Corona-Zahlen steigen: Wo Deutschland im Kampf gegen Omikron steht
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Eine Fußgängerzone in der Münchner Innenstadt: Die Omikron-Variante breitet sich auch im neuen Jahr in ganz Deutschland weiter aus.
© Quelle: imago images/aal.photo
Berlin. Die neue Omikron-Variante des Coronavirus breitet sich in Deutschland von Tag zu Tag weiter aus. Während vor einer Woche laut Robert Koch-Institut (RKI) nur etwa 15,6 Prozent der sequenzierten Corona-Nachweise auf Omikron zurückzuführen waren, ist der Anteil laut aktuellem RKI-Wochenbericht inzwischen auf 44,3 Prozent gestiegen. In den nächsten Tagen dürfte Omikron die dominierende Variante des Virus in Deutschland sein.
Seitdem Ende November der erste Omikron-Fall in Deutschland registriert worden war, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zahlreiche Erkenntnisse über die neue Variante gewonnen. Neuerdings berät ein Expertengremium die Bundesregierung und erarbeitet regelmäßig Stellungnahmen zur aktuellen Corona-Lage. Die Politik hat bereits mehrere Maßnahmen als Reaktion auf Omikron ergriffen. Zuletzt einigte man sich am Freitag bei der Bund-Länder-Konferenz unter anderem auf die 2G-plus-Regel in der Gastronomie sowie auf neue Quarantäneregeln.
Es gibt aber auch Maßnahmen, über die die Verantwortlichen streiten. Eine Übersicht, wo Deutschland im Kampf gegen Omikron derzeit steht: vom Boostern und dem Eintritt in die endemische Phase bis hin zu einer möglichen Impfpflicht.
Bundesregierung korrigiert Impfziel nach oben
Wegen der Omikron-Variante hat die Bundesregierung die Messlatte für eine sogenannte Herdenimmunität gegen Corona nach oben gelegt. „Unser Ziel muss es sein, zu einer Quote von 95 Prozent vor allem bei den gefährdeten Gruppen zu kommen“, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Sabine Dittmar (SPD), der „Augsburger Allgemeinen“ am Samstag.
„Man hat am Anfang gedacht, dass eine Quote von 70 Prozent für die Herdenimmunität ausreicht. Das allerdings reicht, wie wir jetzt wissen, vor dem Hintergrund der zahlreichen Mutationen nicht aus.“ Omikron biete eine gewisse Chance, von einer weltweiten Pandemie in eine Endemie zu kommen. Aber dazu „brauchen wir noch mehr Impfungen“, sagte Dittmar.
Erkältung statt Omikron? Ärzteverband warnt vor Verwechslung
Der Ärzteverband Marburger Bund hat Menschen mit Erkältungssymptomen aufgerufen, einen Corona-Antigentest zu machen, um eine Infektion mit dem Virus auszuschließen. „Es besteht die Gefahr, dass viele Menschen ihre Corona-Infektion gar nicht als solche wahrnehmen und lediglich von einer Erkältung ausgehen“, sagte die Verbandsvorsitzende Susanne Johna dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
So träten Geruchs- und Geschmacksstörungen bei einer Omikron-Infektion gar nicht mehr auf. Johna riet daher, auch bei ganz leichten Symptomen einen Antigenschnelltest zu machen. „Wer einen Schnupfen hat, hustet oder sich unwohl fühlt, sollte sich vorsorglich testen und isolieren und im Zweifelsfall am zweiten Tag erneut einen Antigentest machen“, sagte Johna dem RND.
Omikron und der milde Krankheitsverlauf
Erste wissenschaftliche Erkenntnisse zum Krankheitsverlauf nach einer Omikron-Infektion machen Hoffnung. Das RKI hält im aktuellen Wochenbericht fest: „Erste Studien deuten auf einen geringeren Anteil an Hospitalisierten im Vergleich zu Infektionen mit der Delta-Variante bei Infizierten mit vollständiger Impfung beziehungsweise Auffrischimpfung hin.“ Allerdings reiche die Datenlage derzeit noch nicht aus, um die Schwere der Omikron-Erkrankungen sicher einschätzen zu können.
Auch der Virologe Hendrik Streeck warnte: „Nein, das bedeutet nicht, dass Corona jetzt zu einem harmlosen Virus geworden ist.“ Eher sei das Gegenteil der Fall, sagte er dem (RND) am Samstag. „Es erkranken nach wie vor Menschen schwer, aber es sind weniger, die auf den Intensivstationen behandelt werden müssen. Das erlaubt uns, mehr Infektionen zuzulassen.“ Man müsse nur berücksichtigen, wenn viele Menschen gleichzeitig krank seien, führe das zu einer Belastung der kritischen Infrastruktur.
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Die Pandemie und wir
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Ärzteverband stellt sich auf „enorme Belastung“ ein
Ähnliche Sorgen formuliert auch Deutschlands größter Ärzteverband, der Marburger Bund: „Selbst wenn im Verhältnis zu den Infektionen prozentual weniger Patientinnen und Patienten behandelt werden müssen, droht den Kliniken aufgrund der schnellen Ausbreitung durch viele Fälle erneut eine enorme Belastung. Wir werden insgesamt viel mehr Patienten in den Krankenhäusern haben“, sagte die Vorsitzende Susanne Johna im RND-Interview.
