Ramelow, Kretschmann, Brandt: Diese Politiker regierten, ohne Wahlsieger zu sein
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Als der Linken-Politiker Bodo Ramelow 2014 in Thüringen erstmals zum Ministerpräsidenten gewählt wird, hat die Fraktion seiner Partei 28 Sitze im Parlament – sechs weniger als die CDU. Zusammen mit der SPD und den Grünen kommt Ramelow aber auf die notwendige Mehrheit von 46 Sitzen.
© Quelle: Martin Schutt/dpa
Berlin. Die CDU hat die Wiederholungswahl in Berlin für sich entscheiden können. Doch selbst angesichts einer historischen Schlappe für die SPD ist nicht gewiss, ob das Rote Rathaus deshalb in Zukunft von der CDU regiert wird. Eine Regierung ohne den Wahlsieger ist möglich. Ein Novum wäre dies nicht – in der Vergangenheit gab es das bereits auf Länder- und Bundesebene.
„Berlin hat den Wechsel gewählt“, lautete am Sonntag der erste Satz des CDU-Spitzenkandidaten Kai Wegner auf seiner Wahlparty. „Herzlichen Dank für diesen klaren Regierungsauftrag“, fügt er hinzu. Wegner kündigte an, eine „erfolgreiche Berlin-Koalition“ anführen zu wollen. Ob das gelingen wird, ist aber unklar.
Weiterführung der rot-rot-grünen Regierung denkbar
Denn: Eine Weiterführung der rot-rot-grünen Regierung im Berliner Rathaus ist durchaus denkbar. Die CDU gewann bei der Wiederholungswahl etwa 10 Prozentpunkte hinzu und kommt auf 28,2 Prozent (2021: 18 Prozent), die SPD liegt aber mit 18,4 Prozent (21,4) mit den Grünen gleichauf. Die Linke rutschte auf 12,2 Prozent ab (14,1). Eine Koalition aus SPD, Grünen und Linken könnte also eine Regierung bilden.
Die AfD legte dagegen auf 9,1 Prozent der Wählerstimmen zu (8). Die FDP verlor deutlich und scheiterte mit 4,6 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde (7,1).
Sondierungsgespräche angekündigt
Klar ist: Bereits am Montagmorgen kündigten die beiden Spitzenkandidaten Franziska Giffey (SPD) und Kai Wegner (CDU) Sondierungsgespräche an. Wegner erklärte derweil, dass er sowohl die SPD als auch die Grünen einladen wolle. Giffey betonte ebenfalls den Wunsch zur Regierungsbildung: „Wenn die SPD in der Lage ist, eine starke Regierung anzuführen, dann ist das für uns ein Punkt, den wir nicht einfach zur Seite schieben können.“
Selbstverständlich werde die SPD aber auch Gespräche mit Wahlsieger Wegner führen, sagte Giffey weiter. Diese schloss auch Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch nicht aus – ohne wesentliche Zugeständnisse der CDU hält sie eine schwarz-grüne Koalition aber nicht für denkbar. „Es gibt bei den Grünen kein Bündnis ohne Mobilitäts- und Wärmewende, ohne Berlin wirklich klimaneutral umzubauen und ohne echten Mieterschutz“, sagte die Mobilitäts- und Umweltsenatorin im RBB-Inforadio.
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Eine Regierung ohne Beteiligung des Wahlsiegers ist keine Neuheit. Das gab es bereits sowohl auf Bundesebene als auch in den Bundesländern. Zuweilen gab es dabei nur einen Abstand von einem Sitz zum regierenden Zweitplatzierten, mitunter aber auch einen viel größeren. Wir geben Ihnen einen Überblick.
Thüringen 2014
Als der Linken-Politiker Bodo Ramelow 2014 in Thüringen erstmals zum Ministerpräsidenten gewählt wird, hat die Fraktion seiner Partei 28 Sitze im Parlament – sechs weniger als die CDU. Zusammen mit der SPD und den Grünen kommt Ramelow aber auf die notwendige Mehrheit von 46 Sitzen. 2020 wurde der Ministerpräsident wiedergewählt.
Baden-Württemberg 2011
Der Grünen-Politiker Winfried Kretschmann wird 2011 in Baden-Württemberg der erste Ministerpräsident seiner Partei. Die CDU stellt damals zwar mit 60 Sitzen die stärkste Fraktion im Stuttgarter Landtag, doch Grüne (36 Sitze) und SPD (35 Sitze) haben eine gemeinsame Mehrheit gegenüber Schwarz-Gelb (zusammen 67 Sitze). Kretschmann und die Grünen konnten auch die folgenden beiden Legislaturperioden für sich entscheiden, gingen dann jedoch eine Koalition mit der CDU ein.
Hamburg 2001
Nach der Wahl 2001 hatte die CDU von Bürgermeister Ole von Beust in Hamburg 33 Sitze in der Bürgerschaft. Stärkste Kraft war allerdings die SPD mit 46 Mandaten. Von Beust schaffte jedoch zusammen mit sechs Sitzen der FDP und 25 Sitzen der Schill-Partei den Sprung an die Spitze des Rathauses. 2010 gab der CDU-Politiker seinen Rücktritt bekannt, das Amt des Bürgermeisters übernahm sein Parteikollege Christoph Althaus. Erst 2011 fiel das Hamburger Rathaus wieder in die Hände der SPD und Olaf Scholz wurde Bürgermeister.
Giffey räumt Niederlage ein: „Berlinerinnen und Berliner sind nicht zufrieden.“
Die CDU hat die Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus gewonnen und löst die SPD als stärkste Kraft ab.
© Quelle: Reuters
Bundestagswahl 1969
Im Jahr 1969 wurde Willy Brandt zum ersten SPD-Bundeskanzler der Bundesrepublik gewählt. Im Bundestag hatte damals zwar die CDU/CSU-Fraktion 13 Sitze mehr als die Sozialdemokraten, aber mit den 31 Sitzen der Liberalen steht die SPD/FDP-Mehrheit im Parlament – Brandt konnte eine Regierung bilden.
Niedersachsen 1955
Heinrich Hellwege von der Deutschen Partei (DP) war von 1955 bis 1959 Ministerpräsident in Niedersachsen. Seine Partei erreichte bei der Landtagswahl 1955 aber nur 12,4 Prozent – im Vergleich zur SPD mit 35,2 Prozent und zur CDU mit 26,6 Prozent. Hellwege stand an der Spitze einer Koalitionsregierung mit CDU, FDP (7,9 Prozent) und dem Gesamtdeutschen Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE) mit 11 Prozent.
Baden-Württemberg 1952
Bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg im Jahr 1952 bekam die FDP/DVP 18 Prozent der Stimmen – die CDU dagegen 36 Prozent. Dennoch stellt die FDP mit Reinhold Maier den ersten Ministerpräsidenten des neu gegründeten Bundeslandes. Er regiert in einer Koalition mit der SPD (28 Prozent) und dem Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) mit 6,3 Prozent.
RND/ag/dpa