Kommentar zur Panzerdebatte

Deutsch-amerikanische Verstimmung: Scholz in der Sackgasse

Haben Redebedarf: Olaf Scholz und Joe Biden - hier bei einer gemeinsamen Pressekonferenz im Februar 2022.

Haben Redebedarf: Olaf Scholz und Joe Biden - hier bei einer gemeinsamen Pressekonferenz im Februar 2022.

Die Nachricht, die US-Sicherheits­berater Jake Sullivan am Sonntag hochgehen ließ, ist für die Bundesregierung äußert unangenehm. Der Vertraute des US-Präsidenten ließ wissen, dass die Administration in Washington in der Panzerfrage geradezu von Deutschland erpresst worden war. Kanzler Olaf Scholz habe nur unter der Bedingung einer Lieferung der Leopard‑2-Panzer zustimmen wollen, dass die Amerikaner bereit sind, ihrerseits das vergleichbare Modell der Abrams in die Ukraine zu schicken. Das ist ein unerhörter Vorgang.

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Es überrascht nicht, dass die Entscheidung so zustande gekommen ist – der Kanzler hatte sich von vornherein von der Entscheidung der Amerikaner abhängig gemacht. Nun hätten die Europäer durchaus mit der Billigung der USA eine Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine organisieren können. Scholz aber wollte mehr: Er bestand darauf – so stellen es die USA dar –, dass die Amerikaner gleichziehen und die Abrams liefern.

Scholz will die westliche Allianz wie einen Granitblock aufstellen

Mit seinem dringenden Wunsch, die Allianz der Ukraine-Verbündeten eng beieinander zu halten, hat der Kanzler offensichtlich das Gegenteil erreicht. Die Amerikaner bis hinauf zu Präsident Biden sind über den von Deutschland aufgebauten Druck verärgert. Anders ist es nicht zu erklären, dass der Nationale Sicherheitsberater die Umstände des Deals wenige Tage vor Scholz’ Besuch in Washington bekannt macht. Bemerkenswert ist auch, dass Scholz erstmals auf eine große Reise keine Medienvertreter mitnimmt und bislang auch keine gemeinsame Presse­begegnung mit Biden und Scholz geplant ist. Ein Besuch bei Freunden läuft normalerweise anders.

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Der Kanzler hat sich in eine Sackgasse manövriert. Sein Mantra seit Kriegsbeginn lautet, dass alle Waffenlieferungen eng mit den Verbündeten abgestimmt sein müssen. Weil Scholz diese Bedingung stets vor die Klammer aller Waffen­lieferungen gezogen hat, handelte er sich im Kreis der Ukraine-Unterstützer den Ruf des Zauderers ein. Es sind ganz offensichtlich zwei Gründe, die Scholz bewegen. Der Kanzler will die westliche Allianz gegenüber Russland wie einen Granitblock aufstellen. Vor dem Hintergrund, dass 2024 wieder Wahlen in den USA sind und niemand weiß, ob sich ein Nachfolger Bidens auch als Anführer der freien Welt sieht und seinen Nato-Verpflichtungen nachkommen wird, entspricht das gemeinsame Vorgehen den Sicherheits­interessen der Europäer. Zugleich ist für die Bundesregierung die innenpolitische Argumentation leichter, wenn sie auf den Schulterschluss der Nato-Staaten und der EU verweisen kann.

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Scholz hat sich durchgesetzt, aber einen Scherbenhaufen angerichtet

Diese Strategie ist vernünftig und nachvollziehbar. Sie bedarf in ihrer Umsetzung aber ganz offensichtlich eines diplomatischeren Vorgehens. Scholz hat sich in der Panzerfrage gegenüber den USA zwar formal durchgesetzt, zugleich aber einen Scherbenhaufen angerichtet. Die Aussagen des Nationalen Sicherheitsberaters legen nahe, dass es dauern kann, bis Abrams in der Ukraine ankommen – wenn überhaupt.

Peinlich für die Bundesregierung ist es, dass zwischen der Darstellung der Amerikaner und ihrer eigenen über das Zustandekommen des Panzerdeals eine Lücke klafft: Die Amerikaner betonen die von Deutschland vorgegebenen Bedingungen. Der deutsche Regierungs­sprecher hatte hingegen betont, es habe „kein Junktim“ gegeben. Wenn man nun nicht behaupten möchte, eine Seite sage die Unwahrheit, dann muss man doch mindestens festhalten, dass da unter Verbündeten kräftig aneinander vorbeigeredet wurde.

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Seinen Besuch in Washington sollte der Kanzler dringend dafür nutzen, den Ärger auszuräumen. Grundlage für ein gemeinsames und abgestimmtes Vorgehen muss nicht sein, dass sich alle Partner wie beim Synchron­schwimmen bewegen.

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