Weil es vor allem milde Verläufe gebe, müsse der Großteil der Fälle in den Notaufnahmen und auf den Normalstationen behandelt werden. Deshalb forderte Johna, bei der Omikron-Welle auch auf andere Parameter zu achten: „Es wäre ein Fehler, bei der Omikron-Welle nur auf die Auslastung der Intensivstationen zu schauen. Wenn man nur die Intensivbettenbelegung als Maßstab für Corona-Maßnahmen heranziehen würde, wäre das zu kurz gegriffen und bei Omikron sogar trügerisch.“
Drosten: Für Geimpfte könnte Pandemie 2022 vorbei sein
Als ein Problem bei der Bekämpfung der Omikron-Welle gilt die hohe Zahl der Ungeimpften in Deutschland. Bereits Ende Dezember hatte der Virologe Christian Drosten diesen großen Anteil kritisiert. „Wir haben zu viele ungeimpfte Leute in Deutschland, gerade auch über 60. Und die sind natürlich richtig in Gefahr“, sagte der Leiter der Virologie an der Berliner Charité im Deutschlandfunk. „Das wird in Konsequenz auch verhindern, dass wir in Deutschland in die endemische Phase eintreten können, und das wird uns einen extremen gesellschaftlichen, auch wirtschaftlichen Nachteil bringen gegenüber anderen Ländern, wenn wir das nicht hinbekommen.“
Für Geimpfte könne die Pandemie im kommenden Jahr vorbei sein. Falls die Impflücke aber nicht geschlossen werden könne, müssten diese wahrscheinlich weiter Rücksicht nehmen auf die Ungeimpften. Einige Maßnahmen seien dann weiter nötig. „Maske tragen in Räumen beispielsweise im nächsten Winter, das würde mich nicht wundern, wenn wir das noch machen müssen. Ich glaube aber nicht, dass wir in großer Breite dann noch diese Belastung der Krankenhäuser haben werden.“
Lauterbach: Omikron allein wird Pandemie nicht beenden
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach erwartet zwar spürbare Effekte für den Kampf gegen die Corona-Pandemie durch die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht. „Aber ich bin davon überzeugt, dass es eine große Gruppe von Ungeimpften gibt, die wir durch die Impfpflicht zu einer Impfung bewegen können“, sagte der SPD-Politiker der „Welt am Sonntag“.
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Der Minister bekräftigte, dass die Impfpflicht trotz eines geringeren Risikos für schwere Erkrankungen bei der neuen Omikron-Variante nötig sei. „Eine Omikron-Infektion macht nicht zwingend immun vor der nächsten Virusvariante. Der Glaube, dass die Omikron-Variante das Ende der Pandemie ist, ist naiv.“
SPD und Grüne dämpfen Erwartungen an schnelle Impfpflicht
Mitten in der Debatte um die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht dämpfen allerdings Politikerinnen und Politiker von SPD und Grünen die Erwartungen an einen raschen Beschluss des Bundestages. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte dem Berliner „Tagesspiegel“ am Sonntag: „Die Beratungen im Bundestag sollten wir im ersten Quartal zum Abschluss bringen.“ Das sei ein anspruchsvoller Zeitplan. Mit Blick auf mögliche Verzögerungen betonte Wiese, die Impfpflicht wirke ohnehin nicht kurzfristig, sondern sei „perspektivisch eine Vorsorge für den kommenden Herbst und Winter“.
Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann, betonte: „Das ist keine einfache Entscheidung, das bedeutet einen tiefen Eingriff.“ In den Fraktionen müsse zunächst diskutiert werden, welche Vorstellungen es gebe. „Und dann können wir Ende Januar die öffentliche Debatte im Bundestag darüber führen“, sagte Haßelmann den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Sonntag). Die Frage sei „so relevant und weitgehend“, dass es eine „fundierte und sehr sorgfältige Beratung“ brauche. Haßelmann selbst sprach sich für eine Impfpflicht aus.
Buschmann dringt auf schnelle Entscheidung zur Impfpflicht
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) macht hingegen Druck bei der Einführung einer Impfpflicht: „Der Bundestag sollte schnell entscheiden, ob eine Impfpflicht eingeführt wird. Und wenn ja, für wen“, sagte er der „Bild am Sonntag“. „Die Abgeordneten müssen sich aber auch die Zeit für eine sorgfältige Abwägung dieser schwierigen Frage nehmen.“
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„Bei der schwierigen Frage der Impfpflicht gibt es gute Argumente dafür und dagegen“, räumte Buschmann ein. „Wenn man neue Erkenntnisse gewinnt, muss man seine Position überdenken“, meinte er mit Blick auf FDP-Politiker, die ihre Haltung zu dem Thema geändert haben. „Wer sich da im Schützengraben verschanzt, verhält sich dogmatisch. Das ist das Gegenteil von liberal.“
RND/jw/dpa/reuters