Empörung in Deutschland über Kiew: Scholz, nicht Steinmeier gewünscht
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Wolodymyr Selenskyj wollte angeblich den Bundespräsidenten nicht empfangen.
© Quelle: Uncredited/Ukrainian Presidentia
Berlin. In der Ukraine herrscht Krieg und in Deutschland Aufregung über die gescheiterten Reisepläne von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach Kiew. Parteiübergreifend kritisierten Politiker am Mittwoch die ukrainische Regierung dafür, dass Steinmeier – nach eigenen Angaben – in Kiew nicht erwünscht ist. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte in einem Interview mit dem rbb-Inforadio: „Der Bundespräsident wäre gerne in die Ukraine gefahren.“ Es sei „etwas irritierend, um es höflich zu sagen“, dass er nicht empfangen worden sei.
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Präsident Wolodymyr Selenskyj stemmt sich seit sieben Wochen gegen den russischen Überfall und bittet den Westen um schwere Waffen zur Verteidigung. Er setzt darauf, dass Scholz nach Kiew kommt und weitere Waffenlieferungen aus Deutschland zusichert. Darüber kann Steinmeier nicht entscheiden. Scholz ließ offen, wann er nach Kiew fahren könnte.
Steinmeier hatte am Vortag erklärt, er habe mit seinen Amtskollegen von Polen, Litauen, Lettland und Estland zu einem Solidaritätsbesuch nach Kiew fahren wollen – die Initiative und Organisation war von dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda ausgegangen. Steinmeier sagte, er sei dazu bereit gewesen, aber „offenbar“ sei das „in Kiew nicht gewünscht“ gewesen. Dies wurde als Absage des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gewertet. Dem Vernehmen nach hat Steinmeier dies über Dritte erfahren. Die vier anderen Staatschefs fuhren am Mittwoch ohne ihn in die ukrainische Hauptstadt.
Selenskyj lehnt Steinmeier-Besuch in Kiew ab
Beobachter vermuten, dahinter stehe Selenskyjs Missbilligung der engen Beziehungen Steinmeiers zu Russland in seiner Zeit als Außenminister der Bundesrepublik.
© Quelle: Reuters
Selenskyjs Berater Olexeij Arestowytsch hatte im ARD-„Morgenmagazin“ erklärt, er kenne die Gründe für die Absage nicht, doch die Politik und die Entscheidungen von Selenskyj seien ausgewogen. „Unser Präsident erwartet den Bundeskanzler, damit er unmittelbar praktische Entscheidungen treffen könnte auch inklusive die Lieferung der Waffen.“ Die „Welt“ berichtete, ein Mitarbeiter von Selenskyjs Stabschef habe in einem CNN-Interview dementiert, dass Selenskyj den Besuch abgesagt habe.
Unterschiedliche Reaktionen der Parteien
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich empörte sich über Kiew: „Die Erklärung der ukrainischen Regierung, dass ein Besuch des Bundespräsidenten in Kiew derzeit unerwünscht ist, ist bedauerlich und wird den engen und gewachsenen Beziehungen zwischen unseren Ländern nicht gerecht.“ Er mahnte: „Bei allem Verständnis für die existenzielle Bedrohung der Ukraine durch den russischen Einmarsch erwarte ich, dass sich ukrainische Repräsentanten an ein Mindestmaß diplomatischer Gepflogenheiten halten und sich nicht ungebührlich in die Innenpolitik unseres Landes einmischen.“
Der FDP-Außenexperte Alexander Graf Lambsdorff sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Die Lage ist sehr verfahren, es gibt ja nun auch widersprüchliche Nachrichten zum Hergang der Ereignisse.“ Er betonte allerdings: „Ich verstehe zwar, dass manche in Kiew den früheren Kanzleramtsminister von Gerhard Schröder nicht empfangen möchten.“ Steinmeiers Russland-Politik sei einer der Hauptgründe für derzeitige diplomatische und energiewirtschaftliche Schwierigkeiten, weil er gegenüber Kremlchef Wladimir Putin und Außenminister Sergej Lawrow über viele Jahre naiv gehandelt habe.
„Dennoch hat sich die ukrainische Seite hier diplomatisch falsch verhalten. Steinmeier ist Bundespräsident und mit seinem Amt ein Verfassungsorgan. Wenn nun der Bundeskanzler die Einladung nach Kiew schnell annähme, wäre das ein doppelter Affront gegen das Amt des Bundespräsidenten.“ Militärisch sei die Lage unverändert dramatisch. „Deswegen müssen wir der Ukraine jetzt schneller, mehr und schwere Waffen liefern.“
Steinmeier in Kiew nicht erwünscht: FDP-Vizechef Kubicki zeigt Verständnis
Eine geplante Reise von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach Kiew ist geplatzt, weil er dort offensichtlich nicht willkommen ist. Das sagt Kubicki dazu.
© Quelle: dpa
Der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid sagte dem RND, notwendig seien Waffen, die umgehend und ohne große Einweisung durch die Ukraine genutzt werden könnten. „Die Abstimmung über diese von der Ukraine angefragten Waffensysteme muss zwischen den europäischen Partnern umgehend erfolgen. Möglich wäre eine rasche Lieferung von Waffensystemen aus sowjetischer Produktion, hierzu gehören auch Panzer.“ Entsprechende Systeme seien in östlichen Nachbarländern vorhanden, die Bundeswehr solle die Lieferungen dann entsprechend kompensieren – soweit das möglich sei.
Auch Schmid kritisierte den Umgang mit Steinmeier: „Es wäre ein starkes Zeichen für die internationale Geschlossenheit gewesen, wenn der Bundespräsident zusammen mit den anderen Präsidenten gereist wäre. Das Gegeneinanderausspielen von Bundespräsident und Bundeskanzler halte ich für unangebracht.“
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Der außenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Jürgen Trittin, sprach von einem „Propagandaerfolg für Wladimir Putin“. „Wenn man die Europäer spalten will, dann muss man es so machen wie der ukrainische Präsident. Wir erwarten, dass die Ukraine das zurücknimmt“, sagte Trittin dem RND. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken, Jan Korte, sieht es ähnlich: „Bei allem Verständnis für die besondere Situation aufseiten der Ukraine: So kann ein Umgang untereinander nicht laufen und das muss man auch klarmachen.“