Die missachteten Kinder: Die Politik droht eine ganze Generation zu verlieren
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/5KFRCUKCARDBDCUYM2U52GTPZI.jpg)
Schülerinnen und Schüler der vierten Klasse einer Grundschule stehen vor dem Unterricht mit Abstand auf dem Schulhof (Archivbild).
© Quelle: picture alliance/dpa
Berlin. Es sagt etwas über den Charakter eines Landes aus, wie es mit den Kindern umgeht. Nach zwei Jahren Corona zeigt sich: In Deutschland sind bei wichtigen politischen Entscheidungen die Interessen von Kindern und Jugendlichen oft höchstens am Rand bedacht – wenn überhaupt.
Das muss sich im kommenden Jahr dringend ändern. Das Vertrauen einer ganzen Generation in die Politik droht ansonsten dauerhaft beschädigt zu werden. Denn Kinder und Jugendliche haben es früh erlebt, wie Politiker zwar das Richtige erkennen, aber nicht das Notwendige tun.
Nach den ersten Schulschließungen haben die meisten Verantwortlichen zwar verstanden, wie wichtig Präsenzunterricht und das soziale Miteinander im Klassenzimmer sind. Dennoch haben sie es weitgehend versäumt, möglichst sichere Voraussetzungen dafür zu schaffen. Warum sollten viele Kinder eigentlich die Chance, dass Luftfilter bei ihnen in der Schule installiert werden, noch für realistischer halten als die Hoffnung, dass ein Fabelwesen durch das Fenster geflogen kommt und ihnen bei der Mathearbeit hilft?
Die Bildungsungerechtigkeit wird sich verschärfen
Gleichzeitig ist klar: Sollten angesichts der Omikron-Variante des Coronavirus erneute Schulschließungen notwendig werden, sind die Schulen bis heute auf den digitalen Unterricht nicht ausreichend eingestellt. Das Geld aus dem Digitalpakt ist nicht schnell genug vor Ort angekommen.
Vor allem hat es nie eine echte Lehrerfortbildungsoffensive im digitalen Unterrichten gegeben. Den Preis zahlen alle Schüler – vor allem aber diejenigen, die zu Hause kaum oder gar nicht gefördert werden können. Die in Deutschland ohnehin stark ausgeprägte Bildungsungerechtigkeit wird sich weiter verschärfen.
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Spotify Ltd., der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.
Das Problem reicht weit über Corona hinaus. Das Grundfehler ist, dass in unserem Land wenig zuerst aus der Perspektive der Kinder gedacht wird. Die neue Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP hat angekündigt, in der Politik für Kinder und Jugendliche grundlegend etwas ändern zu wollen. Im Jahr 2022 muss sie liefern.
Das Vorhaben, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern, ist auch symbolisch wichtig. Darüber hinaus muss es aber handfeste Verbesserungen geben. Dabei geht es sowohl um die Kinder aus Familien der unteren Mittelschicht, in denen oft beide Eltern arbeiten, wo am Monatsende aber kaum ein Euro übrigbleibt, als auch um diejenigen, die mit ihren Eltern Teil des Hartz-IV-Systems geworden sind.
Die Ampel muss jetzt ernst machen
Die Bundesregierung hat eine Kindergrundsicherung angekündigt, in der alle Leistungen für Kinder gebündelt werden sollen. Das ist eine vernünftige Idee. Bislang ist die Kindergrundsicherung aber vor allem ein schönes Wort. Es wird entscheidend darauf ankommen, wie sie für die einzelnen Gruppen finanziell ausgestattet wird.
Wenn sie gegen Bildungsungerechtigkeit wirksam kämpfen will, muss die Ampel darüber hinaus mit der angekündigten Bafög-Reform wirklich ernst machen. Es dürfen nicht diejenigen vom Studium abgeschreckt werden, deren Eltern sich das auf dem Papier vielleicht gerade so leisten können – aber nicht in der Realität.
Gute Bildung ist die Grundlage für Wohlstand
Damit mehr Kinder aus bildungsfernen Familien es bis zu dieser Schwelle schaffen, muss sich auch die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern verbessern. Die FDP, die an dieser Stelle im Fordern in der Opposition besonders gut war, muss nun zeigen, ob sie mit Ministerin Bettina Stark-Watzinger auch in der Lage ist, die Länder für dieses Vorhaben zu gewinnen.
Deutschland kann es sich angesichts des demografischen Wandels nicht leisten, junge Menschen schlecht zu fördern. Gute Bildung für die Jungen ist die Grundlage dafür, dauerhaft den Wohlstand für alle zu erhalten. Nur wenn die Alten an die Jungen denken, haben sie auch an sich selbst gedacht.