CDU-Programmdebatte: Was sagt ein CDU-Mitglied nachts um drei?
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CDU-Chef Friedrich Merz will das Profil der CDU mit einer Programmdebatte schärfen.
© Quelle: Getty Images
Berlin. Als Friedrich Merz den Raum verlassen hat, rückt CDU-Generalsekretär Mario Czaja heraus mit seiner Skepsis. In der Parteizentrale wird über das neue Grundsatzprogramm diskutiert, eine trockene Angelegenheit eigentlich. Aber gleich zu Beginn hat Carsten Linnemann den Eindruck vermittelt, er sei nicht Vorsitzender der Programmkommission, sondern Einheizer eines Jahrmarktkarussells oder Gemüsehobelverkäufer in der Fußgängerzone. „Steigen Sie jetzt ein, fahren Sie mit“, sagt Linnemann nicht. Und auch nicht, wie vergnüglich und einfach künftig das Kochen sein kann.
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Und plötzlich ist er Friedrich, der Große
Friedrich Merz musste viele Jahre kämpfen, um seine CDU von sich zu überzeugen. Doch nach den gewonnenen Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sieht sich der Oppositionsführer erstmals unangefochten an der Spitze. Wie lange hält der Frieden?
Aber er rudert mit den Armen und erklärt: „Wir brauchen eine tolle Erzählung für die CDU, eine brennende, fesselnde.“ Und wenn man um 3 Uhr morgens geweckt werde, müsse man sofort sagen können, wofür die CDU stehe. Da war Merz noch da.
Ich freue mich auf eine programmatische Klarheit der Partei.
Friedrich Merz,
CDU-Chef
Der neue Parteichef galt bisher nicht als leidenschaftlicher Programmarbeiter. Mehrfach hat er sich um seinen jetzigen Job beworben, und in der CDU hieß es, für Merz sei die Partei einfach nur die Durchgangsstation zum Kanzleramt. Aber das besetzt nur gerade die SPD, die Union hat die Bundestagwahl verloren und ohne Regierungsaufgaben mehr Zeit für grundsätzliche Fragen. „Ich freue mich auf eine programmatische Klarheit der Partei“, sagt Merz. Klarheit, das wird ihm ja gerne zugerechnet als Attribut.
Sehnsucht nach der alten CDU
Zum Auftakt der Programmdebatte zitiert er aus dem ersten Grundsatzprogramm von 1978, dass man Bewährtes schätzen und neue Perspektiven entwickeln müsse. „Zeitlose Worte“ seien das, sagt Merz. Und so ein bisschen sei es heute wie vor 44 Jahren: Die CDU sei damals auch in der Opposition gewesen und „die Welt im Wandel“ durch RAF-Terror und Ölkrise. Durch die „sogenannten 68er“ habe es Risse in der Gesellschaft gegeben.
Die Sehnsucht nach der alten CDU ist bedient, Merz geht über zum Jetzt: Er warnt vor einer Isolierung Deutschlands in Europa und Nato und bezeichnet die Reform der sozialen Sicherungssysteme als „größte intellektuelle Herausforderung“ der Innenpolitik – 30 Jahre lang habe die Politik versäumt, hier Antworten zu geben.
Reflextests und Solidaritätsappell
Merz spannt damit den Bogen über die Zeit der Merkel-Regierung hinaus und nimmt die SPD in Mithaftung. Er konstatiert „versuchte Sprechverbote“ in der politischen Debatte und „apokalyptische Untergangsszenarien“ – etwa in der Debatte um den Klimawandel. Es sind Stichworte, Reflextests vielleicht auch. So richtig klar ist damit noch nichts, aber das soll ja noch kommen in den nächsten zwei Jahren.
Toleranz, Solidarität und die Bereitschaft zum Kompromiss verlangt Merz noch für die Debatte – in der CDU ist viel gestritten worden in den vergangenen Jahren. Auch Merz wird Kompromisse machen müssen, als nächstes voraussichtlich beim Thema Frauenquote, die manche in der Partei auf jeden Fall, andere auf keinen Fall verschärfen wollen.
Linnemann sagt, die Partei brauche Geschlossenheit, müsse Themen mit bestimmten Köpfen verbinden und, da war noch was, die Inhalte überhaupt erst mal haben.
Generalsekretär Czaja sagt: „Wir wollen den Zeitgeist bestimmen.“
Und dann ist da noch die Sache mit der schnellen Antwort zum CDU-Profil mitten in der Nacht, die Linnemann so begeistert aufgerufen hat. Czaja sagt, er frage sich, wer andere Leute um 3 Uhr morgens aufwecke, um sie zu fragen, wofür die CDU steht. Er kenne viele Fragen, die man um diese Uhrzeiten eher stelle. Merz ist bereits beim nächsten Termin.
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