China möchte „medizinisch unnötige“ Abtreibungen reduzieren
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Der chinesische Regierungschef Li Keqiang ist der Vorsitzende des chinesischen Staatsrats.
© Quelle: AP
Peking. Es ist lediglich ein nüchtern formulierter Halbsatz in einem 50.000 Zeichen langen Dokument, der unter feministischen Kreisen für Aufregung gesorgt hat. In einer neuen Richtlinie vom chinesischen Staatsrat heißt es, dass „medizinisch unnötige“ Abtreibungen innerhalb der nächsten Dekade reduziert werden sollten.
Was durchaus besorgniserregend klingt, hinterlässt vor allem viele Fragezeichen: Weder definiert der Staatsrat, was eine medizinisch notwendige Abtreibung ausmacht, noch wie stark diese reduziert werden sollen. Dennoch werten einige Chinesinnen die Ankündigung als Eingriff in ihre Entscheidungsgewalt über ihren Körper.
„Seit mehr als einem Jahrzehnt versucht Chinas Propagandaapparat, ‚hochwertige‘ Han-Chinesinnen in die traditionelle Rolle von Ehefrauen und zu Hause bleibenden Müttern zu drängen, um ‚hochwertige‘ Babys zum Wohle der Nation zu produzieren“, schreibt die Autorin Leta Hong Fincher, die mehrere Bücher über Chinas feministische Bewegungen geschrieben hat, auf Twitter.
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Tatsächlich fasst die Kommunistische Partei ihre Bevölkerungsplanung deutlich ganzheitlicher auf, als es in vielen anderen Staaten der Fall ist. Ohne Problembewusstsein schreiben die Bürokraten der KP in ihren Fünfjahresplänen davon, dass man die „Bevölkerungsqualität“ verbessern möchte. Dies bedeutet unter anderem auch, dass der Anteil an Han-Chinesinnen und Chinesen in der muslimisch geprägten Region Xinjiang erhöht werden solle.
Einmischung hat lange Tradition
Chinas Staatsführung hat sich zudem seit Jahrzehnten bereits in die zutiefst private Angelegenheit der Familienplanung seiner Bevölkerung eingemischt. Ab 1980 verordnete Peking eine rigide Ein-Kind-Politik, bei der staatliche Institutionen – offiziell illegale - Zwangsabtreibungen durchführten und massives Leid in Millionen Familien brachten. Die Maßnahmen wurden damit begründet, das rasante Bevölkerungswachstum zu drosseln.
Nun steht die Volksrepublik vor dem gegensätzlichen Problem: Die Bevölkerung wird bald schrumpfen, rapide altern und damit auch den wirtschaftlichen Aufstieg bedrohen. Also hat die Staatsführung dieses Jahr eine Drei-Kind-Politik eingeführt. Die neue Freiheit wird jedoch nicht in Anspruch genommen, da die junge Generation aufgrund massiver Kosten für Wohnen und Bildung gar nicht mehr als einen Nachwuchs haben möchte. Zudem haben sich auch die Lebensentwürfe vieler Frauen diversifiziert.
Doch Pekings Staatsführung steuert mit seinem Propagandaapparat gegen den Zeitgeist. Während feministische und LGBTQ-freundliche Onlinegruppen zensiert werden, propagieren die Staatsmedien erneut das Bild der traditionellen Frau als heimische Mutter.
Die jetzige Abtreibungsregelung taugt allerdings nicht zum Skandal, zumindest solange die konkrete Umsetzung noch nicht bekannt ist. Denn tatsächlich wird in den Richtlinien des Staatsrats auch explizit betont, dass jungen Frauen der Zugang zu Verhütungsmitteln vereinfacht, Sexualbildung verbessert und geschlechtsspezifische Diskriminierung am Arbeitsplatz bekämpft werden soll.
Dennoch sollte stets Achtsamkeit geboten sein, wenn sich die Staatsführung nun wieder verstärkt in das Privatleben der Chinesinnen und Chinesen einmischt. In der Vergangenheit hat dies schließlich vor allem zu menschlichen Tragödien geführt.