbulenzen jener Wochen, die bevorstehen. Denn in Faesers geografischer Heimat Hessen und ihrer politischen Heimat SPD pfeifen die Spatzen von den Dächern, dass die 52‑Jährige Spitzenkandidatin ihrer Partei bei der hessischen Landtagswahl im Herbst 2023 werden soll und wohl auch werden will. Es scheint sich zu bewahrheiten, was Faesers ebenfalls aus Hessen stammende sozialdemokratische Kabinettskollegin, Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, zu Faesers Ärger bereits zur Jahresmitte durchblicken ließ. Damit sind offene Fragen verbunden.

Eine Frage lautet: Wechselt Faeser im Falle einer Kandidatur selbst dann nach Hessen, wenn sie gegen den noch wenig profilierten Amtsinhaber Boris Rhein von der CDU und den grünen Spitzenkandidaten Tarek Al‑Wazir verliert – geht sie also als Oppositionsführerin in den Landtag von Wiesbaden zurück, aus dem sie erst 2021 nach Berlin gekommen ist? Wenn ja: Wann gibt sie das Amt der Bundesinnenministerin auf – vor der Wahl oder nach der Wahl? Wenn nein: Wie erklärt sie das Tanzen auf zwei Hochzeiten den Wählerinnen und Wählern?

Im Berliner Regierungsviertel denken bei der Gelegenheit sofort alle an den damaligen Bundesumweltminister Norbert Röttgen, der 2012 CDU‑Spitzenkandidat bei der nordrhein-westfälischen Landtagswahl wurde, eine Niederlage erlitt – und hinterher sowohl den CDU‑Landesvorsitz als auch das Ministeramt abgeben musste, Letzteres auf Geheiß von Kanzlerin Angela Merkel.

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Norbert Röttgen 2012 beim Landesparteitag der CDU Nordrhein-Westfalen mit Armin Laschet.

Norbert Röttgen 2012 beim Landesparteitag der CDU Nordrhein-Westfalen mit Armin Laschet.

Nun gibt es einen Unterschied: Röttgen war seinerzeit nicht der einzige Aspirant auf den CDU‑Vorsitz in Düsseldorf und die Spitzenkandidatur. Er hatte sich vielmehr zwei Jahre vorher gegen einen innerparteilichen Konkurrenten namens Armin Laschet durchgesetzt. Faeser ist in der Hessen‑SPD als aussichtsreiche Spitzen­kandidatin konkurrenzlos und kann somit eher die Bedingungen diktieren.

Gleichwohl könnte sie sehr schnell zwischen allen Stühlen sitzen. Und da sitzt es sich bekanntlich am schlechtesten. Auch würde es so scheinen, als hätte die SPD Faeser allein deshalb im Bundesinnenministerium platziert, um ihr das nötige Profil für einen Landtagswahlkampf zu verschaffen. Wäre das der angemessene Umgang mit so einem Amt?

Bis auf Weiteres werden immer mehr Akteure in Regierung und Opposition in der fröhlichen SPD‑Politikerin jedenfalls nicht mehr nur die Ministerin, sondern auch die potenzielle Wahlkämpferin erkennen, der man aus landespolitischen Gründen bundespolitisch Schaden zufügen muss. Die Drahtseilakte in der Türkei und in Katar wären so gesehen das Vorspiel für das große Finale.

 

Bittere Wahrheit

„Die deutsche Staatsbürgerschaft ist etwas sehr Wertvolles, und damit muss man behutsam umgehen.“

Friedrich Merz

CDU-Vorsitzender

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Friedrich Merz auf dem Landesparteitag der CDU Berlin.

Friedrich Merz auf dem Landesparteitag der CDU Berlin.

An das Jahr 1999 können sich kundige Thebaner noch gut erinnern. Die damals erst frisch ins Amt gekommene rot-grüne Koalition im Bund wollte in Deutschland die Möglichkeit einer doppelten Staats­bürgerschaft einführen. In Hessen gab es derweil den mit 41 Jahren noch vergleichsweise jungen und aufstrebenden CDU‑Politiker Roland Koch, der im Landtagswahlkampf eine Unterschriftenliste gegen das Vorhaben startete und als Belohnung die Wahl gewann.

Merz war zu jener Zeit stellvertretender Unionsfraktionsvorsitzender und muss sich 23 Jahre später ent­scheiden, wie scharf er heute das Vorhaben von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und größeren Teilen der Ampelkoalition angreifen soll, das Staatsbürgerschaftsrecht erneut zu reformieren. Die Wortwahl, wonach man mit der deutschen Staatsbürgerschaft „behutsam umgehen“ müsse, legt den Verdacht nahe, dass Merz als CDU‑Chef und Oppositionsführer mit dem Protest dagegen ebenfalls behutsam umgehen möchte. Zumal in diesen bewegten Zeiten gilt: Das muss nicht das letzte Wort gewesen sein.

 

Wie das Ausland auf die Lage schaut

Einfach abziehen: Niclas Füllkrug trifft zum 1:1 im WM-Spiel gegen Spanien.

Niclas Füllkrug schießt das Tor zum 1:1 im WM‑Spiel gegen Spanien.

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Die internationalen Medien beschäftigt beim Blick nach Deutschland derzeit eines am meisten: das Spiel der deutschen Mannschaft bei der Fußballweltmeisterschaft gegen Katar – und das späte Ausgleichstor des Bremers Niclas Füllkrug gegen Spanien.

Der „Kurier“ aus Österreich schreibt:

„Totgesagte leben länger. Eine alte Weisheit, die sich im Fall der Deutschen bei dieser WM bewahrheiten könnte.“

„The Times“ aus England meint:

„Niclas Füllkrug, der Killer mit der Zahnlücke, holt Deutschland aus einem tiefen Loch in Katar.“

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Die italienische „La Repubblica“ notiert:

„Unter den Gesetzen der Fußballweltmeisterschaft gibt es allen voran einen bewährten Klassiker: Gib Deutschland niemals auf.“

 

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Das Autorenteam dieses Newsletters meldet sich am Donnerstag wieder. Dann berichtet meine Kollegin Eva Quadbeck. Bis dahin!

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