Kommentar zur Novelle des Infektionsschutzgesetzes

Corona: Lauterbach knickt vor FDP ein – das ist fatal für die Pandemiepolitik

Karl Lauterbach (rechts, SPD), Bundesminister für Gesundheit, und Marco Buschmann (FDP), Bundesminister der Justiz, äußern sich bei einer Pressekonferenz im Bundesministerium der Gesundheit zur Novelle des Infektionsschutzgesetzes (IFSG).

Karl Lauterbach (rechts, SPD), Bundesminister für Gesundheit, und Marco Buschmann (FDP), Bundesminister der Justiz, äußern sich bei einer Pressekonferenz im Bundesministerium der Gesundheit zur Novelle des Infektionsschutzgesetzes (IFSG).

Berlin. Die Corona-Politik war in den vergangenen zwei Jahren immer wieder widersprüchlich. Die neueste Anpassung des Infektionsschutzgesetzes fällt auch in diese Kategorie. Künftig können die Länder 3G- und 2G-Regeln sowie Abstandsgebote nur noch verhängen, wenn die Parlamente sich vorher damit befassen. Bei mehr als 250.000 Neuinfektionen und Hunderten Toten pro Tag sowie der dynamischsten Infektionslage seit Pandemiebeginn ist das absurd – und gefährlich.

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Kontaktbeschränkungen etwa sollen überhaupt nicht mehr möglich sein. Auch die Maskenpflicht entfällt in Innenräumen, dabei ist sie der effektivste Schutz vor einer Infektion. Und warum? Weil sich wieder die FDP in der Ampelkoalition durchgesetzt hat. Sie hatte ihren Wählerinnen und Wählern einen „Freedom Day“ in Aussicht gestellt. Ein Begriff, der nicht die Realität abbildet, weil er fälschlicherweise vermittelt, es habe vorher keine Freiheit gegeben.

Der lauteste Warner muss die Lockerungen verteidigen

Dass ausgerechnet Karl Lauterbach nun derjenige ist, der diese Entscheidung verteidigen muss, grenzt an Realsatire. Immerhin war der SPD-Politiker der lauteste Warner, seitdem das Virus nach Deutschland gekommen ist. Er kündigte selbst an, dass mit ihm die Wissenschaft im Bundesgesundheitsministerium oberste Priorität haben werde.

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Jetzt ist der Sozialdemokrat gegenüber den Liberalen eingeknickt. Es ist unverständlich, dass SPD und Grüne dem kleinsten Koalitionspartner solche Zugeständnisse machen. Die Koalition bricht damit ein Versprechen: Mit diesem Infektionsschutzgesetz kommt Deutschland nicht vor die Welle, sondern hinkt wieder hinterher.

Richtig ist, dass die Lage auf den Intensivstationen stabil ist und weniger Corona-Patienten künstlich beatmet werden müssen als noch vor einem Jahr. Doch die Belastung verlagert sich nun auf die Normalstationen und die niedergelassene Ärzteschaft. Zudem geht es bei der Aufrechterhaltung des Gesundheitssystems darum, die kritische Infrastruktur zu sichern. Bei hohen Infektionszahlen werden allerdings viele Beschäftigte ausfallen. Die Versorgungslage könnte sich wieder verschärfen.

Konflikte sind bereits vorprogrammiert

Der weitere Verlauf der Pandemie lässt sich nur schwer prognostizieren. Bund und Länder sind daran in der Vergangenheit oftmals gescheitert. Deswegen ist es unklug, die konkrete Ausgestaltung der Pandemiepolitik in 16 verschiedene Parlamente zu geben, statt einheitliche Leitplanken vorzugeben. Streit ist vorprogrammiert, und der kostet erfahrungsgemäß wertvolle Zeit. Bundeseinheitliche Maßstäbe, ab wann welche Regeln gelten, werden nun noch schwerer umzusetzen sein.

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Auch der Expertenrat der Bundesregierung hatte angemahnt, dass die Pandemie schnelle Reaktionszeiten erfordert. Nur hört ihm wohl keiner zu. Klar ist: Die Länder brauchen weitreichendere Werkzeuge in der Hinterhand, um rasch reagieren zu können. Die Ampel muss nachschärfen.

Ein weiteres Problem: die mögliche Impfpflicht

Schon jetzt gibt es Stimmen, darunter der Gesundheitsminister selber, die vor einer weiteren Viruswelle warnen. Darauf ist Deutschland – Stand jetzt – nicht vorbereitet. Die Impfquote macht kaum Schritte nach vorne: Täglich werden lediglich wenige Tausend Menschen erstgeimpft. Auch der erhoffte Impfboom mit der Zulassung des Novavax-Proteinimpfstoffes bleibt aus.

Ob man die Impfskeptiker mit weiteren Werbekampagnen erreicht, ist fraglich. Jedenfalls hat die Bundesregierung dahingehend noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft.

Eine Lösung liegt auf dem Tisch: die Impfpflicht. Sie könnte Deutschland für den Herbst wappnen. Doch die Regierungsparteien haben das Thema schleifen lassen, weil Bundeskanzler Olaf Scholz keine eigene Ampelmehrheit hat. Das ist unverantwortlich, denn mit jedem weiteren Tag wird die Mehrheit im Parlament unwahrscheinlicher.

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