Das können wir gegen Gewalt in der Schule tun
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Eine Schüler hebt im digitalen Unterricht seine Hand hoch.
© Quelle: picture alliance / Ina Fassbende
Berlin. “Du Opfer!” Diese Worte hätten man in früheren Zeiten vielleicht einmal als Ausdruck der Empathie gegenüber einer Person sehen können, der übel mitgespielt wurde. Heute benutzen Jugendliche den Begriff als eine Beschimpfung. Das Opfer wird noch einmal herabgewürdigt, indem man es so nennt.
Die Gewalt von Schülern gegen Lehrer nimmt zu, wie eine repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag des Verbandes Bildung und Erziehung unter 1300 Schulleitern zeigt. Das betrifft die psychische Gewalt, also Mobbing, Beleidigungen und Bedrohungen gegen Lehrer – sei es in direkter Form oder via Internet. Es geht aber auch um körperliche Gewalt, also um Schläge, Tritte oder andere Angriffe gegen Lehrer.
Es wäre zu simpel, jetzt die Schallplatte aufzulegen, dass früher alles besser gewesen sei. Möchte vielleicht irgendjemand mal wieder wahlweise das Fernsehen, Videospiele oder das Internet verantwortlich machen? Das alles ist zu unterkomplex – zumal sich technische und gesellschaftliche Entwicklungen ohnehin nicht zurückabwickeln lassen. Ohne Internet gäbe es kein Cybermobbing, dafür aber andere Probleme.
In der Schule spiegeln sich wie an keinem anderen Ort gesellschaftliche Entwicklungen wider – mit all ihren Chancen und Schwierigkeiten. “Wir können in der Schule nicht auch noch die Probleme der Gesellschaft lösen”, beklagen gelegentlich Lehrer, die ihre Aufgabe allein darin sehen, Grammatik oder Vektorenrechnung zu vermitteln. Ihnen muss man entgegenhalten: Wo sollen wir denn sonst die Probleme der Gesellschaft lösen?
Die Lehrer nicht allein lassen
Das fängt – gerade, wenn wir über Gewalt in der Schule sprechen – damit an, dass Politik und Gesellschaft nicht wegschauen dürfen. Die Lehrergewerkschaften haben Recht, dass eine statistische Erfassung von Gewalt gegen Lehrer nicht deshalb unterbleiben darf, weil es sich angeblich nur um Einzelfälle handelt. Das ist eine Verharmlosung der Wirklichkeit. Lehrer haben einen Knochenjob. Das müssen Politik und Gesellschaft ernst nehmen und sich bei Angriffen vor sie stellen.
Es ist ein erschreckender Befund, dass eine zunehmende Anzahl von Schulleitern zugibt, selbst nicht sicher zu sein, ob sie Opfern unter ihren Lehrern voll und ganz angemessen helfen konnten. Das größte Hindernis dabei sind aus ihrer Sicht übrigens nicht uneinsichtige Schüler. Das Hauptproblem sind Eltern, die nicht zur Zusammenarbeit mit der Schule bereit sind. Das ist beschämend.
Wir dürfen die Lehrer nicht alleinlassen. Statt einer Ausnahme muss es der Standard sein, dass Lehrer gemeinsam mit Sozialarbeitern, Sozialpädagogen und Psychologen im Team die Schüler fördern und betreuen – und auch aktive Elternarbeit betreiben.
Wir müssen die Ausbildung verbessern
In der Corona-Pandemie wird gerade viel darüber gesprochen, dass die Lehrerausbildung viel stärker Fragen des digitalen Unterrichtens berücksichtigen muss. Das ist unbedingt notwendig. Darüber dürfen die Kultusminister aber nicht vergessen, genau zu prüfen, ob sie die angehenden Lehrer insgesamt ausreichend auf ihren eigentlichen Job vorbereiten.
Lehrer haben die schwierige Aufgabe, in einer immer stärker vielfältigen Gesellschaft – die Integrationsschwierigkeiten, aber auch soziale Probleme zu bewältigen hat – vor den Klassen zu stehen. Wer mit Referendaren spricht, ob sie dafür an den Universitäten das passende Angebot bekommen, wird oft den Satz hören: “Da ist erheblich Luft nach oben.”
Packt Deutschland diese Fragen an, hilft das nicht nur dabei, das Problem von Gewalt gegen Lehrer anzugehen. Unsere Schulen können zu besseren Orten des Lernens und Zusammenlebens werden. Davon profitiert das gesellschaftliche Klima – es ist aber auch gut für die Bildungschancen von denen, die zu Hause nicht so gut unterstützt werden können.
Das hilft auch, damit Schüler sich nicht gegenseitig Sätze wie “Du Opfer” an den Kopf werfen. In der Schule sollte es keine Opfer und Täter geben, sondern vor allem Gewinner.