Die Demokratie ist nur so gut wie ihre Bürger
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Die Demonstration „Leipzig steht auf für Frieden, Freiheit und Demokratie! Sofort Nord Stream 2 öffnen!“ aus dem Umfeld der „Querdenker“.
© Quelle: Jan Woitas/dpa
Liebe Leserin, lieber Leser,
das System Demokratie hat wirklich schon bessere Zeiten erlebt – zum Beispiel in den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Damals waren vor allem die Menschen in Deutschland unter dem Eindruck der friedlichen Revolution zuversichtlich, dass die Demokratie das überlegene – weil freie und humanitäre – politische System sei und sich nach und nach global durchsetzen werde. Erst in der ehemaligen Sowjetunion, dann durch den arabischen Frühling in der arabischen Welt – und eines Tages möglicherweise auch im Zuge wirtschaftlicher Liberalisierung in China.
Weit gefehlt. Von der grünen Revolution in der arabischen Welt ist praktisch nichts übrig geblieben. China befindet sich unter der Knute des autoritären Herrschers Xi Jinping, der immer mehr Regionen außerhalb seines Riesenreichs ökonomisch in den Würgegriff nimmt. Und Putin führt nicht nur in der Ukraine Krieg, sondern hat auch der von ihm voller Verachtung so bezeichneten westlichen Welt den Kampf angesagt. Den Rest erledigen die demokratischen Länder selbst, weil sie nicht genug Kraft haben, sich gegen autoritäre Tendenzen und Rechtspopulismus zu verteidigen, wie in Ungarn, Polen, Italien und Sachsen. Der Brexit und die andauernde Präsenz von Donald Trump auf der politischen Bühne in den USA gehören in die gleiche Reihe.
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Dauerpräsent in den USA: Ex-Präsident Donald Trump.
© Quelle: Michael Conroy/AP/dpa
Es war eine Lehre aus der Weimarer Republik und gehört heute zu den politischen Binsenweisheiten: Eine Demokratie muss wehrhaft sein. Und um eine Demokratie am Leben zu halten, braucht sie ein Volk von Demokratinnen und Demokraten. Für das Überleben einer Diktatur reicht ein Diktator. Eine Demokratie ist also nur so gut, so stabil, so souverän, wie sie Rückhalt bei ihren Bürgerinnen und Bürgern hat.
An diesem Punkt ist es Zeit, in Deutschland mal ein wenig vor der eigenen Tür zu fegen. Sachsen kann man inzwischen in eine Reihe mit den populistisch beziehungsweise autoritär unterwanderten Demokratien stellen. Die vom Verfassungsschutz beobachtete AfD ist dort in Umfragen inzwischen die stärkste Partei. Wenn dann auch noch eine Person wie die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht ihr linkspopulistisches Süppchen auf den Sorgen der Menschen kocht, entsteht eine gefährliche Mischung.
Mit Sorge muss man auch auf die sich in Teilen radikalisierende Klimabewegung schauen. Es hat wenig mit demokratischem Verständnis zu tun, wenn man sich auf große Verkehrsadern klebt oder Kunstwerke mit Pamps bewirft. Im Gegenteil: Diese Aktivistinnen und Aktivisten erweisen ihrer eigenen Sache einen Bärendienst, indem sie die Mehrheit der Gesellschaft gegen sich aufbringen. Die Spirale der weiteren Radikalisierung ist längst in Gang. Die radikalen Klimaschützer greifen zu immer absurderen Methoden – so kaperten sie zuletzt am Mittwoch das Brandenburger Tor. Auch wenn das Gerede von einer Klima-RAF nicht das Problem trifft, verhärten sich die Fronten zwischen Staat und den radikalen Aktivisten. Bayern ist dazu übergegangen, die Klimakleber vorbeugend für 30 Tage in Haft zu nehmen. Das ist eines Rechtsstaats nicht würdig. Wer Straftaten begeht, dem muss ein fairer Prozess gemacht werden. Das bayerische Polizeiaufgabengesetz ist in dieser scharfen Form zum Schutz vor islamistischen Terroranschlägen geschaffen worden.
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Die „Letzte Generation“ blockiert immer wieder Straßen, wie hier die A 661.
© Quelle: Sebastian Gollnow/dpa
Die Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten, die immer wieder Straftaten begehen, um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen, sind eben auch schlechte Demokraten. Sie haben nicht verstanden, dass sie in einem freiheitlichen Staat mit einer Legitimation durch Wahl mehr erreichen können, als mit dieser Art von illegalem Protest. Die Demokratie lebt von einer Bevölkerung, die sie und ihre Regeln achtet. Je mehr Menschen sich geistig aus dem System ausklinken, sei es für einen guten oder einen schlechten Zweck, desto gefährlicher ist das für den Bestand der Demokratie.
Bittere Wahrheit
Es beschämt mich zutiefst, wenn ich sehe, was viele der Betroffenen erleben müssen.
Evelyn Zupke
SED-Opferbeauftragte des Bundestags
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Evelyn Zupke ist SED-Opferbeauftragte des Bundestags und kritisiert zermürbende Verfahren für Betroffene.
© Quelle: Britta Pedersen/dpa
Auch 33 Jahre nach dem Mauerfall warten noch viele Opfer des SED-Unrechtsregimes auf Entschädigung für ihr Leid durch Zwangsarbeit oder Gefängnis. Die SED-Opferbeauftragte des Bundestages, Evelyn Zupke, hat den Jahrestag des Mauerfalls zum Anlass genommen, auf diese fortgesetzte Ungerechtigkeit aufmerksam zu machen. Sie kritisierte, dass in den Verfahren regelmäßig Akten aus der DDR, etwa Haftakten, zur Begutachtung von Betroffenen und zur Entscheidung über ihre Entschädigungsanträge herangezogen würden. Die mehrjährigen Verfahren zermürbten die Betroffenen.
Wie Demoskopen auf die Lage schauen
Das Forsa-Institut stellt sowohl Olaf Scholz als auch Friedrich Merz ein schlechtes Zeugnis aus. „So wenig die Union vom neuen CDU-Vorsitzenden und Oppositionsführer profitiert, so wenig aber nützt der SPD die Kanzlerschaft von Olaf Scholz, der anders als frühere SPD-Kanzler über keinen Amtsbonus verfügt“, heißt es im aktuellen Wochenbericht des Meinungsforschungsinstituts. Die Stimmung gegenüber dem Krieg in der Ukraine scheint sich zu drehen. Die Meinungsforscher erkennen einen „gewissen Gewöhnungseffekt an die krisenhafte Lage“. Zugleich meint eine große Mehrheit von 79 Prozent, dass der Westen konkrete Bemühungen unternehmen solle, um Verhandlungen über eine Beendigung des Krieges einzuleiten.
Die Zustimmung zu den Ampelparteien schwindet. Die Ergebnisse der Sonntagsfrage:
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© Quelle: Forsa
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