„Die Abstimmung war keine Rehabilitierung“ – Presse zum Ausgang des Trump-Impeachments

Die Abstimmung des US-Senats im Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump.

Die Abstimmung des US-Senats im Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump.

Berlin. Der US-Senat hat am Samstag den ehemaligen Präsidenten Donald Trump im Amtsenthebungsverfahren freigesprochen. Für eine Verurteilung stimmten 57 Senatsmitglieder – darunter sieben Republikaner –, 43 stimmten dagegen. Für eine Verurteilung hätte es allerdings eine Zweidrittelmehrheit gebraucht.

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Mit dem Verfahren wollten die Demokraten Trump für den Sturm seiner Anhänger auf das Kapitol am 6. Januar zur Rechenschaft ziehen. Eine verpasste Chance? Viele Kommentatoren internationaler und nationaler Zeitungen sind sich sicher, dass das Verfahren trotz Freispruch Folgen für Trump und die Republikaner hat. Die Pressestimmen im Überblick.

Die Londoner „Financial Times“ schreibt: „Das Verfahren hat Folgen für Trump, auch wenn es nicht zu einer Sperre für eine erneute Amtsausübung führte. Durch die Videobeweise, die die Senatoren öffentlich gemacht haben, ist nun noch deutlicher als vor einem Monat, wie nahe die Belagerung an etwas weit Schlimmeres herangekommen war. Die Randalierer waren nur wenige Sekunden und Meter von Mike Pence, dem damaligen Vizepräsidenten und Objekt ihrer Wut, entfernt.

Auch (der republikanische Senator Mitt) Romney kam nur dank eines knappen Abstands und des tapferen Sicherheitspersonals davon. Diese Beweise sollten und werden zur Sprache kommen, falls Trump 2024 zu einer erneuten Kandidatur für das Weiße Haus antritt. Die USA haben ihn nicht offiziell aus ihrem öffentlichen Leben entfernt. Aber moralischer Druck könnte ein Comeback schwieriger machen, als es sonst vielleicht gewesen wäre.“

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Die schwedische Tageszeitung „Dagens Nyheter“ schreibt über die sieben Republikaner, die gegen Trump stimmten: „Pat Toomey, Ben Sasse, Richard Burr, Bill Cassidy, Susan Collins, Lisa Murkowski und Mitt Romney. Das sind die sieben mutigen republikanischen Senatoren, die die Parteilinie verlassen haben und Trump verurteilen wollten. Es muss als Erfolg betrachtet werden, dass eine Rekordzahl an Senatoren in einem Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten ihrer Partei vorgegangen sind. Gewiss gehen die mutigen Sieben ein politisches Risiko ein.

Der republikanische Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnell, balanciert derweil auf Messers Schneide, als er erklärt, Trump sei praktisch und moralisch verantwortlich für den Sturm auf das Kapitol, aber auch sagt, dass der Senat die falsche Instanz sei, weil Trump formal nicht länger Präsident sei – Trump war ja am 6. Januar Präsident, als der Mob in den Kongress eingefallen ist. Die Prüfung von Trumps Verantwortung durch das normale Rechtssystem wäre daher wohltuend. Aber unabhängig vom möglichen Verfahren ist es bei den Republikanern jetzt an der Zeit für eine Führung, die es schafft, von systematischen Lügen und Populismus abzusehen.”

Die „Passauer Neue Presse“ kommentiert: „Der US-Senat hat Donald Trump im historischen zweiten Amtsenthebungsverfahren freigesprochen. Doch vor dem Richtstuhl der Geschichte gilt dieser Freispruch nicht. In den Geschichtsbüchern wird einmal stehen, dass der 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika einer war, der eine wilde Meute dazu aufgehetzt hat, das Kapitol, den Sitz der beiden Kammern des Kongresses, zu stürmen. Dieser flagrante Angriff auf die Demokratie war ein Schurkenstück, befeuert durch den, der eigentlich die Demokratie zu verteidigen hätte – der Präsident selbst.”

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Die „Stuttgarter Zeitung“ schreibt zum Ausgang des Verfahrens: „Ein Impeachment ist nun mal kein juristisches, sondern ein politisches Verfahren. Die Schuld eines Angeklagten kann noch so wasserdicht bewiesen werden, wenn es genügend Senatoren gibt, die kein politisches Interesse an einer Verurteilung haben, reicht das nicht aus. Die Angst, bei den nächsten Vorwahlen abgestraft zu werden von einer Basis, die Trump noch eine Weile die Treue halten dürfte, hat einige daran gehindert, ihn für schuldig zu befinden. Die Begründung, ein Impeachment verletze die Verfassung, wenn der Angeklagte sein Amt schon nicht mehr ausübe, war dabei nur das Feigenblatt. Die Mehrheit der Republikaner brauchte einen Vorwand, denn in der Sache fehlten ihr die Argumente.”

Das „Wall Street Journal“ schreibt über den Freispruch: „Die Abstimmung mit 57 zu 43 Stimmen war keine Rehabilitierung. Die Aussagen der Senatoren, die für den Freispruch stimmten, machen deutlich, dass er einer Verurteilung hauptsächlich – und vielleicht nur deshalb – entkam, weil er nicht mehr Präsident ist. (...) Wie wir schon früher geschrieben haben, war Herr Trumps Verhalten unentschuldbar und wird sein Vermächtnis für alle Zeiten überschatten. (...)

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Herr Trump mag wieder kandidieren, aber er wird keine weitere nationale Wahl gewinnen. Er verlor die Wiederwahl vor den Ereignissen des 6. Januars, und als Präsident stiegen seine Zustimmungswerte nie auf mehr als 50 Prozent. Er kann einen Rachewahlkampf bestreiten oder als Kandidat einer dritten Partei antreten, aber alles, was er damit erreichen wird, ist, das Mitte-rechts-Lager zu spalten und Demokraten zum Wahlsieg zu verhelfen.

Die Niederlagen der Republikaner bei den beiden Senatsstichwahlen in Georgia am 5. Januar haben das bewiesen. Das Land lässt die Präsidentschaft Trumps hinter sich, und die Republikaner werden in der Wüste bleiben, bis sie das auch tun.”

RND/dpa/ar

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